Generika-Ausschreibung setzt Vorliegen von Umweltzertifikaten voraus

Berlin – Der Dienstleister GWQ und 37 Betriebs- und Innungskrankenkassen haben vergangene Woche eine neue Generika-Ausschreibung gestartet. Das Besondere: Pharmahersteller können nur daran teilnehmen, wenn sie eines der Umweltzertifikate EMAS (Eco-Management und Audit Scheme) oder DIN ISO 14001 nachweisen können. Beide Zertifikate haben das Ziel die Umweltauswirkungen von Unternehmen zu reduzieren.
Diese Ausschreibung stellt einen neuen und freiwilligen Ansatz vonseiten der Krankenkassen dar. Es gibt keine gesetzlichen oder regulatorischen Anforderungen, die dies zur Bedingung machen. Zwar achteten einige Krankenkassen bereits in der Vergangenheit auf Umweltfaktoren bei Ausschreibungen.
So habe etwa die AOK-Gemeinschaft im Jahr 2020 Nachhaltigkeit als Bonuskriterium bei den Arzneimittelrabattvertragsausschreibungen verankert, erklärte ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg, die das Thema federführend für die AOKen betreut.
Damit hätten die AOK-Kassen als Erste im GKV-System, Generika-Ausschreibungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien eingeführt, heißt es weiter. Allerdings haben sie damit lediglich Anreize für eine umweltgerechte Produktion von Arzneimitteln gesetzt und das Vorliegen der Umweltzertifikate nicht zur Bedingung zur Teilnahme der Ausschreibung gemacht.
Die AOK-Gemeinschaft sei aber bereit mehr für antibiotische Rabattarzneimittel zu zahlen, „wenn wirkungsbasierte Maximalkonzentrationen im Produktionsabwasser der Wirkstoffproduktionsstätten eingehalten werden und dafür Kontrollen des Produktionsabwassers vorgenommen werden dürfen“, so der AOK-Sprecher weiter.
Auch für die DAK-Gesundheit sei die Einhaltung umweltrechtlicher Aspekte bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen eine wichtige Voraussetzung, erklärt ein Sprecher von DAK-Gesundheit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).
„Bei dem Verfahren des Dienstleisters GWQ werden aktuell darüber hinaus Umweltzertifikate eingefordert. Dieses Vorgehen ist derzeit nicht etabliert und stellt daher einen neuen Ansatz dar“, bewertet er das Vorgehen der anderen Kassen. „Die Arzneimittelrabattverträge unterliegen einer permanenten Weiterentwicklung, in der regelmäßig neue Anforderungen, wie zum Beispiel die Einhaltung gesellschaftlicher oder umweltrechtlicher Standards, berücksichtigt werden.“
Die Barmer hat ebenfalls noch keine ähnliche Ausschreibung gestartet. Die Krankenkasse habe Nachhaltigkeit allerdings in ihrem seit dem Jahr 2021 geltenden Lieferantenkodex festgeschrieben, heißt es.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) verpflichte die Hersteller seit vielen Jahren zur Einhaltung von Arbeits- und Umweltschutzvorgaben. Die TK beschäftige sich zudem „intensiv mit der Frage, wie nachhaltige Ausschreibungen mit den sozial- und vergaberechtlichen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden können.“
Allerdings bleibe bislang unbeantwortet, wie eine sinnvolle und rechtssichere Integration solcher erweiterten Vergabekriterien gelingen könne. „Deshalb suchen wir hier weiter den Austausch, um zu einem übergreifenden System zu kommen, das Nachhaltigkeitsaspekte in den Ausschreibungen stärker berücksichtigt“, betonte die Kasse.
Einige Pharmahersteller verfügen über Zertifikate
Fraglich ist aber auch, ob die Pharmaindustrie bereits auf eine solche Ausschreibung vorbereitet ist und die Hersteller über entsprechende Zertifikate verfügen. „Vor Start der Ausschreibung hat die GWQ eine kleine Marktsondierung durchgeführt, um sicherzustellen, dass es Unternehmen gibt, die im Besitz solcher Zertifikate sind“, schreibt eine Sprecherin der Siemens Betriebskrankenkasse (SBK), die an der aktuellen Generika-Ausschreibung mitgewirkt hat.
Den EMAS-Standard hätten in Deutschland 19 Pharmaunternehmen mit insgesamt 32 Standorten, sagte ein Sprecher des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Von den 19 Firmen seien zehn Mitglied beim BAH. „Europaweit gehören von den 12.745 zertifizierten Standorten 94 zu Pharmaunternehmen“, heißt es weiter. Er verweist zudem auf das EMAS-Register, bei dem die zertifizierten Unternehmen eingesehen werden können.
Beim Zertifikat ISO 14001 existiere kein vergleichbares Register, so der BAH-Sprecher. Es gebe allerdings Zahlen, die auf freiwilligen Umfragen beruhten. „Hier gibt es weltweit rund 530.000 Standorte mit dem Zertifikat, davon sind rund 1.600 Pharmastandorte. Davon wiederum befinden sich 139 in Pakistan, 198 in Indien, 564 in China und 20 in Deutschland.“
Nachgefragt bei einigen Pharmaunternehmen, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Zertifikate sind teils vorhanden, oft aber auch noch nicht. Stada erklärte auf Nachfrage, dass die meisten der großen Produktionsstätten über den Standard ISO 14001 verfügen würden.
Die Produktionsstätten in Deutschland (Bad Vilbel, Pfaffenhofen, Uetersen) gehören allerdings dem Jahresbericht der Firma aus dem Jahr 2023 zufolge nicht dazu. Von insgesamt 18 Stätten verfügen demnach zehn über die Normierung. Eine Sprecherin von Stada betonte aber, dass alle Produktionsstätten lokale Prozesse implementiert hätten, die mit ISO 14001 vergleichbar seien.
Der Hersteller Sandoz hat neun seiner Produktionsstätten nach ISO 14001 zertifiziert (Stand Mai 2023). Das deutsche Unternehmen Boehringer Ingelheim erklärte dem DÄ, dass es ebenfalls nach ISO 14001 zertifiziert ist. Beim Unternehmen B. Braun seien 77 Prozent der Produktionsstandorte gemäß ISO 14001/EMAS etabliert, heißt es auf deren Webseite.
Die deutschen Standorte des Pharmaunternehmens Teva sind bereits seit 1996 sowohl nach EMAS als auch nach DIN ISO 14001 zertifiziert, erklärte eine Unternehmenssprecherin. Zu Teva gehört unter anderem Ratiopharm.
Weltweite und europäische Zertifikate
Unternehmen, die nach EMAS zertifiziert sind, verpflichten sich alle einschlägigen Umweltrechtsvorschriften zu erfüllen und einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung der eigenen Umweltleistung zu organisieren, heißt es auf der Webseite des EMAS-Registers.
Grundlage des Zertifikats ist die Verordnung 1221/2009 der Europäischen Union (EU) aus dem Jahr 2009. Die Unternehmen müssen demnach eine Umwelterklärung veröffentlichen und sich von einem unabhängigen Umweltgutachter überprüfen lassen.
Mit einer EMAS-Registrierung werden auch immer die Anforderungen nach ISO 14001 erfüllt. Auch nicht wirtschaftlich tätige Organisationen wie Kirchen, Schulen und öffentliche Verwaltungen können das Zertifikat einführen.
Die Norm ISO 14001 der International Organization for Standardization (ISO) ist im Gegensatz zu EMAS ein weltweit anerkanntes Umweltmanagementsystem. Das Zertifikat gilt als Ergebnis privatwirtschaftlicher Normung.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: