Psychiatrische und psychosomatische Kliniken: G-BA passt Richtlinie zur Personalausstattung an

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Mindestvorgaben zur Personalausstattung von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen (PPP) in mehreren Punkten angepasst. Das teilte das Gremium gestern mit.
Zentrale Änderungen der PPP-Richtlinie zielen demnach darauf ab, den Dokumentationsaufwand für die Einrichtungen zu verringern und ihnen mehr Flexibilität beim Personaleinsatz zu geben. Zudem wurde für dezentrale kleine Standorte, wie Stand-alone-Tageskliniken, eine Sonderregelung beschlossen. Wie geplant, bezog der G-BA ab 2024 auch den pflegerischen Nachtdienst in die Mindestvorgaben ein.
Darüber hinaus wurden einige der Übergangsregelungen für die Umsetzung der Richtlinie verlängert und nochmals der Beginn finanzieller Sanktionen verschoben. Wenn die Mindestvorgaben einrichtungsbezogen im Quartalsdurchschnitt nicht erfüllt werden, führt dies nicht bereits wie bisher vorgesehen 2023, sondern erst ein Jahr später – ab 2024 – zu einem Vergütungswegfall.
Die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen müssen seit dem Jahr 2020 dokumentieren, inwieweit sie die Mindestpersonalvorgaben erfüllen. In diesem Zusammenhang führte der G-BA auch stations- und monatsbezogene Nachweispflichten ein, um mehr über den tatsächlichen Personaleinsatz zu erfahren und um eine Datengrundlage für die Weiterentwicklung der Mindestvorgaben zu erhalten.
Dies stieß bei Ärzten und Klinikleitern vielfach auf große Kritik. So sagte beispielsweise Christoph Smolenski, Geschäftsführer der Dr. von Ehrenwall’‧schen Klinik in Ahrweiler, zuletzt bei einer Veranstaltung des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken: „Die PPP-Richtlinie vermindert die Behandlungsqualität durch antiquierte Minutenwerte, einen starren Stationsbezug, einen gesteigerten Dokumentationsaufwand von 17 Stunden pro Krankenhaus und Woche sowie durch rigide Anrechnungsregelungen.“
Der G-BA setzt mit dem Beschluss von gestern die stations- und monatsbezogene Nachweispflicht ab dem 1. Januar 2023 für drei Jahre generell aus. Es solle erprobt werden, ob die benötigten Erkenntnisse auch über eine repräsentative Stichprobe gewonnen werden können. Lediglich fünf Prozent der Einrichtungen müsse entsprechend weiterhin monats- und stationsbezogene Nachweise übermitteln.
Zu einer weiteren Vereinfachung der Dokumentationspflichten trage auch bei, dass bei der Eingruppierung von Patientinnen und Patienten auf die Differenzierung bestimmter Behandlungsbereiche verzichtet werden kann, heißt es vom G-BA. Zudem könnten die Regelaufgaben einer Einrichtung, die ab 2024 zu erfassen sind, auf Basis von Routinedaten dokumentiert werden.
Mindestvorgaben auch für pflegerischen Nachtdienst
Die Mindestvorgaben gelten dem G-Beschluss zufolge ab 1. Januar 2024 erstmals auch für den pflegerischen Nachtdienst. Diese Vorgaben für die Anzahl von Pflegefachpersonen richteten sich nach dem Anteil der intensivpflichtigen Patienten in einer Einrichtung. Entsprechend seien für Einrichtungen der Psychosomatik und Einrichtungen ohne Intensivbetreuung keine Mindestvorgaben für den pflegerischen Nachtdienst vorgesehen.
Stand-alone-Tageskliniken als eigene Standorte sind in der Regel kleine Einrichtungen mit einer geringen Anzahl an Plätzen. Aufgrund der räumlichen Entfernung vom Hauptstandort des Krankenhauses seien sie in ihren Möglichkeiten zur flexiblen Personalsteuerung – gerade bei „kleinen“ Berufsgruppen – stark eingeschränkt, erklärte der G-BA. Unterschreitet eine Stand-alone-Tagesklinik die Mindestvorgabe in einem Quartal, wirke sich dies künftig nicht mehr automatisch nachteilig auf die gesamte Einrichtung aus.
Übergangsregelungen werden verlängert
Angesichts der notwendigen Weiterentwicklung der Mindestvorgaben verständigte sich der G-BA gestern nun darauf, die Übergangsregelungen für die Einrichtungen zu verlängern: Erst ab 1. Januar 2026 – und nicht schon ab 1. Januar 2024 – müssen die Einrichtungen 100 Prozent der Mindestpersonalvorgaben erfüllen.
In den Jahren 2024 und 2025 liegt die Erfüllungsquote bei 95 Prozent. Angelehnt an die Verlängerung der stufenweisen Einführung greifen auch die finanziellen Folgen bei Nichterfüllung für psychiatrische Einrichtungen erst später, heißt es vom G-BA.
Auf Vorschlag der Patientenvertretung im G-BA hat das Gremium erstmals auch Kernaufgaben für Genesungsbegleiter in die PPP-Richtlinie aufgenommen. Das begrüßen insbesondere der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft Patientenstellen und -initiativen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen und der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Mit Hilfe dieser Expertinnen und Experten in eigener Sache sollen die Bedürfnisse von Patienten bei der Behandlung stärker berücksichtigt und dadurch das Behandlungsergebnis positiv beeinflusst werden. Der Einsatz von Genesungsbegleitern in Psychiatrie und Psychosomatik werde in mehreren nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen, gerade auch bei schweren psychischen Erkrankungen, schreiben die Verbände.
Weiterhin zu wenig Psychotherapie in psychiatrischen Kliniken
Deutlich kritisch äußert sich hingegen die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in Bezug auf die psychotherapeutische Versorgung in psychiatrischen Kliniken, die sich auf Jahre nicht verbessern werde. „Der G-BA hat auch minimale Verbesserungen in der PPP-Richtlinie verweigert.“, kritisiert Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Das Gremium ignoriert zum wiederholten Mal den ausdrücklichen Auftrag des Gesetzgebers, die psychotherapeutische Behandlung in den psychiatrischen Krankenhäusern zu verbessern“, erklärte Munz.
Nach Angaben der BPtK hat sie zusammen mit der Patientenvertretung im G-BA und der Bundesärztekammer gefordert, dass Patienten künftig in psychiatrischen Krankenhäusern in der Regelbehandlung zehn Minuten mehr Psychotherapie pro Wochentag erhalten. Aktuell können sie maximal 50 Minuten Psychotherapie pro Woche erhalten.
So viel bekommen sie allerdings meist bereits in einer ambulanten Behandlung. „Aufgrund der Schwere der psychischen Erkrankungen reicht diese Menge an Psychotherapie in psychiatrischen Kliniken nicht aus“, erklärt der BPtK-Präsident.
Eine weitere Anpassung der Richtlinie, die zu einer leitliniengerechten Versorgung beitragen soll, will der G-BA nach Finalisierung und Auswertung der derzeit in der Wissenschaft und von den Fachgesellschaften diskutierten Personalbemessungsmodelle bis zum 31. Dezember 2025 vornehmen.
Der Beschluss über die Anpassung der PPP-Richtlinie wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
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