Krankenhausreform: Bundesländer ziehen erste Bilanz zur Auswirkungsanalyse

Berlin – Die Bundesländer prüfen derzeit die Auswirkungen der geplanten Krankenhausreform auf ihre Regionen und Strukturen vor Ort. Eine erste Bilanz zeigt ein gemischtes Bild, manche Bundesländer gehen von einer Verbesserung der Versorgung aus, andere erkennen kaum einen Unterschied oder fürchten eine Verschlechterung.
Allerdings befinden sich die meisten Länder noch mitten in den Prüfungen. Zudem kritisieren viele Länder das Instrument und bemängeln unzureichende Analysemöglichkeiten.
Seit dem 24. Oktober haben die Länder Zugang zu einem Instrument zur Auswirkungsanalyse, das ihnen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Zuge der Krankenhausreform versprochen hatte. Es kann die Erreichbarkeit von Standorten bei der Berücksichtigung verschiedener Szenarien sowie die geplante Vorhaltefinanzierung abbilden.
Viele Bundesländer erklärten vor einigen Wochen, dass die Ergebnisse der Analysen zu ihrer Entscheidung beitragen werden, ob sie den Vermittlungsausschuss in der Bundesratssitzung am 22. November anrufen werden. In dieser Sitzung könnten die Länder die Krankenhausreform stoppen. Sollte der Ausschuss angerufen werden ist davon auszugehen, dass die Reform aufgrund des Ampelbruchs nicht mehr in Kraft treten kann.
Mit den geplanten Vorgaben des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) würde eine dauerhafte Sicherstellung der stationären Versorgung in den dünn besiedelten ländlichen Regionen in Sachsen-Anhalt schwer zu erreichen sein, erklärte das Gesundheitsministerium in Sachsen-Anhalt auf Nachfrage.
„Denn Instrumente zur Sicherstellung der Versorgung in derartigen Gebieten bietet das KHVVG nur dort, wo es sogenannte „Sicherstellungshäuser“ nach einer Liste gibt, auf die die Länder keinen Einfluss haben.“ Solche Krankenhäuser gebe es etwa südlich von Halle nicht.
Damit spielt Sachsen-Anhalt auf die derzeit 121 bedarfsnotwendigen Krankenhäuser an, die insgesamt rund 60 Millionen Euro Förderung erhalten, um unzureichend versorgte Gebiete abzusichern. Der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) einigen sich jährlich auf diese Liste an Kliniken.
Konzentrationsprozesse im ländlichen Raum kaum durchführbar
Mit Ausnahme der Gebiete um Magdeburg und Halle sei Sachsen-Anhalt ländlicher Raum, erklärte das Gesundheitsministerium weiter. Rund 80 Prozent der Bevölkerung lebten dort. Entsprechend seien mit der Reform angedachte Konzentrationsprozesse im stationären Raum nur in den Gebieten um Magdeburg und Halle denkbar. Ob dies dort im Hinblick auf das vorzuhaltende Leistungsprofil möglich sei, könne derzeit nicht eingeschätzt werden.
Hinsichtlich der geplanten Mindestvorhaltezahlen, die für die jeweiligen Leistungsgruppen gelten sollen, könnten die Kliniken im dünn besiedelten ländlichen Raum diese voraussichtlich nicht erreichen. Dies bestätige das Tool, erklärte das Gesundheitsministerium in Sachsen-Anhalt weiter. Diese Zahlen wurden anhand von Durchschnittswerten auf Bundesebene berechnet und werden im Tool entsprechend simuliert.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) soll gemeinsam mit dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) dem KHVVG zufolge Empfehlungen für die Mindestvorhaltezahlen erarbeiten, diese sollen per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden.
Darüber hinaus zeige das Instrument, dass die Basis- und Notfallversorgung in Sachsen-Anhalt flächendeckend gut sei. Allerdings müsse die Schlaganfallversorgung verbessert werden, heißt es weiter. Hier habe es bereits Änderungen ergeben, die in den Daten, die das Tool verwendet, offenbar noch keinen Niederschlag gefunden hätten.
Neue Klinikstandorte seien derzeit nicht absehbar, erklärte das Ministerium. Die geplante Vorhaltefinanzierung zeige für Sachsen-Anhalt darüber hinaus, dass sich die Finanzierungssituation für die Kliniken nur ändere, wenn sie Leistungsgruppen hinzugewinnen oder verlieren würden.
In Brandenburg werden alle Klinikstandorte benötigt
Für Brandenburg gehe es bei der Krankenhausreform nicht um Standortschließungen, sondern um die bedarfsgerechte Weiterentwicklung und Sicherung der Standorte in enger Abstimmung mit den Versorgungsakteuren und der kommunalen Familie, erklärte ein Sprecher des brandenburgischen Gesundheitsministeriums.
