Koalitionsbruch sorgt für Sorgenfalten im Gesundheitswesen
Berlin – Die Ampelregierung ist Geschichte – und damit stehen auch eine ganze Reihe von Gesundheitsgesetzen vor dem möglichen Aus. SPD, Grüne und FDP hatten daran gemeinsam eine lange Zeit gearbeitet. Das gilt unter anderem für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) oder auch die Entbudgetierung der Hausärzte.
Dass jetzt noch Gesundheitsgesetze umgesetzt werden, bezweifelt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, stark. Das sei auch richtig so, denn die Gesetze, so wie jetzt vorlägen, seien alle noch überarbeitungsbedürftig, sagte Gassen vor Journalisten in Berlin. Der Reformbedarf sei unter allen Experten unbestritten, dennoch seien viele der Vorhaben nicht ausgereift.
Der stellvertretende KBV-Vorsitzende, Stephan Hofmeister, ergänzte, es sei natürlich ärgerlich, wenn jetzt auch die Entbudgetierung der Hausärzte genauso Makulatur würde wie die Gesetzgebung. Er rechne aber nicht damit, dass jetzt noch Mehrheiten für die ausstehenden Gesundheitsgesetze gesucht würden.
Die aktuelle Situation bei der Entbudgetierung bewertet der Co-Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, so: „Sollte es so kommen, ist das ein Armutszeugnis. Noch kämpfen wir dafür, denn alle Parteien – auch die Opposition – haben uns versprochen, dass die Entbudgetierung kommt. Wir hoffen, dass da das letzte Wort noch nicht gesprochen ist – auch, wenn es natürlich sehr unwahrscheinlich ist“, sagte Beier dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Ampel blicke auf „drei komplett verlorene Jahre zurück“, heißt es in einem Statement des Verbandes. Und weiter: „Vor dem Hintergrund der akuten Krise, in der sich unser Gesundheitswesen und vor allem die hausärztliche Versorgung befinden, ist das unverantwortlich.“ Er fordert ein schnelles Handeln: „Kommt die Entbudgetierung nicht, werden wir in einem anstehenden Wahlkampf uns sehr massiv dafür einsetzen, dass eine nächste Regierung ein Förderprogramm für Hausarztpraxen schnell auflegt“, so Beier zum Deutschen Ärzteblatt.
Mit einem Stehenbleiben und damit dem Scheitern des KHVVG drohe eine äußerst schwierige Situation, warnte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), heute. Er appellierte an die „Vernunft und Verantwortung“ der Politik. Mit Blick auf das KHVVG und in Verbindung damit auch auf die Notfallreform müsse diese sich handlungsfähig zeigen.
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), schätzte eine abschließende Bearbeitung dieses Paketes als noch „realistisch möglich“ ein. Er bekräftige jedoch zugleich die Kritik der DKG an vielen Punkten des KHVVG. Insbesondere wenn die Krankenhausreform nicht kommen sollte, erwarte man von den Bundesländern eine aktive Krankenhauspolitik – diese müssten dann, wie in Nordrhein-Westfalen bereits passiert, auch bereit und in der Lage sein, teils schwere Entscheidungen zu treffen.
Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, plädierte dafür, die Krankenhausreform als Paket mit einer Notfallreform noch final zu beschließen. Sie zeigte sich allerdings sehr skeptisch. Schon alleine die mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses werde „große Unwägbarkeiten“ bringen. Die zweite Problemebene stelle dann die Frage nach der Handlungsfähigkeit des Bundestages dar.
Selbst wenn das KHVVG nicht in den Vermittlungsausschuss müsse, sei das Gesetz wenig mehr als eine „Hülle“, da viele konkretisierende Inhalte per Rechtsverordnungen umgesetzt werden sollten. Hier sei aber, so Reimann, völlig unklar wie dazu die politische Arbeit unter den gegebenen Bedingungen laufen solle.
Dringenden Handlungsbedarf noch vor möglichen Neuwahlen sah Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), vor allem bei den Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Die Herausforderungen drängten insbesondere in der Pflegeversicherung – hier brauche es schnell Klarheit.
Die Krankenhausreform auch im Falle des Eintretens in den Vermittlungsausschuss noch über die Ziellinie zu bringen, halte sie für grundsätzlich „machbar“, sagte Kerstin von der Decken (CDU), Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein. Allerdings sei nun aufgrund der aktuellen politischen Lage einiges unklar, so die amtierende Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) mit Blick auf die Entwicklungen innerhalb der Ampelkoalition.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi hat die Notwendigkeit der umstrittenen Krankenhausreform betont. „Ich bin der Auffassung, dass diese Reform dringend und unbedingt notwendig ist“, sagte der SPD-Politiker im Landtag. Niedersachsen sei vorbereitet. „Bereits im letzten Jahr haben wir eine Projektgruppe eingesetzt, die mit Hochdruck an den konkreten Umsetzungsschritten arbeitet.“ Er wolle die Ergebnisse einer Auswirkungsanalyse in der kommenden Woche in einer Sitzung des Sozialausschusses vorstellen.
Koalitionsbruch „Katastrophe“ für die Pflege
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, forderte eindringlich die Umsetzung der Pläne ein. „Wenn die Politik das Pflegekompetenzgesetz nicht noch vor der nächsten Bundestagswahl auf den Weg bringt und die Pflege mit den notwendigen Handlungsbefugnissen ausstattet, geraten wir in eine verheerende Sackgasse und riskieren eine Versorgungskrise mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Folgen.“
Der Koalitionsbruch sei „für die Pflege eine Katastrophe“. Die vom Bundestag beschlossene Krankenhausreform soll die Finanzierung auf eine neue Grundlage stellen und zu mehr Spezialisierung bei komplizierteren Eingriffen führen. Vorgesehen ist, die Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern.
Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll den Druck zu möglichst vielen Fälle senken. Die Reform kommt abschließend noch in den Bundesrat. Dort ist sie nicht zustimmungsbedürftig, die Länderkammer könnte sie aber in den Vermittlungsausschuss schicken und bremsen.
„Die aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitspolitik sind riesig – insbesondere im Bereich der Arzneimittelversorgung“, sagte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Seit Beginn der Ampelkoalition sei die Zahl der Apotheken von 18.461 auf 17.187 zurückgegangen.
„Klar ist, dass die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken ein schnelles, politisches Handeln erfordert“, sagte sie. Mögliche Verzögerungen, die sich aus der aktuellen Regierungskrise ergäben, könnten zu einer weiteren Ausdünnung der Versorgung zulasten der Patienten führen.
Anm. d. Red.: Der Artikel wird heute laufend ergänzt.
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