Kinderärzte kritisieren Lauterbachs Maßnahmen gegen Überlastung der pädiatrischen Versorgung

Köln – Kritik an den gestern von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geäußerten Vorschlägen zum Umgang mit der aktuellen Belastung der pädiatrischen Versorgungsstrukturen übt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert weitergehende Maßnahmen.
Die Welle von Infekten der oberen Luftwege sei nicht der eigentliche Grund für die „katastrophale Lage“, betonte Thomas Fischbach, Präsident des BVKJ. „Die derzeitige Situation war zu erwarten. Und die Politik nimmt sie nicht nur billigend in Kauf, sie hat sie vielmehr mitverursacht, indem sie die Pädiatrie seit Jahren aushungert. 80 Prozent der Kliniken mussten in den letzten Jahren die Zahl ihrer Betten reduzieren, sogar im Intensivbereich.“
In den Praxen müsse man daher zunehmend schwer kranke und chronisch kranke Kinder und Jugendliche mitversorgen – dabei arbeite man auch ohne die derzeitige Infektwelle bereits am Limit.
Dem Gesundheitsminister mangele es an praktikablen Konzepten, so Fischbach. „Wenn der Minister jetzt rät, Vorsorgen zu verschieben, bleiben psychische Auffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen unbehandelt und können chronisch werden. Ebenso absurd und gefährlich ist auch die Idee, Pflegende ohne Erfahrung auf Kinderstationen abzukommandieren und gleichzeitig die Personaluntergrenzen aufzuheben.“
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, betonte, bezüglich des Personaleinsatzes reiche keine mündliche Aufforderung des Ministers an die Krankenkassen, die Prüfung der Pflegepersonaluntergrenzen zeitweise auszusetzen. Wolle er den Verantwortlichen in den Krankenhäusern Handlungsspielraum beim Personaleinsatz geben, müsse er die Pflegepersonaluntergrenzen „in allen Abteilungen generell aufheben“.
Die insgesamt knappe Personaldecke in den Krankenhäusern sei Folge einer Politik, die die Krankenhäuser „jahrelang kaputtgespart“ habe.
„Weil sich die Bundesregierung politisch entschieden hat, die Ausgaben der Krankenkassen zu schonen und auch keine steuerfinanzierten Unterstützungen zu leisten, werden alle Appelle der Politik an die Krankenhäuser wirkungslos verpuffen. Denn wo nichts ist, kann man nichts zusätzlich bereitstellen“, so Gaß.
Jetzt komme es darauf an, was Lauterbach kommende Woche im Zuge der angekündigten Finanzierungsreform für die Krankenhäuser vorschlagen wird. „Werden es allein Umverteilungsvorschläge, wird jeder erkennen können, dass man so die Probleme im Krankenhausbereich nicht lösen kann.“ Gaß sagte, man erwarte Vorschläge, die kurzfristig die wirtschaftliche Lage stabilisieren und mittelfristig nachhaltig tragfähige Krankenhausstrukturen ermöglichen.
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