Experten: Notfallversorgung muss optimiert werden

Berlin – Die medizinische Notfallversorgung in Deutschland muss dringend reformiert werden, so der Tenor einer gestrigen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Im Zentrum standen dabei entsprechende Vorlagen der Unionsfraktion (20/7194) und der AfD-Fraktion (20/5364, 20/8871).
Die jeweiligen Antragsteller fordern eine Reform der Notfallversorgung, um Rettungsdienste und Notfallambulanzen zu entlasten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte vorgestern eine „große Reform“ in diesem Bereich angekündigt.
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), verwies im Rahmen der Anhörung darauf, dass sich die Situation in den Notaufnahmen in den letzten zehn Jahren „deutlich verschlechtert“ habe. Es befänden sich dort verstärkt Patienten, die diese Versorgungsebene eigentlich nicht benötigten. Dadurch würden Ressourcen gebunden, die dann anderweitig fehlten.
Es mangelt an effektiver Patientensteuerung und Gesundheitskompetenz, so die Ursachenanalyse des DKG-Chefs. Die Frage, wie man die Leistungsinanspruchnahme „fehlgesteuerter Patienten“ reduzieren könne, sei entscheidend.
Dem pflichtete der Einzelsachverständige Ferdinand Gerlach, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, ausdrücklich bei. Eine bedarfsgerechte Steuerung müsse das prioritäre Ziel von Reformen sein – derzeit herrsche „Chaos“. Gerlach sprach sich insbesondere für ein digital unterstütztes, standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren aus, welches von allen Akteuren der Versorgung genutzt werden soll.
Eine solche strukturierte Abfrage forderte auch Intensivmediziner Christian Karagiannidis, Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Gekoppelt mit den von der Kommission vorgeschlagenen integrierten Leitstellen und integrierten Notfallzentren (INZ) sei dies der „Schlüssel“ für eine Verbesserung der Notfallversorgung.
Unter anderem diesen Aspekt greift die Unionsfraktion in ihrem Antrag auf. Bundesweit müsse eine klar strukturierte Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen der kommunalen Rettungsdienste, der Innenbehörden der Länder, der Krankenversicherungen, der Krankenhäuser und der Gesundheitsministerien von Bund und Ländern erfolgen. Es sei sicherzustellen, dass Systeme und Prozeduren zur Ersteinschätzung und zur Einsteuerung in die adäquate Versorgungsebene angeglichen und standardisierte Prozesse und Kriterien geschaffen würden.
Im Rahmen einer breiten Öffentlichkeitskampagne sollte aus Sicht der Union zudem die Gesundheitskompetenz der Bürger gestärkt, das Bewusstsein für Dringlichkeiten geschärft sowie die Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes bekannter gemacht werden. Die Notrufnummer 112 und die 116117 sollten so vernetzt werden, dass Anrufer, die aus medizinischer Sicht keine echten Notfälle seien, intern an den ärztlichen Bereitschaftsdienst weitervermittelt werden könnten, hieß es.
Die Union will außerdem gesetzliche Steuerungselemente verankern, die sicherstellen, dass Patienten primär nur nach einer telefonischen oder telemedizinischen Ersteinschätzung und mit einem dort vergebenen Termin Zugang in die Notaufnahme erhalten. Davon ausgenommen sollen Patienten sein, die eine ärztliche Über- oder Einweisung haben oder mit dem Rettungsdienst eingeliefert werden.
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