Hybrid-DRG-Verordnung tritt Anfang 2024 in Kraft

Berlin – Die Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRG-Verordnung) ist heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. Es sei „zu diesem späten Zeitpunkt schier unmöglich, jetzt noch Abrechnungsbestimmungen zu vereinbaren, die ab Januar gelten sollen“, kritisierte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Zeitpunkt.
Mit dem in der Verordnung enthaltenen „Startkatalog“ soll die Umsetzung der Hybrid-DRG begonnen werden. Dieser Startkatalog umfasst – jeweils ausdifferenziert – bestimmte Hernieneingriffe, die Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien, Arthrodesen der Zehengelenke sowie Behandlungen eines Sinus pilonidalis (Steißbeinfistel). Gegenüber bereits bekannten Verordnungsentwürfen gab es hier keine weiteren Anpassungen oder Ausweitungen.
Michael Weller, Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), verweist in einem Schreiben – dieses liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor – an den GKV-Spitzenverband, die KBV sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) darauf, dass es nun in der Verantwortung der Selbstverwaltung liege, „Verfahren zu finden und die Hybrid-DRG damit in der Praxis gangbar zu machen“. Das betreffe insbesondere auch die Anwendung der Vorgaben aus dem InEK-Definitionshandbuch bei der Zuordnung von Behandlungsfällen zu Hybrid-DRG. Hier bedürfe es „pragmatischer Lösungen“.
„Ärger und Frust“ seien vorprogrammiert, warnte in diesem Zusammenhang KBV-Chef Gassen. Seit April habe das BMG Zeit gehabt, einen Verordnungsentwurf zu erarbeiten – nun könne es logischerweise noch keine Abrechnungsregelungen zum Jahresbeginn geben. Das habe aber nicht die ärztliche Selbstverwaltung zu verantworten.
Erschwerend komme hinzu, dass die Frist für eine erste Überprüfung und gegebenenfalls Anpassungen der Regelung durch die Selbstverwaltung auf den 31. März 2024 gelegt wurde, so Gassen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verordnung erst seit drei Monaten in Kraft. „Diese Zeitspanne ist viel zu kurz. Es wäre fatal, wenn der inhaltlich durchaus positive erste und ausbaufähige Ansatz, der ja auch Vorschläge von uns enthält, durch eine unrealistische Fristsetzung nicht realisiert werden kann.“
„Alle Expertinnen und Experten sind sich einig, dass in Deutschland zu viele Operationen und Eingriffe im Krankenhaus stattfinden, die eigentlich auch ambulant durchgeführt werden könnten. Das ist wenig effizient und oftmals auch nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten“, kommentierte Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die Verordnung. Daher sei es gut, dass die Ampel das Thema anpackt und mit der Einführung von Hybrid-DRGs die Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Bereich fördern will.
Allerdings kann dieses Ziel aus Sicht der AOK-Bundesverbandes mit der vorgelegten Verordnung nicht erreicht werden. Die vorgesehene Anhebung der Vergütung für ambulant durchgeführte Leistungen werde nicht mit Anreizen für die Kliniken verbunden, dort bisher stationär erbrachte Leistungen künftig ambulant durchzuführen.
„Es sind Mitnahmeeffekte bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu befürchten, die zu erheblichen Mehrkosten führen, denen aber keine Einsparungen bei Personal und Infrastruktur im stationären Bereich gegenüberstehen“, so Hoyer. Als Folge der Verordnung erwarte man Mehrbelastungen für die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von rund 200 Millionen Euro.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) begrüßte den „Startschuss“, um stationär erbrachte Leistungen in den ambulanten Sektor zu überführen. „Auch wenn der derzeitige Leistungskatalog noch sehr klein und überschaubar ist: mit dieser Rechtsverordnung ist ein wichtiger Grundstein für die Fachärztinnen und Fachärzte gelegt, um die Ambulantisierung in Deutschland voranzutreiben“, sagte der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dirk Heinrich.
Entscheidend für den Erfolg der Rechtsverordnung werden aus Sicht des SpiFa die künftigen Verhandlungen im Rahmen der Selbstverwaltung sein. Um die Verordnung mit Leben zu füllen, sei eine pragmatische und sachgerechte Herangehensweise bei der praktischen Umsetzung der Rechtsverordnung, aber auch bei der zügigen Erweiterung des Leistungskataloges, angebracht.
Skeptisch äußerte sich Heinrich bezüglich der Befristung der Rechtsverordnung auf ein Jahr. „Das Jahr 2024 wird zeigen, ob mit dieser Verordnung das Ambulantisierungspotenzial gehoben werden kann, oder ob es dafür weiterer beziehungsweise anderer politischer Rechtsinstrumente bedarf. Der SpiFa wird diesen Prozess auf jeden Fall weiterhin kritisch-konstruktiv begleiten.“
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