Politik

Weiter Debatte um Wegfall von Coronamaßnahmen für komplett Geimpfte

  • Dienstag, 6. Juli 2021
/picture alliance, Geisler-Fotopress
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Berlin – Die Debatte um eine Lockerung von Coronaeinschränkungen für Geimpfte ebbt nicht ab und beschäftigt weiterhin Politiker und Ärzte. Wie schnell und weitreichend die Schritte sein sollen, da gehen die Meinungen auseinander.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach sich etwa für eine Aufhebung aller Coronaein­schrän­kungen aus, sobald alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot bekommen haben. „Damit ist im Laufe des August zu rechnen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur und der Süddeutschen Zeitung. „Wenn alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot haben, gibt es rechtlich und politisch keine Recht­fertigung mehr für irgendeine Einschränkung.“

Ähnlich hatte sich zuvor der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, An­dreas Gassen, geäußert. „Spätestens im September wird für jeden Impfwilligen ein Impfangebot verfüg­bar sein, dann müssen eigentlich nahezu alle Coronamaßnahmen weg“, sagte er gestern der Bild-Zeitung. „Jeder kann dann immer noch individuell entscheiden, ob er oder sie weiter Maske tragen will – Pflicht sollte es dann aber nicht mehr sein.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte versprochen, dass bis zum 21. September alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot erhalten sollen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht inzwi­schen aber davon aus, dass das schon Ende Juli der Fall sein kann.

Der frühere Justizminister Maas hatte bereits im Januar kurz nach dem Start der Impfkampagne für eine Aufhebung von Beschränkungen für Geimpfte geworben. „Geimpfte sollten wieder ihre Grundrechte aus­üben dürfen“, sagte der SPD-Politiker damals der Bild am Sonntag. Dafür musste er auch viel Kritik ein­stecken, weil damals noch nicht klar war, ob Geimpfte das Virus weiter verbreiten können.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, äußerte sich nun ähnlich wie Maas. „Die Aufhebung von Schutzmaßnahmen ist verfassungsrechtlich zwingend“, sagte er der Welt. Die bisherigen Maßnahmen seien richtig und notwendig gewesen, um das Pandemie­geschehen in den Griff zu bekommen.

„Wenn aber Selbst- und Fremdgefährdungen wissenschaftlich nahezu ausgeschlossen sind, gibt es für Beschränkungen keinen Raum mehr.“ Eingriffe in die Grundrechte von Menschen bedürften einer Legiti­mation, die fehle, wenn keine Ansteckungsgefahr mehr bestehe.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki dringt ebenfalls auf eine baldige Aufhebung der Coronabeschränkungen. „Spätestens sobald alle Impfwilligen eine Impfung erhalten haben, müssen die Maßnahmen aufgehoben werden“, sagte der Bundestagsvizepräsident. „Die Bundesregierung steht im Wort, dass dies bis Ende des Sommers der Fall sein wird. Alles andere würde bedeuten, die Grundrechts­einschränkungen auf unbestimmte Dauer fortzuschreiben.“

Der CDU-Gesundheitsexperte Rudolf Henke steht Forderungen nach Aufhebung aller Beschränkungen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Allerdings scheine ihm die von Außenminister Heiko Maas genannte Aussicht auf August „ein bisschen früh“, sagte er in Deutschlandfunk. Er würde schrittweise vorgehen und sehe im Tragen von Masken auch keine schwere Belastung.

Aber irgendwann müsse man aus den Vorschriften raus, sagte auch Henke. Ausschlaggebend für ihn sei, dass die Inzi­denzen für Menschen über 60 Jahre so niedrig bleiben wie jetzt. Aktuell seien sie deutlich unter dem Bun­desdurchschnitt, sagte Henke, der auch Präsident der Ärztekammer Nordrhein ist.

Gegen eine generelle Befreiung von den Einschränkungen sprach sich in der Welt die Grünen-Gesund­heitspolitikerin Kordula Schulz-Asche aus. Die Aufrechterhaltung der Einschränkungen müsse sich an der aktuellen Coronasituation orientieren, und in diesem Zusammenhang sei die Delta-Variante „besorgnis­erregend“.

Eine knappe Mehrheit der Deutschen befürwortet einer Umfrage des Meinungsforschungs­instituts You­Gov zufolge eine Aufhebung aller Coronamaßnahmen für vollständig Geimpfte ab September. In der heu­te veröffentlichen Befragung sprachen sich 51 Prozent dafür aus, 39 Prozent lehnten dies ab. Elf Prozent machten keine Angaben.

In der Altersgruppe zwischen 18 und 33 Jahren sprachen sich nur 33 Prozent für die Aufhebung der Coro­na­auflagen für Geimpfte ab September aus. In allen anderen Altersgruppen lag die Zustimmung etwas über 50 Prozent. Bislang sind etwas mehr 38 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft.

dpa

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