„Alle Krankenhausstandorte werden auch weiterhin als Gesundheitsstandorte für die Gesundheitsversorgung im dünn besiedelten Land Brandenburg benötigt.“
Eine Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung mit grundversorgender stationärer Krankenhausbehandlung seien mit der aktuellen Version des Tools nicht erkennbar, erklärte ein Sprecher aus dem Gesundheitsministerium in Mecklenburg-Vorpommern (MV). „Die Erreichbarkeit durch die Bürgerinnen und Bürger in MV bleibt erhalten.“
Die Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) warnte zudem vor den Konsequenzen und großen Unsicherheiten einer Anrufung des Vermittlungsausschusses. „Das Ampel-Aus hat unsere Haltung bestätigt“, sagte Drese. „Wir brauchen die Reform. Ohne Reform gibt es einen kalten Strukturwandel.“
Deshalb sei bei aller Kritik die Blockade oder Ablehnung des Gesetzes keine konstruktive Lösung im Sinne der Krankenhäuser und der Patientinnen und Patienten. Zwar stehe die endgültige Entscheidung über das Abstimmungsverhalten von MV im Bundesrat am 22. November noch aus, mit dieser Formulierung ist aber davon auszugehen, dass das Land im Nordosten Deutschlands nicht für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen wird.
Saarland setzt auf das Geld der Krankenhausreform
Das saarländische Gesundheitsministerium erklärte, dass das Instrument lediglich der Simulation der Planung diene, es aber nicht ersetzen könne. „Die Krankenhausplanung wird anhand des in Auftrag gegeben Gutachtens vorgenommen, dessen Ergebnisse noch nicht vorliegen.“
Die Planung werde mit den Kostenträgern und den Krankenhausträgern abgestimmt. „Anschließend kann der mögliche Abbau von Doppelstrukturen abgeschätzt werden.“ Saarland gehe zudem davon aus, dass das KHVVG – wenn es in Kraft tritt – von einer neuen Bundesregierung überarbeitet werde und damit die wirtschaftliche Lage der Krankenhausträger auskömmlicher finanziert werden könne.
Das Gesundheitsministerium in Saarbrücken warnte deutlich vor einem Scheitern der Reform. Damit würden 600 Millionen Euro im Rahmen des Transformationsfonds im Saarland „für die notwendigen Investitionen im Land“ fehlen. Dies wäre „verheerend“.
Bayern sieht sich nicht in der Verantwortung zu planen
Kaum Veränderungsbedarf sieht Bayern. „Bayern verfügt über eine hervorragende, flächendeckende und krisensichere stationäre Versorgung“, heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium. Um diese gewachsene Krankenhausstruktur auch weiterhin zu gewährleisten, habe Bayern sich im Gesetzgebungsverfahren mit klaren Forderungen eingebracht, darunter mehr Ausnahmemöglichkeiten im Ermessen der Länder.
„Zur Frage welche Konzentrationsprozesse konkret vorgenommen werden können, ist darauf hinzuweisen, dass Krankenhäuser keine nachgeordneten Behörden des Freistaats und damit keinen Weisungen hinsichtlich ihres Betriebsablaufes insbesondere möglicher Konzentrationsprozesse unterworfen sind.“
Insofern mache Bayern keine Vorgaben zu konkreten Konzentrationsprozessen, begleite die Verantwortlichen vor Ort jedoch bei Umstrukturierungsprozessen und Zukunftsfragen, erklärte das Gesundheitsministerium in München weiter.
Zur Einordnung: Die Bundesländer können schon jetzt über ihre jeweilige Krankenhauspläne festlegen, welche Kliniken an der stationären Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten teilnehmen dürfen. Mit der Krankenhausreform ist zudem vorgesehen, dass sie per Leistungsgruppen festlegen können, welche Krankenhäuser welche Behandlungen durchführen dürfen.
Einige Bundesländer befinden sich noch mitten in der Auswertung der Analysen, darunter Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, und Sachsen.
Länder bemängeln fehlende Funktionen und Transparenz
Insbesondere die Länder, die der Krankenhausreform kritisch gegenüberstehen und auch die geplante Anrufung des Vermittlungsausschusses bereits angekündigt haben, bemängeln die Möglichkeiten des Tools.
„Es konnten aufgrund der Limitationen des Tools und insbesondere des noch fehlenden Groupers noch keine belastbaren Erkenntnisse gewonnen werden“, heißt es etwa vom schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium. Es sei unklar, inwiefern der enthaltende vorläufige Grouper-Algorithmus einem zukünftigen Grouper entspreche, bemängelte auch das sachsen-anhaltinische Gesundheitsministerium.
Das bayerische Gesundheitsministerium erklärte, nach erster Einschätzung sei das Tool für eine umfassende Analyse der Auswirkungen der Krankenhausreform nur eingeschränkt nutzbar, da es nicht auf einer ausreichend belastbaren Datengrundlage beruhe. Insbesondere in spezielleren Leistungsgruppen oder Leistungsgruppen mit geringer Fallzahl sei eine valide Einschätzung der Auswirkungen auf Basis des Tools nicht möglich.
Als „nicht geeignet“ für die Folgenabschätzung bezeichnet das baden-württembergische Gesundheitsministerium das Tool. „Insbesondere ist ein Vergleich zwischen den Erlösen der Krankenhäuser nach dem bisherigen System der Krankenhausvergütung und dem neuen System der Vorhaltevergütung nicht möglich.“ Die im Tool vorgenommene Fallzuordnung zu den Leistungsgruppen sei zudem nicht transparent einsehbar, heißt es weiter.
Die Länder kritisieren zudem teilweise ungenaue Daten sowie eine fehlende Exportfunktion von Daten oder Ergebnissen. Für Nordrhein-Westfalen (NRW) sei es darüber hinaus schwierig, dass das System mit Annahmen arbeite, deren zugrundeliegenden Fakten, nicht transparent gemacht werden. „Dies betrifft sowohl die konkrete Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung als auch die Zuordnung der Behandlungsfälle in die jeweiligen Leistungsgruppen.“
Den Ländern sei beispielsweise nicht bekannt, welche Patienten mit welchen Erkrankungen überhaupt in die jeweiligen Leistungsgruppe einsortiert werden, erläuterte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in NRW. „Dies erschwert einen Abgleich gegenüber dem NRW-Modell.“ Nicht alle neu geplanten 65 Leistungsgruppen seien im System hinterlegt. Zudem fehle es an Qualitätskriterien.
Einordnung der Kritik der Länder
Die Kritik der Länder an dem Tool der Versorgungsanalyse in Verbindung zum Arbeitsstand des Groupers könne er nicht nachvollziehen, sagte Maximilian Schmid, Chief Operating Officer bei BinDoc, dem Deutschen Ärzteblatt. Das Softwareunternehmen aus Tübingen hat das Tool gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Oberender entwickelt.
„Wichtig zu verstehen ist, dass der Grouper und damit einhergehende Ergebnisse nicht in unserem Verantwortungsbereich liegen“, erläuterte Schmid. BinDoc habe zu jedem Zeitpunkt im Rahmen der Versorgungsanalyse transparent offengelegt, dass Limitationen bestünden, die außerhalb des Arbeitsauftrages liegen würden. „Auch wir als Auftragnehmer haben keinen Einblick in die Gruppierungslogik, sind jedoch darauf angewiesen mit den daraus resultierenden Ergebnissen zu arbeiten“, erklärte Schmid weiter.
Zu der Kritik des fehlenden Vergleichs der Finanzierung von Krankenhäusern, betonte Schmid: „Der analytische Vergleich von Krankenhauserlösen vor und nach der Reform wäre interessant.“ Die Ex-post-Betrachtung sei durch die Versorgungsanalyse ermittelbar. Für die Ex-ante-Betrachtung der Finanzierungssituation wären zusätzlich sämtliche DRG-Erlöse aller Krankenhäuser notwendig. „Generell war eine Untersuchung beider Dimensionen nicht Bestandteil im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens.“
Zudem habe das Team um Schmid die Fallzahlen zu mehr als 60 Leistungsgruppen durch das BMG vom InEK erhalten. „Darunter sind auch neu definierte Leistungsgruppen, etwa die spezielle Traumatologie.“ Details zur speziellen Versorgung von Kindern und Jugendlichen seien noch auszudifferenzieren.
Allerdings geht Schmid davon aus, dass diese beiden Leistungsgruppen nicht so stark ins Gewicht fallen würden, weil sie teilweise auch von bestehenden und planbaren Leistungsgruppen (Kinder- und Jugendchirurgie und Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin) erfasst werden und das damit verbundene Krankheitsaufkommen für die betreffende Personengruppe, in der Regel unter 16 Jahren, sehr gering sei.
Das BMG hat sich auf Nachfrage nicht konkret zu der Kritik der Länder geäußert. Allerdings betonte ein Sprecher des Ministeriums, dass „ein intensiver und konstruktiver Austausch mit den Ländern auf verschiedenen Ebenen stattgefunden“ habe. „Dabei wurden auch die Möglichkeiten, weitere Entwicklungen sowie spezifische Limitationen des Instruments, die aus der Verwendung des vorläufigen Groupers basierend auf den Daten von 2023, ausführlich fachlich erörtert.“
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