Notfallreform: Rund 730 integrierte Notfallzentren benötigt

Berlin – Bundesweit bräuchte es für eine flächendeckende Notfallversorgung künftig etwa 730 integrierte Notfallzentren (INZ). Das hat eine Simulation des GKV-Spitzenverbands ergeben.
Davon sollten 144 an Krankenhäusern mit umfassender, 195 an Krankenhäusern mit erweiterter und 395 an Krankenhäusern mit Basisnotfallstufe nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) angesiedelt sein, heißt es in einem Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes.
Die INZ sollen künftig Notaufnahmen der Krankenhäuser mit einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verbinden und eine gemeinsame Ersteinschätzungsstelle haben. Entsprechende Vorschläge zur Veränderung der Notfall- und Akutversorgung hat die Regierungskommission Krankenhaus im Februar vorgelegt. Darin hatte die Kommission allerdings deutlich weniger INZ-Standorte vorgeschlagen, mindestens aber 420.
Neben der Krankenhausreform soll auch die Notfallversorgung reformiert werden. Allerdings hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einigen Wochen erklärt, dass zunächst die Krankenhausreform erfolgen solle und anschließend erst die Reformierung der Notfallversorgung sowie der Rettungsdienste.
Ziel der Notfallreform ist, die oft überfüllten Notaufnahmen durch eine kluge Patientensteuerung zu entlasten. Zu diesem Zweck soll es künftig auch telefonische oder telemedizinische Ersteinschätzungen mithilfe eines standardisierten, softwaregestützten Ersteinschätzungsinstrument vorgenommen werden.
„Entscheidend neben der Anzahl ist die am Bedarf der Bevölkerung orientierte Verteilung der INZ“, erklärte der GKV-SV heute. Demnach müsse in Städten eine Auswahl aus mehreren qualifizierten Kliniken getroffen werden, während in ländlichen Regionen auch kleinere Häuser ein INZ erhalten müssten.
„Unsere Simulation entwickelt die Ideen der Regierungskommission entsprechend weiter: Entscheidend ist eine bessere Verteilung in ländlichen Gebieten, damit für alle Menschen ein Integriertes Notfallzentrum in erreichbarer Nähe liegt“, betonte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Gleichzeitig sei der Überversorgung in Ballungsräumen zu begegnen – allein schon, um nur die Fachkräfte zu beschäftigen, die wirklich gebraucht werden.
Bedarsfgerechte Versorgung wichtig
Kritik übte der GKV-SV zudem an der Empfehlung der Kommission, an allen Krankenhäusern mit umfassender und erweiterter G-BA-Notfallstufe ein INZ einzurichten. „Das würde zu erheblichen Überkapazitäten in den Städten führen“, warnte der Verband. Auf dem Land hingegen wäre eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet. Auch Kliniken mit Basisnotfallstufe müssten mit einbezogen werden, schlägt der GKV-SV vor.
Zudem müssten die bestehenden KV-Notdienstpraxen berücksichtigt werden, erklärte der Verband weiter. Hier gebe es bereits rund 550 solcher Praxen an deutschen Krankenhäusern. Somit bleibe ein zusätzlicher Bedarf von 180 INZ-Standorten.
Diese zusätzlichen Standorte werden der Simulation zufolge insbesondere im ländlichen Raum in Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern benötigt. Allerdings sieht der Verband auch Potenzial in manchen Regionen Nordrhein-Westfalens sowie in den Städten Berlin, Bremen und Hamburg. Kaum neue Standorte bräuchte es etwa in Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Schleswig-Holstein oder Thüringen.
Der GKV-Spitzenverband plädiert zudem für bundeseinheitliche Kriterien, die etwa die notwendigen Standorte, die Öffnungszeiten der Notdienstpraxen oder Mindeststandards für die personelle und technische Ausstattung definieren müssten. Entsprechende Vorgaben sollte der G-BA vornehmen, heißt es weiter.
Für die errechnete Zahl der INZ wurde unter anderem die Erreichbarkeit, die je Arzt oder Ärztin zu versorgende Bevölkerung in der Region (Verhältniszahl) aber auch die stationären Fallzahlen, Notfallstufen sowie das Vorhandensein von KV-Notdienstpraxen berücksichtigt.
Der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dominik von Stillfried, zeigte sich erfreut. Der GKV-Spitzenverband habe „in durchaus kritischer Distanz zu den Forderungen der Regierungskommission“ konstruktive Vorschläge skizziert, auf dessen Grundlage es sich lohne, weiter zu diskutieren, sagte von Stillfried.
Anders als von der Regierungskommission gefordert, unterstütze der GKV-Spitzenverband nicht die Maximalforderung nach einem bundesweiten, regelhaften 24/7-Betrieb von Integrierten Notfallzentren (INZ) mit Ärzten an allen Krankenhäusern der umfassenden Notfallstufe. Im Wesentlichen setzte die Argumentation auf dem bestehenden System der kassenärztlichen Notdienstpraxen auf.
„Das sollte als positiv hervorgehoben werden“, so der Zi-Chef. Die alleinige Ausrichtung der zukünftigen Versorgungsstrukturen an den gefühlten Bedürfnissen der Versicherten und nicht am tatsächlichen Bedarf gehe hingegen fehl. Ohne eine gezielte Steuerung der zu versorgenden Patienten in die niedergelassenen Arztpraxen während der Praxisöffnungszeiten wären die Kapazitäts- und Wirtschaftlichkeitsgrenzen sehr schnell erreicht.
Daher sollte aus Sicht des Zi für die verbleibenden Schwerpunktstandorte eine Planung der Besetztzeiten von Bereitschaftspraxen von der Zahl der bisher dort behandelten Patienten im Tagesprofil abhängig gemacht werden.
„Ob es effizient ist, Bereitschaftspraxen während der Praxisöffnungszeiten zu besetzen, ist doch sehr fraglich“, erklärte von Stillfried. Die Standortplanung werde vor diesem Hintergrund schon jetzt die sich perspektivisch ergebenden Personalengpässe in der ambulanten und stationären Versorgung berücksichtigen müssen. Um Überlastungen dieser Einrichtungen der integrierten Akut- und Notfallversorgung zu vermeiden, müsse bereits bei der Planung darauf geachtet werden, etwaige Sogeffekte gering zu halten.
Anzuerkennen ist nach Ansicht des Zi-Chefs auch, dass bei der Finanzierung von Notfallleistungen ein neuer Vergütungsaspekt eingeführt wird: die ‚komplexen ambulanten Notfälle‘. „Hier wird frank und frei monetärer Nachbesserungsbedarf zugestanden, zwar innerhalb des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM), aber nicht zwingend innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV)“, so von Stillfried. „Den Gedanken, dass Versorgungsmehraufwand auch entsprechend gegenfinanziert werden muss, und zwar außerhalb des MGV-Korsetts, bewerten wir als positiv. “
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