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RSV-Prophylaxe für alle Säuglinge: STIKO empfiehlt passive Immunisierung

  • Donnerstag, 27. Juni 2024
/Artur, stock.adobe.com
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Berlin – Erstmals spricht die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) eine Empfehlung für eine passive Immunisierung aus. Sie empfiehlt die einmalige Gabe des monoklonalen Antikörpers Nirsevi­mab (Beyfortus) für Neugeborene und Säuglinge in ihrer ersten Saison, in der sie Infektionen mit respiratori­schen Syntzialviren (RSV) ausgesetzt sind.

Die Empfehlung gilt für alle Neugeborenen und Säuglinge – unabhängig davon, ob mögliche Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von RSV-Infektionen bestehen.

Durch den Schutz der Babys vor schweren Infektio­nen während ihrer ersten RSV-Saison sollen RSV-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sowie am­bulante und stationäre Versorgungsengpässe vermieden werden, wie das STIKO-Mitglied Julia Tabatabai, Ärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Angelika-Lautenschläger-Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, betonte.

„Schwere Atemwegsinfektionen mit RSV sind der häufigste Hospitalisierungsgrund für Kinder im ersten Lebensjahr“, sagte Tabatabai. Insgesamt würde „jedes vierte Kind mit einer RSV-Infektion im ersten Lebensjahr medizinisch behandelt“.

Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie, Kinderklinik und Poliklinik, Universi­tätsklinikum Würzburg, hob ebenfalls hervor, dass die jährliche RSV-Saison „sowohl in der Kinderarztpraxis als auch in der Kinderklinik eine riesige Herausforderung“ sei.

Die Studien zur RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab hätten gezeigt, dass ein Schutz über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Gabe möglich sei, so Liese weiter. Es bestehe eine Schutzwirkung von etwa 75 Prozent. Dies hätten Real-World-Daten aus Frankreich, Spanien und den USA bestätigt – Länder, in denen die Prophylaxe mit Nirsevimab bereits in der vergangenen RSV-Saison durchgeführt worden sei.

Dagegen empfiehlt die STIKO aktuell die maternale aktive RSV-Impfung nicht, um so das Neugeborene für die ersten Monate nach der Geburt zu schützen. Momentan ist ein RSV-Vakzin (Abrysvo) für die Impfung von Frau­en in der 24. bis 36. Schwangerschaftswoche zugelassen.

Die Datenlage sei derzeit nicht ausreichend genug, um über eine Empfehlung entscheiden zu können, wie Ta­batabai ausführte. Zum einen seien zu wenige Schwangere in die Studien eingeschlossen worden und zum anderen lasse sich das Frühgeburtsrisiko nicht sicher beurteilen.

Geburtstag entscheidet, wann die Antikörpergabe erfolgt

Der Zeitpunkt der RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab richtet sich nach dem Geburtstag der Kinder: Liegt er zwi­schen April und September – außerhalb der RSV-Saison –, sollte die Injektion der STIKO zufolge im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erfolgen.

Fällt der Geburtstag in die Monate zwischen Oktober und März, das heißt während der RSV-Saison, sollte die Nirsevimab-Gabe möglichst schnell nach der Geburt durchgeführt werden. Im Idealfall geschieht sie der STIKO zufolge bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung – etwa im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2, die am dritten bis zehnten Lebenstag durchgeführt wird.

Während der RSV-Saison auf die Welt gekommene Neugeborene, die nach der Geburt länger im Krankenhaus bleiben müssen, sollten die intramuskuläre Injektion rechtzeitig vor der Entlassung erhalten, rät die STIKO. Sie könne auch bereits während des Klinikaufenthalts erwogen werden, um so unter Umständen nosokomiale Infektionen zu vermeiden.

Für gesunde Kinder von Müttern, die sich während der Schwangerschaft gegen RSV haben impfen lassen, ist eine Nirsevimab-Gabe in der Regel nicht erforderlich, so die STIKO. Bestünden allerdings Risikofaktoren beim Neugeborenen oder sei die Schwangere erst in den zwei Wochen vor der Geburt geimpft worden, empfehle es sich, zusätzlich den Antikörper zu verabreichen.

Auch Säuglinge, die bereits eine im Labor bestätigte RSV-Infektion durchgemacht haben, benötigen im Allgemeinen keine Nirsevimab-Prophylaxe.

Nirsevimab wird intramuskulär in den Oberschenkel injiziert. Die Dosierung hängt vom Körpergewicht der Babys ab. Beträgt es unter fünf Kilogramm, liegt die Dosierung bei 50 Milligramm. Sie verdoppelt sich auf 100 Milligramm, wenn die Säuglinge fünf Kilogramm und mehr wiegen. Eine versäumte Nirsevimab-Injektion sollte innerhalb der ersten RSV-Saison schnellstmöglich nachgeholt werden.

Eine STIKO-Empfehlung für eine aktive RSV-Impfung von Erwachsenen ab 60 Jahren gibt es derzeit noch nicht. Die STIKO befasse sich mit dem Thema, hieß es auf Anfrage des Deutschen Ärzteblatts, einen Termin für eine etwaige Empfehlung gebe es noch nicht.

Allerdings hat heute die US-Impfkommission ACIP bekanntgegeben, dass sie die RSV-Impfung nur noch Senioren im Alter von 60 bis 74 Jahren empfiehlt, wenn sie Begleiterkrankungen haben, die einen schweren Verlauf der Infektionskrankheit begünstigen. Hintergrund ist vermutlich ein erhöhtes Risiko für ein Guillain-Barré-Syndrom. Zuvor hatte die Kommission eine generelle Empfehlung für Menschen ab 60 Jahren ausgesprochen.

aks

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