Verbleibende Regierung möchte noch einige Gesundheitsvorhaben umsetzen

Berlin – Die verbleibende Bundesregierung will noch einige Vorhaben im Gesundheitsbereich auch ohne die Beteiligung der FDP umsetzen.
Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte heute vor Journalisten, dass er trotz der aktuellen Situation weiterarbeite. Er habe noch viel zu tun und viel vor, betonte Lauterbach. „Mit großem Bedauern habe ich das Ende der Ampel begleitet“, erklärte er weiter. Im Gesundheitsbereich habe man immer gut zusammengearbeitet, so Lauterbach. „Wir waren ein gutes Team.“
Er kündigte heute etwa an, per Verordnung die Pflegebeiträge zu erhöhen, um die Pflegeversicherung ab dem kommenden Jahr zu stützen. Weitere Rechtsverordnungen seien in Planung, darunter die drei Verordnungen zur Umsetzung der Krankenhausreform. Voraussetzung ist, dass die Bundesländer die Krankenhausreform im Bundesrat passieren lassen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Hürde nehmen werden“, sagte Lauterbach.
Weitere Vorhaben, wie etwa die geplante Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte, stecken ebenfalls noch mitten im parlamentarischen Prozess. Die Regelung ist Teil des geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG). Nachgefragt, ob dies noch realisiert werden könne, erklärte Lauterbach: „Wir müssen uns erstmal sammeln und darüber sprechen, was umsetzbar ist.“
Es gebe eine ganze Reihe an Vorhaben, die Lauterbach trotz aller Umstände noch bis Ende des Jahres finalisieren wolle. „Wir prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten wir haben“, sagte er. An Vorhaben, die nicht mehr in dieser Legislaturperiode beschlossen werden könnten, werde er trotzdem weiterarbeiten, betonte er. Dazu gehöre auch die Notfallreform. Diese werde man spätestens zu Beginn der neuen Legislaturperiode machen, kündigte er an.
Auf der Kippe steht ein weiteres Gesetz zur Errichtung des geplanten Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), das derzeit im Bundestag beraten wird. „Grundsätzlich war vorgesehen das Gesetz zur Errichtung eines Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit in der kommenden Woche im Bundestag abzuschließen“, erklärte heute der gesundheitspolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Janosch Dahmen.
Es brauche eine Mehrheit im Bundestag, um das Gesetz auf die Tagesordnung zu setzen und natürlich auch um das Gesetz dann zu beschließen.“ Dahmen kündigte an, die Fraktionen werden dafür werben, fertig ausverhandelte Gesetze abschließen zu können.
Notfallreform auf der Kippe
„Wir leben in außerordentlichen Zeiten und müssen gerade nach der Wahlentscheidung in den USA umgehend selbst stärker Vorsorge treffen. Dazugehört auch, dass eine Notfall- und Rettungsdienstreform keinen weiteren Aufschub duldet“, sagte er im Hinblick auf die Notfallreform.
Auch der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Christos Pantazis, betonte, dass die Überarbeitung der Notfallversorgung nicht bis nach der nächsten Bundestagswahl warten könne. „Angesichts der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Abgeordneten der Ampel-Fraktionen im Gesundheitsbereich wäre dies ein fatales Zeichen für die Menschen in unserem Land.“
Weiter betonte Pantazis, die Krankenhausreform müsse den Bundesrat passieren und die Sicherung der Pflegefinanzierung geregelt werden. „Die Bürgerinnen und Bürger benötigen im Gesundheitswesen Klarheit und Perspektiven. Noch besteht die Chance, bedeutende Reformvorhaben fraktionsübergreifend auf den Weg zu bringen. “
Der gesundheitspolitische Bedarf an Veränderungen sei immens, und das Ende der Koalition dürfe nicht zu einem völligen Stillstand führen, sagte der Arzt und Politiker. Pantazis forderte die Opposition, vor allem die Union auf, diese Maßnahmen bis zu den Neuwahlen zu unterstützen. „Ein gemeinsames Vorgehen ist ein starkes Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Demokratie und die Stabilität von Deutschland und Europa.
