Bundestag uneinig über Nachbesserungen der Krankenhausreform

Berlin – Ob das Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) in der aktuellen Fassung die geplante Krankenhausreform besser machen kann, sehen die verschiedenen Parteien unterschiedlich. Das zeigte die erste Lesung des Gesetzentwurfs gestern Abend im Bundestag.
Die Union und insbesondere Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sind überzeugt von den Nachbesserungen. Warken wiederholte ihr Credo: „Wir machen die Krankenhausreform alltagstauglich“ und betonte gleichzeitig, man werde keine grundlegenden Abstriche bei den Zielen der Reform machen. Die Reform soll die Qualität der Patientenversorgung und die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser verbessern.
Der Regierungspartner SPD trägt den Entwurf zwar mit – so stammen viele darin enthaltene Änderungen aus dem Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung – trotzdem gebe es noch Bauchschmerzen, sagte Tanja Machalet (SPD), amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag.
Es bestehe noch erheblicher Beratungsbedarf im parlamentarischen Verfahren, insbesondere bei der Frage der Ausgestaltung der Kooperation zwischen den Krankenhäusern, die gemeinsam Leistungsgruppen erfüllen sollen oder bei der Frage der Pflegepersonaluntergrenzen.
Dies sieht der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christos Pantazis, ähnlich. Er wolle zudem über die Definition der Fachkliniken und über die Anrechenbarkeit von Fachärztinnen und -ärzten sprechen. „Wir wollen weiter verbessern, nicht verwässern“, versprach Pantazis. So bleibe etwa der Kurs bei den Leistungsgruppen klar. „Qualität bleibt der Maßstab, nicht Beliebigkeit“, sagte Pantazis.
Warken erklärte die geplanten Ausnahmemöglichkeiten für die Länder und die verschobenen Fristen damit, dass die Länder die Reform ansonsten nicht umsetzen könnten. Zudem werde damit die Versorgung auch im ländlichen Raum abgesichert. Mehr Entscheidungsspielraum der Länder bei der Definition der Fachkliniken sei zudem wichtig, um keine vorhandenen Strukturen zu zerstören, so Warken.
Auch Stephan Pilsinger von der CSU wies auf die hohen Kosten im stationären Bereich bei nur mittelmäßigen Ergebnissen im EU-Vergleich hin. Deshalb müsse man das Geld effizienter ausgeben und notwendige Reformen einleiten, so Pilsinger.
Vor allem elektive Eingriffe, wie etwa Hüftoperationen sollten künftig nur an Standorten durchgeführt werden, die dies häufig machen. Es dürfe nicht sein, dass weniger gebildete Menschen weiterhin in Krankenhäuser gehen würden, die bei diesen Behandlungen sehr geringe Fallzahlen hätten, sagte Pilsinger.
Die Opposition hingegen sieht den eingeschlagenen Weg kritisch. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Armin Grau kritisierte den „Zickzack-Kurs“ von Warken. Erst verteile die Ministerin unter dem irreführenden Namen Soforttransformationsmittel vier Milliarden Euro mit der Gießkanne über die Kliniken, um ihnen dann durch die Streichung der sogenannten Meistbegünstigtenklausel 1,8 Milliarden gleich wieder wegzunehmen. „Widersprüchlicher geht es ja nicht mehr.“ Nicht verwunderlich sei, dass der Bundesrat nun dazu den Vermittlungsausschuss anrufen wolle.
Grau erinnerte daran, dass die Krankenhausreform unter intensiver Beteiligung der Länder gemeinsam erarbeitet wurde: „Die Krankenhaus-Reform war ein großer Schritt zu mehr Qualität durch mehr Spezialisierung und durch die Einführung der Leistungsgruppen, zu einer bedarfsgerechten Grundversorgung und zu einer Entlastung der Kliniken durch Vorhaltebudgets statt reiner Fallpauschalen. Sie soll die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessern – gerade auch in ländlichen und strukturschwachen Räumen.“
Doch der Entwurf des KHAG gefährde diese Fortschritte in gravierender Weise, sagte Grau. „Er verzögert und verwässert die Reform.“ Die Abschaffung der bundeseinheitlichen Vorgaben zur Erreichbarkeit der Kliniken sei schlecht für die Kranken und schaffe einen Flickenteppich in der Versorgung.
