Politik

Kommission konkretisiert Hilfsfonds für soziale Dienstleister

  • Montag, 31. Oktober 2022
Bundesfinanzminister Christian Lindner, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (von rechts) nehmen den Abschlussbericht der Expertenkommission „Erdgas und Wärme“ von den Vorsitzenden Veronika Grimm (3.v.l.), Siegfried Russwurm (2.v.l.) und Michael Vassiliadis (l.) im Bundeskanzleramt entgegen. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Michael Sohn
Bundesfinanzminister Christian Lindner, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (von rechts) nehmen den Abschlussbericht der Expertenkommission „Erdgas und Wärme“ von den Vorsitzenden Veronika Grimm (3.v.l.), Siegfried Russwurm (2.v.l.) und Michael Vassiliadis (l.) im Bundeskanzleramt entgegen. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Michael Sohn

Berlin – Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Rehakliniken sollen spätestens ab dem 1. Januar 2023 Mittel aus einem „Hilfs­fonds für soziale Dienstleister“ bekommen können, um die Kostensteigerungen des Winters 2022/2023 (bis April 2024) ab­decken zu können. Das geht aus dem Abschlussbericht der Expertenkommission „Gas und Wärme“ hervor.

Der genaue Betrag an Hilfen soll sich aus den Belastungsermittlungen der Sozial­ver­siche­rungs­träger ergeben. Dabei soll ein „realistischer Energiesparbetrag“ in Höhe von in der Regel fünf Prozent berücksichtigt werden.

Gemeinnützige soziale Einrichtungen sollen darüber hinaus für die entstandenen Kostensteigerungen des laufenden Jahres 2022 einen Jahreszuschuss beantragen können. Dieser solle sich in „einfacher und leicht überprüfbarere Weise an der Betriebskostendifferenz zum Vorjahr, abzüglich eines Energiesparbeitrags, orien­tieren. Das Verfahren soll „so schlank wie möglich“ gestaltet werden und Prüfungsmöglichkeiten beinhalten.

Die Kommission empfiehlt den Ländern vergleichbare Fonds auf Landesebene einzurichten. Diese sollten etwa für Einrichtungen der Eingliederungshilfen oder die Kinder- und Jugendhilfe gelten.

Der Hilfs­fonds für soziale Dienstleister soll von den Sozialversicherungsträgern implementiert und „angemes­sen ausgestattet“ werden, heißt es in dem Papier weiter. Die Mittel sollen aus dem Wirtschaftsstabilisie­rungs­fonds kommen. Bundesrat und Bundestag hatten in den vergangenen Wochen beschlossen, dass dieser für die Finanzierung der geplanten Energiepreis­brem­sen und Unterneh­menshilfen in der Energiekrise Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufnehmen darf.

Als Grund für den Hilfsfonds gibt die Kommission „Gas und Wärme“ an, dass damit zu rechnen sei, dass die Energiekosten für die sozialen Dienstleister auch im kommenden Jahr „weiter spürbar“ über den Werten liegen werde, die für die Vergütungs- und Kostenerstattungsregelungen der Refinanzierung zugrunde gelegt worden sind.

Die kostensenkenden Gaseinsparungen könnten „kurzfristig nicht notwendigerweise ohne Angebotsein­schrän­kung erreicht werden, die gesellschaftlich als nicht vertretbar einzuschätzen seien, heißt es in dem Papier. Die soziale Infrastruktur, insbesondere auch die Gesundheitseinrichtungen, sei ein zentraler Bestand­teil der Daseinsvorsorge und müsse in der Krise abgesichert werden.

Dabei sollten langwierige Verhandlungen und Schiedsstellenverfahren um Refinanzierungsmöglichkeiten zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern vermieden werden, um Liquiditätsengpässe, Insolvenzen und Leistungseinschränkungen wirksam zu verhindern, schreibt die Kommission, die den Abschlussbericht heute im Kanzleramt an Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner übergeben hat.

Verlauf der Gespräche unklar

Lindner wollte in der vergangenen Woche eigentlich mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über die Hilfspakete für Krankenhäuser und Einrichtungen im Gesundheitswesen beraten. Das Bundes­minis­terium für Gesundheit (BMG) ließ Fragen des Deutschen Ärzteblattes zum Stand der Dinge bislang allerdings unbeant­wortet. Lauterbach hatte Hilfen wiederholt in Aussicht gestellt. Man lasse die Krankenhäuser in der Krise nicht alleine, hatte er betont.

Am Mittwoch beraten Bund und Länder mit mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut über die Energiekrise und die Erwartungen von den Ländern sind groß. Das unterstrich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zuletzt. Er erwarte eine „starke Lösung“ für die strittigen milliardenschweren Finanzie­rungsfragen, so Wüst.

