Lauterbach: Hitzeschutzplan soll in diesem Sommer greifen

Berlin – Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) hat mit Vertretern von Pflege, Ärzteschaft, Kommunen, Ländern, Sozialverbänden sowie mit weiteren Experten heute über die Gestaltung des Hitzeschutzplans beraten. Grundlage dafür war ein Impulspapier des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) „Hitzeschutzplan für Gesundheit“, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Zu den Vertretern des Treffens gehörten unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK) sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
Noch in diesem Sommer soll es erste Maßnahmen geben. „Wir wollen in diesem Sommer schon den Hitzeschutz verbessern“, sagte Lauterbach heute vor dem Treffen. Mit Betroffenen, Experten und verantwortlichen Ressortkollegen tausche sich der Gesundheitsminister heute dazu aus, wie es vom BMG heißt.
„Hitzeschutz ist Lebensschutz. Alte Menschen, Pflegebedürftige, Vorerkrankte, aber auch Kinder, Schwangere und Menschen, die sich beruflich oder privat viel im Freien aufhalten, sind gefährdet, wenn Hitzewellen über Deutschland rollen,“ sagte Lauterbach der Bild am Sonntag.
Künftig soll besser vor Hitzewellen gewarnt werden. Dazu soll das Warnsystem des Deutschen Wetterdienstes „von allen relevanten Akteuren routinemäßig genutzt" werden. Es werde zum Beispiel geprüft, wie möglichst viele Menschen digital erreicht werden könnten, etwa durch Apps oder per SMS, heißt es in dem Papier.
Für eine bessere Folgenabschätzung von Hitzewellen veröffentlicht das RKI seit vergangenem Donnerstag einen wöchentlichen Hitzeradar (www.rki.de/hitzemortalitaet), mit dem Übersterblichkeit in Relation zu steigenden Temperaturen gesetzt wird. Zudem ist die Webseite hitzeservice.de online gegangen. Dort könnten Kommunen sich über Maßnahmen für einen besseren Hitzeschutz informieren.
Schutz vulnerabler Gruppen
Um vulnerable Gruppen zu schützen, soll unter anderem mit dem Deutschen Hausärzteverband besprochen werden, wie niedergelassene Allgemeinmediziner gezielt Kontakt zu vulnerablen Patienten aufnehmen können.
Für eine bessere Erreichbarkeit dieser Gruppen will das Ministerium noch in diesem Sommer ein wissenschaftliches Gutachten vergeben, mit dem die verschiedenen Zugangswege, die Akteure und Handlungsansätze systematisch erfasst werden sollen. Außerdem soll der Aspekt Hitzeschutz in die Überarbeitung des Präventionsgesetzes aufgenommen werden.
Bundesländer, Kammern und gegebenenfalls Berufsverbände sollen dem Papier zufolge prüfen, inwieweit Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe um Aspekte des Hitzeschutzes ergänzt werden können.
Laut Impulspapier schlägt das BMG gemeinsam mit den Beteiligten des „Klimapakts Gesundheit“ eine „Konzertierte Aktion Hitze vor“. Bei einer Konferenz im Herbst dieses Jahres soll es eine Bestandsaufnahme geben. Die Maßnahmen des Sommers sollen evaluiert werden.
In einem „Preparedness Check“ im Frühjahr 2024 will das BMG darüber hinaus abgleichen, wie gut Deutschland auf die nächsten Hitzewellen vorbereitet ist. Zudem soll es eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) geben, die sich dem Thema Hitze annimmt.
Vor rund zwei Wochen hatte Lauterbach angekündigt, einen Hitzeschutzplan nach französischem Vorbild erarbeiten zu wollen. Dem nun vorliegenden Papier zufolge soll der Plan unter anderem die Verringerung von Todesfällen, das Auslösen von konkreten Schutzmaßnahmen und eine bessere Aufklärung über Hitzegefahren zum Ziel haben.
„Die Folgen der Klimakrise sind auch in Deutschland und in Europa angekommen", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die ebenfalls am Treffen teilnahm. „Deshalb ist es notwendig, dass wir uns um den Schutz der Bevölkerung in veränderten Klimazeiten kümmern.“ Dafür seien bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung und zur Abkühlung der Städte über mehr Bepflanzung auf den Weg gebracht worden.
DAK Report: Bevölkerung fühlt sich gut aufgeklärt
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der DAK Gesundheit wissen die allermeisten Bundesbürger nach eigener Einschätzung bereits gut über das richtige Verhalten bei Hitze Bescheid – 88 Prozent gaben das an. Weitere zehn Prozent zeigten sich unsicher, nur zwei Prozent gaben an, das richtige Verhalten nicht zu kennen.
Zu einem anderen Ergebnis kommt ein Report der AOK. „Schon vor zwei Jahren ergab eine deutschlandweite Befragung für den Versorgungsreport, dass ein Drittel der Bevölkerung großen Informationsbedarf hat“, heißt es von der Krankenkasse.