Auch die Streichung von Leistungsgruppen etwa die Infektiologie sowie die geplanten Lockerungen bei den Vorgaben für Krebsbehandlungen kritisierte Grau. „Krebs ist kein Notfall. Bei diesen bedrohlichen Erkrankungen erwarten Menschen höchste Qualität und sind bereit auch weitere Strecken zu fahren“, sagte Grau.
Er kündigte an, dass die Grünen-Fraktion im parlamentarischen Verfahren eigene Änderungsanträge einbringen werden, die zu mehr Qualität, zu verlässlicher Planung und zu einer sicheren, zukunftsfesten Krankenhausversorgung für alle Menschen sorgen sollen. „Unser Ziel bleibt eine Reform, die die Qualität stärkt und die Krankenhäuser zukunftsfest macht“, betonte Grau.
Linke und AfD wollen Finanzierung ändern
Die AfD fürchtet Unsicherheiten und kritisierte, dass der wirtschaftliche Druck der auf den Kliniken laste, zu Fallzahlen führen würden, die medizinisch nicht sinnvoll seien. Das sagte die AfD-Abgeordnete Christina Baum.
Die geplanten Ausnahmemöglichkeiten für die Länder bezüglich der Leistungsgruppenkriterien seien nicht sinnvoll, sondern ein „Eingeständnis, dass die Regeln an der Versorgungsrealität vorbeigehen“. Sie befürchte mehr Bürokratie und forderte eine fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung, die „echt, unbürokratisch, planbar und inflationsfest“ sei.
Die Linke will an das grundlegende System der Krankenhausfinanzierung heran und kritisierte die geplante Kombination aus Fallpauschalen und der „Pseudo-Vorhaltefinanzierung“. Dies schaffe den Anreiz, möglichst viele Fälle mit möglichst wenig Personal zu machen, befürchtet Ates Gürpinar von den Linken. Er pochte darauf, dass kein bedarfsnotwendiges Krankenhaus schließen dürfe.
Der Gesetzentwurf wird nun in den kommenden Wochen im Gesundheitsausschuss des Bundestags weiter beraten. Neben dem Entwurf wurden auch zwei Anträge in den Ausschuss verwiesen. Die Fraktion Die Linke will die Personalkosten aus den Fallpauschalen im stationären Bereich ausgliedern und die Grünen-Fraktion hat einen Antrag zur Sicherstellung der Kindergesundheit im Zuge der Krankenhausreform eingebracht.
Darin ist auch die Forderung enthalten, die beiden Leistungsgruppen der speziellen Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin zu erhalten, die das KHAG derzeit streichen soll. Weiter sieht der Antrag die Abschaffung wirtschaftlicher Anreize für medizinisch unnötige Krankenhausaufenthalte bei Kindern vor. Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, Lieferengpässe bei Kindermedikamenten zu beseitigen und Kinderkrankentage aufzustocken.
Wirtschaftliche Anreize für bessere Versorgung von Kindern
Der Grünen-Abgeordnete und Kinderarzt, Johannes Wagner, warnte davor, dass Kinder künftig nicht mehr an allen Klinikstandorten ausreichend behandelt werden könnten. „Auch darf es keine wirtschaftlichen Anreize mehr geben, Kinder länger als nötig im Krankenhaus zu behalten. Kinder gehören nach Hause, sobald es medizinisch geht – nicht ins Krankenhausbett, weil sich das für die Klinik rechnet“, sagte Wagner. Im Moment würden den Krankenhäusern aber finanzielle Nachteile drohen, wenn sie die Kinder schnell wieder entlassen.