„Ziel muss jetzt sein, dass wir bei dem Bund-Länder-Treffen am 2. November aus der vom Bund verursachten Blockade herauskommen und endlich Ergebnisse vorweisen können“, sagte Wüst der Welt am Sonntag. „Wir brauchen eine starke Lösung bei Entlastungspaket, ÖPNV, Wohngeld, Flüchtlingskosten und Krankenhaus­finanzie­rung.“

Die Vorschläge der Kommission um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, Industriepräsident Sieg­fried Russ­wurm und den Chef der Industriegewerkschaft BCE, Michael Vassiliadis sehen vor allem Hilfen für Privat­haushalte und Unternehmen vor.

In dem Abschlussbericht sind weitergehende Hilfen für Privathaushalte vorgesehen. So müsse etwa ein „So­forthilfefonds“ eingerichtet werden, heißt es Abschlussbericht des Gremiums. Die Gaspreisbremse für Unter­nehmen soll ab Januar greifen und ist an bestimmte Bedingungen geknüpft.

In ihrem Zwischenbericht hatte die Kommission vor einigen Wochen bereits vorgeschlagen, dass der Staat die Abschlagszahlungen für Dezember übernimmt und Anfang März eine Gaspreisbremse eingeführt werden soll, mit der 80 Prozent der monatlichen Gaskosten der Haushalte bei zwölf Cent pro Kilowattstunde gedeckelt wer­den sollen.

Auch mit den nun weitergehenden Maßnahmen werde es nicht möglich sein, die Kostenbelastung „auf das Vorkrisenniveau“ zu reduzieren – es gehe vielmehr darum, die besonders hohen Belastungen abzufedern.

Die Kommission geht von einer „neuen Normalität“ aus, also von einem auch mittelfristig hohen Niveau der Energiekosten. Es müsse verhindert werden, dass die im kommenden Jahr zu erwartenden „massiven Preisan­stiege Wirtschaft und Gesellschaft überlasten“.

Konkret schlug das Gremium vor, „unabhängig von der Art des Energieträgers“ einen Soforthilfefonds einzu­richten, der sich bis Ende April 2024 an bedürftige Haushalte richtet. Die Mittel sollten demnach ab Januar auf Grundlage des Einkommens und der Höhe der Energiekosten ausgezahlt werden. Vermieter, die in Vorleistung gehen, sollen ebenfalls eine zinslose Liquiditätshilfe erhalten.

Außerdem solle Privathaushalten „mindestens ein halbes Jahr Zeit“ gewährt werden, um ihre Energieschulden zu begleichen. Ihnen dürfe nicht gekündigt werden – und dies so lange, „bis das von der Bundesregierung vor­geschlagene Wohngeld Plus voll administrierbar ist und Bürger ihre Ansprüche tatsächlich auch ausbezahlt bekommen“. Für Unternehmen soll ein Härtefallprogramm aufgelegt werden – angelehnt an die Coronakredit­hilfen.

Für große Unternehmen soll bereits ab dem 1. Januar eine Gaspreisbremse gelten. Diese Hilfe wird aber an weitere Bedingungen geknüpft: Die Unternehmen sollen demnach den Erhalt von Arbeitsplätzen garantieren müssen. „Andernfalls müssen sie die erhaltene Unterstützung zurückzahlen“, erklärte die Kommission. Außer­dem schlug die Kommission vor, die Hilfe nur Unternehmen zu gewähren, die die betroffenen Standorte er­halten.

Die Herausforderung sei gewesen, zu entlasten und gleichzeitig Anreize zum Sparen zu erhalten, erklärte Kommissionsmitglied Veronika Grimm. Siegfried Russwurm, Präsident des Industrieverbands BDI, sieht nun „die Bundesregierung am Zug“, die sich mit den Vorschlägen beschäftigen muss.

Der Caritas-Verband forderte, die möglichen Hilfefonds des Bundes durch Hilfefonds der Länder zu ergänzen. „Auch Kitas oder Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden durch die Gaspreisbremse kurzfristig nicht ausreichend entlastet“, hieß es zur Begründung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von „weiteren sehr guten Vorschlägen“ der Kommission, die nun ab­gearbeitet würden. „Noch in dieser Woche werden wir Eckpunkte vorstellen, wie die Vorschläge der Gas-Kommission umgesetzt werden können“, sagte er.

Nach Angaben einer Sprecherin des Wirtschaftsministeriums steht in dieser Woche zunächst die Soforthilfe für Dezember im Fokus, die „so schnell wie möglich duch das Kabinett“ gebracht werden soll.

may/dpa/afp

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