Laut DAK-Bericht unter 1.001 Befragten hatte ein Fünftel der Deutschen 2023 bereits Gesundheitsprobleme durch Hitze. Bei den Über-60-Jährigen war sogar ein Viertel betroffen. Von denjenigen mit Hitzebeschwerden, mussten zehn Prozent eine Arztpraxis aufsuchen. Weitere 18 Prozent gaben an, sie hätten auf einen Praxisbesuch verzichtet, wären aber besser zum Arzt oder zur Ärztin gegangen.
Die Maßnahmen zum Hitzeschutz findet ein Großteil der Befragten demnach unzureichend. 72 Prozent gaben an, es müsse mehr getan werden.
Sowohl DAK-Vorstandschef Andreas Storm als auch Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, begrüßten Lauterbachs Pläne. Storm forderte Sofortmaßnahmen in diesen Sommer und schlägt dafür einen Stufenplan vor: „Kurzfristig sollte ein besserer Hitzeschutz in Alten- und Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie in Kliniken umgesetzt werden."
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, mahnte ebenfalls pragmatische Regelungen an und Hitzeschutz für Gesundheitseinrichtungen. „Aufgeheizte Krankenhäuser und Pflegeheime können zu längeren Liegezeiten und Todesfällen führen.“
Den Grünen schweben Hitzeschutzpläne für jede Kommune, jedes Krankenhaus und jede Kindertagesstätte vor, sagte der Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner t-online. Neben gekühlten Räumen sollten Trinkbrunnen und die Bewässerung von öffentlichen Plätzen darin vorgesehen sein. Erkrankungen als Folge von Hitze müssten stärker in der Ausbildung aller Gesundheitsberufe verankert werden.
Entscheidend aber sind aus Sicht des Grünen-Politikers auch bauplanerische Maßnahmen, gerade in Städten. Wagner nannte die Entsiegelung öffentlicher Plätze, die Begrünung von Fassaden und Dächern, den Erhalt und die Neuanpflanzung von Bäumen. Es brauche mehr Grün statt „Betonwüste" in deutschen Städten, betonte er.
Mit einer breiten Infokampagne werde die Bevölkerung für die Gefahren durch anhaltende Hitzewellen sensibilisiert, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Zudem werde das Hitzewarnsystem zum Standard und für alle Menschen verfügbar gemacht. Durch ein frühzeitiges Monitoring könnten Gefahren früher erkannt werden.
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat die Pläne von Lauterbach ebenfalls begrüßt, die Menschen besser vor Hitze zu schützen und forderte die Einbindung der Länder. „Klar ist aber auch: Mit Lippenbekenntnissen allein ist weder den Kommunen noch den Bürgerinnen und Bürgern geholfen, so Holetschek.
Auch die Sonderbeauftragte für Klimaresilienz und Prävention in Bayern, Traidl-Hoffmann, hat Lauterbach bereits mit einem Brief ihre Unterstützung bei der Konzeption und Implementierung eines Hitzeschutzplanes angeboten. Fest steht: Wir bringen uns mit unserer Expertise gerne ein.“
Der Sozialverband VdK kritisierte, der angekündigte Aktionsplan komme „deutlich zu spät“. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte dem Portal t-online, jede Verzögerung gehe „auf Kosten der besonders Betroffenen“. Als rasche Maßnahmen fordert der VdK Klimaanlagen in Einrichtungen für Senioren und Kinder.
Dabei müssten klimafreundliche Varianten gewählt werden, um den Klimawandel nicht zusätzlich zu verstärken, so Bentele. Außerdem müssten in städtischen Gebieten dringend gekühlte Räume eingerichtet werden, in denen sich Senioren tagsüber abkühlen und vor Hitze schützen könnten.
„Was früher ein ‚Jahrhundertsommer‘ war, ist heute Normalität“, sagte Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), dem Portal. Der SoVD begrüße Lauterbachs Pläne, habe aber schon in der Vergangenheit immer wieder Anstrengungen zum Schutz von besonders Gefährdeten gefordert.
Investitionen gefordert
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sieht Lücken im Vorhaben Lauterbachs. „Nicht Absichtserklärungen, Aktionsbündnisse und Papiere schützen Millionen alte und kranke Menschen vor der Hitze im Klimawandel. Ohne milliardenschwere Investitionen des Bundes und der Länder ist ein nationaler Hitzeschutzplan nicht viel Wert“, sagte er.
Es brauche einen Hitzeschutzplan mit baurechtlichen Vorgaben, wonach etwa Neubauten ohne Temperaturbegrenzung auf maximal 25 Grad in jedem Bewohnerzimmer nicht mehr in Betrieb gehen dürften. In dem Papier des Ministeriums ist von Investitionen in diesem Bereich nicht die Rede.
Auch Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) erklärte, dass es Hitzeschutz nicht zum „Nulltarif“ gebe. „Die Krankenhäuser beklagen seit Jahrzehnten die ausbleibende Investitionskostenfinanzierung, zu der die Bundesländer gesetzlich verpflichtet sind.“
Für Heiz- und Klimatechnik hätte es keinen Finanzierungsspielraum. „Wer es mit Hitzeschutz ernst meint, darf die Patientinnen und Patienten genauso wie die Krankenhaus-Beschäftigten, die jedes Jahr in viel zu warmen Gebäuden leiden, nicht vergessen“, so Gaß.
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