Weiter brauche es eine Stärkung der Sozialpädiatrischen Zentren für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und die Fortführung und Ausbau von Programmen zur psychischen Gesundheit wie „Mental Health Coaches“ (Trainer für psychische Gesundheit) und „Mental Health First Aid“ (Erste Hilfe bei psychischen Problemen).
Zudem fordern die Grünen in ihrem Antrag die kinder- und jugendärztliche Weiterbildung der allgemeinärztlichen Weiterbildung rechtlich gleichzustellen. Die Anzahl der zu fördernden pädiatrischen Weiterbildungsstellen sollen auf 750 erhöht werden.
Fachgesellschaften kritisieren Wegfall von Leistungsgruppen
Vor der Streichung der Leistungsgruppen der spezialisierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen warnte auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). „Kinder und Jugendliche gehen in der aktuellen Fassung unter“, warnte DGKJ-Präsidentin Ursula Felderhoff-Müser.
Die Gesundheit von Kindern sei ebenso komplex wie die von Erwachsenen. Es sei ein existentielles Qualitätsmerkmal, anzuerkennen, dass es neben der „allgemeinen“ auch eine spezielle Kinder- und Jugendmedizin geben müsse, um chronisch und schwer kranke Kinder und Jugendliche angemessen zu versorgen. „Auch müssen die dafür notwendigen Vorhaltekosten entsprechend kalkuliert werden“, forderte sie.
Sollte das KHAG in seiner derzeitigen Form beschlossen werden, drohe ein systematisches Verschieben schwer kranker Kinder und Jugendlicher in die Erwachsenenmedizin – mit gravierenden Folgen für die Versorgungsqualität und Patientensicherheit. Die Behandlung in Erwachsenenabteilungen dürfe aber keine Option sein, forderte die DGKJ.
Die geplante Streichung der Leistungsgruppe Infektiologie bemängelten der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa) und der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI). Dies sei ein Rückschritt für die Versorgungssicherheit und die Qualität der Behandlung infektiologischer Erkrankungen in Deutschland.
Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Pandemieerfahrungen und der zunehmenden Bedeutung antimikrobieller Resistenzen sei dies nicht nachvollziehbar und gesundheitspolitisch kontraproduktiv.
Vor den geplanten Änderungen warnte auch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). Bei zu vielen Ausnahmeregelungen für die Bundesländer bestehe die Gefahr, dass Krebspatienten je nach Wohnort nach unterschiedlichen Standards behandelt würden. Die Krebsgesellschaft fordert deshalb verbindliche und einheitliche Qualitätsvorgaben im Gesetz zu verankern.
„Flächendeckende evidenzbasierte Qualitätskriterien, wie die der zertifizierten Zentren, sind für eine gute Krebsmedizin unerlässlich“, sagte Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Laut Bruns würden die geplanten Ausnahmeregelungen nicht nur das Ziel der Krankenhausreform, die Versorgung stärker zu zentralisieren und spezialisieren, verwässern, sondern auch die Strukturen für Gelegenheitsmedizin verfestigen, damit zu einer schlechteren onkologischen Versorgung führen und somit Krebsbetroffenen schaden.
Weiter sei der geplante Fokus auf die onkochirurgischen Mindestmengen als Qualitätsvorgabe in der Onkologie der Gesellschaft zufolge nicht ausreichend. Im Rahmen der Zertifizierungsprogramme würden weitere Struktur- und Prozesskriterien in den Blick genommen, sagte Bruns. „Zum anderen umfasst eine moderne Krebsbehandlung mehr als nur Chirurgie – beispielsweise Radiologie, medikamentöse Therapie und Psychoonkologie.“ Für eine qualitätsgerechte und evidenzbasierte Krebsversorgung müssten diese ebenfalls berücksichtigt werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: