Politik

Strafrechtsver­schärfungen berücksichtigen Vertragsärzte weiterhin nicht

  • Mittwoch, 4. September 2024
Bundesfinanzminister Christian Lindner (links, FDP) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (rechts, FDP) /picture alliance, Michael Kappeler
Bundesfinanzminister Christian Lindner (links, FDP) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (rechts, FDP) /picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Vertragsärzte und Arztpraxen werden bei geplanten Strafrechtsverschärfungen des Bundes­justiz­ministeriums (BMJ) zum besseren Schutz vor Angriffen weiterhin nicht erwähnt. Das zeigt der Regierungs­ent­wurf, den das Bundeskabinett heute auf den Weg gebracht hat.

Dass der Kabinettsentwurf keine Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf enthält, kommt allerdings nicht ganz unerwartet. Erst am 21. August hatten sich Bundesjustiz­minister Marco Buschmann (FDP) und der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, zu dem Aspekt ausgetauscht. Der Minister hatte bei dem Treffen mit Gassen keine Änderungen am Reformvorhaben zugesagt.

Stattdessen war eine Umfrage vereinbart worden. Deren Ergebnisse sollen Grundlage für Beratun­gen des Bun­desjustizministers mit den Länderkollegen sein. Ziel sei ein ein­heitliches Vorgehen, um Pra­xen wirkungs­voll zu schützen, hieß es nach dem Treffen.

Die KBV hatte zuvor moniert, dass die geplante Gesetzesänderung nur einen besseren Schutz für den ärztli­chen Notdienst oder die Notaufnahme gewährleiste, die bei Un­glücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leis­teten. „Für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und deren Praxisteams ergibt sich aus den geplanten Gesetzesänderung kein größerer Schutz“, so die KBV. Das ist erst einmal weiter der Status quo.

Hintergrund für den Vorstoß aus dem Bundesjustizministerium sind zunehmende Angriffe auf Rettungskräfte, den Notdienst oder in Notaufnahmen. Es geht aber auch um einen besseren Schutz für Vollstreckungsbeamte und Menschen, die dem Gemeinwohl dienen.

„Wer sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellt, verdient unseren besonderen Schutz. Das gilt im Beruf, zum Beispiel als Rettungskraft oder Polizist, und auch im Ehrenamt, etwa beim Engagement in einer Partei oder Bürgerinitiative“, sagte Buschmann heute nach dem Kabinettsbeschluss.

Man werde daher das Strafgesetzbuch anpassen, um Angriffe auf diese Personengruppen künftig noch besser strafrechtlich zu erfassen. „Dazu werden wir jetzt auch ausdrücklich die Nötigung etwa von Mitgliedern eines Gemeinderates oder des Europäischen Parlaments unter Strafe stellen.“

Der Gesetzentwurf sieht dafür Ergänzungen im Strafgesetzbuch (StGB) vor. Zum Schutz von Personen, die sich – ehrenamtlich oder beruflich – für das Gemeinwohl engagieren, soll der Paragraf 46 Absatz 2 Satz 2 StGB (Grund­sätze der Strafzumessung) ergänzt werden.

Danach soll bei der Strafzumessung von Gerichten künftig auch zu berücksich­tigen sein, ob die verschuldeten Auswirkungen der Tat geeignet sind, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu be­einträchtigen, wie es heißt.

Paragraf 113 Absatz 2 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) soll zum Schutz von etwa Polizisten, Hilfeleis­tenden der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, eines Rettungsdienstes, eines ärztlichen Notdiens­tes oder einer Notaufnahme erweitert werden.

Künftig soll auch eine Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls in der Regel einen besonders schweren Fall sein, der mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.

Durch eine Ergänzung im Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollstreckungsbeamte des Bundes wird Rechtssicherheit mit Blick auf die Erprobung und den Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten, auch Elektroschockpistolen oder Taser genannt, ge­schaffen.

Daneben soll der Schutzbereich der Paragrafen 105 und 106 StGB (Nötigung von Verfassungsorganen, des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans) um die europäische und die kommunale Ebene erweitert werden.

Damit sind nach Angaben des BMJ zukünftig auch das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Gerichtshof der Europäischen Union sowie die Volksvertretungen der kommunalen Gebietskörper­schaf­ten sowie deren Mit­glieder vor Nötigungen geschützt.

In diesem Zusammenhang wird die Zuständigkeit der Staatsschutzkammern auf Straftaten nach den Para­gra­fen 105 und 106 StGB erweitert, soweit sich diese gegen kommunale Volksvertretungen beziehungsweise deren Mitglieder richten.

Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet und dort beraten.

may

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