RSV-Immunisierung: Umständliche Wege in der ambulanten Versorgung

Berlin – Die Umsetzung der RSV-Immunisierung von Säuglingen in der ambulanten Versorgung scheint mehrere Hürden bereit zu halten. Dabei geht es um die Verfügbarkeit des Arzneimittels, die Vereinbarung von zwei Terminen in der Kinderarztpraxis sowie die Frage, ob die Immunisierung in den jeweiligen Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) über den Sprechstundenbedarf geregelt ist oder noch nicht.
Dabei kann es dazu kommen, dass Eltern der Säuglinge die RSV-Prophylaxe zunächst in der Apotheke bezahlen müssen und später dem Kind verabreichen lassen können und danach die Kosten von der Krankenkasse erstattet bekommen. Das Arzneimittel Beyfortus ist mit 416,50 Euro inklusive Mehrwertsteuer in der Lauertaxe gelistet.
Hintergrund ist die kürzliche Empfehlung der Ständige Impfkommission (STIKO) zur passiven Immunisierung mit Nirsevimab (Beyfortus) für Neugeborene und Säuglinge in ihrer ersten Saison, in der sie Infektionen mit respiratorischen Syntzialviren (RSV) ausgesetzt sind.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte daraufhin zum 14. September eine Verordnung zum Anspruch zur Prophylaxe gegen RSV erlassen, die den Anspruch aller Versicherten bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres beinhaltet.
Auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes erklärt das Ministerium nun: „Die Praxen können die RSV-Prophylaxe als Sprechstundenbedarf beziehen“ und gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechnen, „sobald regionale Sprechstundenbedarfsvereinbarungen geschlossen wurden“.
Regionale Vereinbarungen liegen seit dem 1. Oktober nach Recherchen des Deutschen Ärzteblattes aber nur in der KV Nordrhein vor, dort kann der monoklonale Antikörper über den Sprechstundenbedarf bezogen werden. Die KV Bayerns hofft, „im Laufe der nächsten Wochen eine Einigung mit den Krankenkassen in Bayern zu erzielen", heißt es auf Anfrage.
In der KV Westfalen-Lippe, in unmittelbarer Nachbarschaft, ist dies allerdings anders geregelt. „Weil das Arzneimittel Nirsevimab nicht in den Sprechstundenbedarf in Westfalen-Lippe aufgenommen wird, können Praxen die Kosten auch nicht auf das eigene Budget für den Sprechstundenbedarf nehmen", heißt es dazu auf DÄ-Anfrage aus der KV.
Auch in allen anderen Regionen ist dies offenbar nicht geplant. Die KV Sachsen-Anhalt sowie die KV Baden-Württemberg sehen „keine Notwendigkeit, das Arzneimittel für die RSV-Prophylaxe in die Sprechstundenbedarfsvereinbarung aufzunehmen“. Die KV Bremen „ist aktuell noch im Austausch mit den regionalen Krankenkassen“, heißt es auf DÄ-Anfrage.
Die KV Niedersachsen teilt mit: „Aktuell – in der laufenden Saison – wird das Medikament nicht in die regionale Sprechstundenbedarfsvereinbarung aufgenommen. Dagegen haben sich die Krankenkassen ausgesprochen.“
Ähnliches aus der KV Thüringen: „Die KV Thüringen hat zum Ende der vergangenen Woche von den Krankenkassen die Mitteilung erhalten, dass die RSV-Prophylaxe weiterhin nur per Einzelverordnung über den Namen des Versicherten zulasten der Krankenkasse erfolgen kann. Wir als KV Thüringen hätten uns stattdessen einen unbürokratischen Bezug der monoklonalen Antikörper über den Sprechstundenbedarf gewünscht, der auch für die Versicherten den wesentlich einfacheren Weg darstellt.“
Denn ohne eine Vereinbarung im regionalen Sprechstundenbedarf bedeutet es für Eltern derzeit, dass die Medikamente zunächst beim ersten Termin in einer pädiatrischen Praxis vereinbaren müssen, in der das Medikament zur RSV-Immunisierung per Verordnung (Muster 16) oder elektronisches Rezept (E-Rezept) ausgestellt wird.
Beim Einlösen in der Apotheke allerdings müssen die Eltern je nach Region das Medikament zur RSV-Prophylaxe selbst bezahlen. Eine Rückerstattung der Krankenkassen im Anschluss ist gemäß Paragraf 20i Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Die Kosten liegen bei 416,50 Euro.
Das ärztliche Honorar für die Beratung und das Verabreichen der Immunisierung ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) enthalten (GOP 01941 bis 01943).
Die KV Hessen weist darauf hin, dass der „Arzt die Eltern aber über die Lagerung und gegebenenfalls erforderliche Kühlung des Arzneimittels" informiert. Diese Information gehört auch zur Aufklärung, für die ein Zuschlag abgerechnet werden könne, so die KV Hessen.
Bei einem zweiten Termin in der Praxis kann das Kind dann gegen RSV immunisiert werden. So wird es auch von der KV Niedersachsen bestätigt: „Mit der RSV-Prophylaxeverordnung, die am 14. September in Kraft getreten ist, wird das Medikament auf Kassenrezept verordnet. Die Eltern müssen dann damit in die Apotheke, um die Verordnung abzuholen. Tatsächlich sind zwei Termine dafür notwendig."
Je nach Alter des Kindes kommt erschwerend hinzu, dass in den ersten drei Monaten zum Teil noch keine eigene Versicherungskarte vorliegt. Daher gilt dann das Ersatzverfahren, wie die KV Bremen mitteilt.
Liege keine Versicherungskarte vor, müsse „über ein Privatrezept rezeptziert werden, was dazu führt, dass Eltern den Impfstoff zunächst selber bezahlen müssten“, bestätigt Jakob Maske, der Bundespressesprecher des Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) auf Anfrage des DÄ.
Maske, der eine Kinderarztpraxis in Berlin betreibt, sieht aber noch andere Probleme, warum die RSV-Immunisierung in der ambulanten Versorgung eher schleppend verläuft.
„Hauptproblem im Moment ist jedoch eher, dass der Impfstoff zur Zeit nicht flächendeckend zur Verfügung steht und es kaum Termine für die Immunisierung gibt und dass die Vergütung so schlecht ist, dass es aus wirtschaftlichen Gründen nicht ratsam ist, eine Impfsprechstunden außerhalb der normalen Sprechstunden anzubieten“, so Maske zum DÄ.
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