Keine Zusagen aus der Opposition
Fraglich ist jedoch, ob die anderen Parteien mitspielen werden. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge, erklärte heute auf dem Nationalen Qualitätskongress Gesundheit, dass es realitätsfern, ja sogar dreist sei zu hoffen, mit der Union noch Gesetze beschließen zu können. Denn bei allen Themen habe die Ampelregierung die CDU/CSU bislang „abtropfen“ lassen, bemängelte Sorge.
Er pochte darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeitnah die Vertrauensfrage im Bundestag stellen müsse. Es gelte eine „Hängepartie“ zu vermeiden, betonte Sorge. Zudem kündigte der CDU-Politiker im Hinblick auf eine mögliche Große Koalition nach den Wahlen an, dass selbst wenn die Krankenhausreform ohne die Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat in Kraft treten werde, Nachbesserungen nötig seien. „Da wird man viel nachjustieren müssen“, erklärte er.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FPD-Fraktion, Andrew Ullmann, klang gestern etwas versöhnlicher. Er erklärte, die Entscheidung über Gesetze sei am Ende „ganz von der Sache abhängig und davon, inwiefern SPD und Grüne sinnvolle Vorschläge“ vorlegten oder aufnähmen.
KRITIS-Gesetze werden nicht mehr beschlossen
Welche Gesetze in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden könnten, erklärte Heiko Rottman-Großner, Unterabteilungsleiter „Gesundheitssicherheit“ im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) heute auf dem Nationalen Qualitätskongress Gesundheit. Das KRITIS-Dachgesetz habe zwar am Mittwoch noch das Bundeskabinett passiert, werde allerdings nicht mehr im Bundestag beschlossen werden können.
Das Gesetz solle aber als Blaupause in der neuen Legislaturperiode dienen. Der Gesundheitsbereich sei zudem nur rudimentär in dem Gesetzesvorhaben angesprochen, eine genauere Ausgestaltung müssten in zugehörigen Rechtsverordnungen definiert werden, so Rottman-Großner.
Auch das Gesundheitssicherstellungsgesetz werde in dieser Legislaturperiode nicht mehr beschlossen, erklärte er weiter. Die aktuelle Situation sorge allerdings für eine „Atempause“, um das Gesetz hinsichtlich der Kritik beispielsweise vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nachzubessern. Es gelte den Spagat zu beachten, die Krankenhäuser nicht mit neuen Meldepflichten zu belasten, aber trotzdem bessere Vorkehrungen für den Zivilschutz in Krisenlagen treffen zu können, so Rottman-Großner. Das BMG wolle trotz der möglichen Neuwahlen weiter an dem Gesetz arbeiten und es in der neuen Legislaturperiode auf den Weg bringen, bekräftigte er.
Krankenkassen fordern überparteiliche Zusammenarbeit
Zu einer fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit appellierte nun Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. „Der ausgerufene Herbst der Reformen endet nun im politischen Herbststurm. Aber wichtige Reformvorhaben wie die Krankenhausreform, die Absicherung der Pflegefinanzierung sowie die dringend benötigte Reform der Notfallversorgung können nicht bis nach der Bundestagswahl warten.“ Bürgerinnen und Bürger benötigten Sicherheit und Perspektive. Das Ampel-Aus dürfe nicht zum kompletten Stillstand führen, betonte Reimann weiter. Die Parteien sollten sich ihr zufolge an entscheidenden Stellen zusammenraufen.
Vor Unsicherheiten im Land warnten zudem Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbands und Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes. Gesundheitspolitik müsse jetzt konstruktiv und pragmatisch angegangen werden, damit der überfällige Transformationsprozess im Gesundheitssystem Fahrt aufnehmen könne.
Dass viele Vorhaben auf Eis gelegt worden seien, werfe Deutschland um Jahre zurück, kritisierte der Vorstandsvorsitzende Lutz Hager vom Bundesverband Managed Care (BMC). „Ein neuer Anfang kann nur kollaborativ, innovationsorientiert und ermöglichend gelingen.“
Auch die Versorgung psychisch kranker Menschen dürfe nicht aus dem Blick geraten, forderte die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Andrea Benecke. Es brauche eine separate Beplanung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen sowie die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung, forderte sie.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: