Politik

World Health Summit: Globaler Pandemievertrag dringend benötigt

  • Montag, 16. Oktober 2023
/World Health Summit
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Berlin – Auf der globalen Ebene braucht es mehr koordinierte und gemeinsame Bestrebungen, um künftige Pandemien und andere Infektionskrankheiten zu bewältigen und einzudämmen. Das mahnte unter anderem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Eröffnung des World Health Summits (WHS) ges­tern Abend an.

Dem Minister zufolge werden bis zum morgigen Dienstag rund 3.000 Menschen an der internationalen Kon­ferenz zur globalen Gesundheit in Berlin teilnehmen.

Lauterbach pochte insbesondere darauf, zügig einen globalen Pandemievertrag zu vereinbaren. Im März 2023 starteten die Länder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Verhandlungen, um die Weltbevölkerung mit einem solchen Vertrag künftig besser vor möglichen weiteren Pandemien zu schützen.

Aktuell werde weiter an der Vereinbarung gearbeitet, so Lauterbach. „Es ist aber unklar, ob wir die Vereinba­rung im kommenden Mai haben werden“, sagte er. Es wäre eine Katastrophe, wenn sich die Länder nicht eini­gen könnten, warnte er.

Denn wenn nach der Pandemie keine entsprechende Übereinkunft erarbeitet werden könne, werde es ver­mutlich keine geben. „Die Welt kann es sich nicht leisten, keinen Pandemievertrag bis Mitte nächsten Jahres auszuarbeiten“, so Lauterbach.

Er warnte heute bei einer Diskussionsrunde im Rahmen des World Health Summits davor, im Pandemievertrag Eigentumsrechte etwa hinsichtlich der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen einschränken zu wollen. Dieses Vorhaben sei wenig erfolgsversprechend, so Lauterbach.

Wichtig sei hingegen, eine fairere Verteilung anzustreben sowie Impfstoffproduktionsanlagen etwa in afrika­nischen Staaten zu fördern, damit diese künftig nicht mehr rein von Importen abhängig seien. Zudem müssten die Exekutiven von Staaten weiter uneingeschränkt handeln können und dürften nicht durch einen Pande­mievertrag eingeschränkt werden, so Lauterbach.

Die Menschheit sei mit so vielen Gesundheitsproblemen wie Krisen, Hunger, Naturkatastrophen sowie regio­nale Epidemien oder weltweite Pandemien konfrontiert, sagte gestern Abend auch der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Zudem habe die Pandemie die Ärmsten der Welt am härtesten getroffen. Deswegen müsse es bald einen glo­balen Pandemievertrag geben, forderte auch Ghebreyesus. Die Verhandlungen laufen allerdings zäh, monierte er. „Wir sind zusammen stärker, deswegen ist Multilateralismus so wichtig“, so der WHO-Generaldirektor.

Klimakrise und Gesundheit zusammendenken

Lauterbach erinnerte zudem daran, dass globale Gesundheit und die Klimakrise eng miteinander verknüpft seien. In Afrika gebe es rund zwei regionale Ausbrüche von Infektionskrankheiten pro Woche, so Lauterbach.

Insbesondere aufgrund geringer Reiseaktivität würden diese allerdings meist nicht zu Epidemien oder Pande­mien anwachsen. „Mit dem Ausbau von Flüchtlingslagern und Fluchtbewegungen steigt diese Wahrschein­lichkeit allerdings an“, so Lauterbach. Deshalb müssten entsprechende politische Entscheidungen auch hin­sichtlich des Klimawandels und der Gesundheit betrachtet werden.

Lauterbach appellierte außerdem daran, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) bis 2030 einzuhalten. „Wir müssen schneller werden, sonst werden wir das Gesundheitsziel um 50 Pro­zent nicht einhalten können“, sagte er.

Beispielsweise bei der Ausrottung von Tuberkulose seien dafür notwendige Medikamente und Behandlungen vorhanden, allerdings sei dieser Versuch trotzdem bislang nicht erfolgreich gewesen. „1,6 Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr an Tuberkulose“, so Lauterbach. Bis 2030 sehen die SDGs unter anderem vor, Tuberkulose zu eliminieren.

Für die Umsetzung des Ziels, für alle Menschen eine angemessene Gesundheitsversorgung zu etablieren (Uni­versal Health Coverage) gebe es zudem ausreichend Geld, so Lauterbach. „Nur sieben Prozent der aktuellen Subventionen von fossilen Energien würde es benötigen, um die globalen Gesundheitsgefahren zu eliminie­ren“, lautete seine Kritik. „Wir haben ein Politikversagen“, schlussfolgerte Lauterbach. Ein Umdenken sei drin­gend nötig, um auch die Wirtschaftssysteme vor weiteren gesundheitlichen Gefahren wie Pandemien zu schützen.

Lauterbach versprach zudem, die WHO weiter zu unterstützen. „Ohne die WHO hätten wir viele weitere Millio­nen Menschen in der Pandemie verloren“, so Lauterbach. Deshalb müsse die WHO weiter gestärkt und finan­ziell besser ausgestattet werden.

Lauterbach und Ghebreyesus verurteilten zudem den Angriff der Hamas auf Israel scharf. Ghebreyesus sorgte sich zudem um die Palästinenser und appellierte an Israel, die humanitäre Versorgung der Bevölkerung in Gaza sicherzustellen.

Europäische Union will Gesundheitssysteme stärken

Vonseiten der Europäischen Union (EU) versprach die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, drei konkrete Aktionen, um künftige Herausforderungen besser angehen zu können. So solle die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen insgesamt verbessert werden, Gesundheitssysteme gestärkt und Gesund­heitsgefahren, wie Pandemien besser eingedämmt werden, so Kyriakides.

Zudem ergänzte ein Vertreter der EU, Francisco Perez Canado fünf Punkte, die künftig weiter verfolgt werden sollten. Bei der Stärkung der medizinischen Grundversorgung müssten vor allem Mädchen und Frauen be­rücksichtigt werden, da diese die vulnerabelste Bevölkerungsgruppe seien. Zudem müsse die Ansiedlung und Übertragung von Gesundheitstechnologien und Produktionsanlagen in Afrika für Afrika stärker gefördert werden.

Außerdem betonte der EU-Vertreter auch die Notwendigkeit eines internationalen Pandemievertrages. Es brauche zudem eine Übergangslösung, bis diese globale Vereinbarung in Kraft tritt. Darüber hinaus sei es wichtig, die digitale Toolbox von Instrumenten im Gesundheitsbereich weiterzuentwickeln.

Die Medizinerin und Jugendbeauftragte der Klimakonferenz COP27, die Ende 2022 in Ägypten stattgefunden hat, Omnia El Omrani und Christina Chilimba von der Initiative All for Youth betonten außerdem die Notwen­digkeit, die Perspektive der jungen Generationen in politische Entscheidungsprozesse stärker miteinzu­be­ziehen.

„Viele junge Menschen sind gezwungen ihre Heimat aufgrund von Klimawandel, Krisen oder beidem zu ver­lassen“, sagte El Omrani. Sie seien zudem oftmals von eingeschränkten Zugängen von Lebensmitteln, Wasser und Gesundheitsversorgung betroffen. Je eingeschränkter entsprechende Ressourcen seien, desto eher seien Frauen zudem Gewalt ausgesetzt, so El Omrani.

Auch Chilimba betonte, dass insbesondere junge Frauen weltweit bezüglich mangelnder Verhütungsmöglich­keiten unter Schwangerschaften im Teenageralter oder Kinderehen leiden würden. Es sei die Aufgabe von allen, diese Probleme zu bewältigen, forderte sie.

El Omrani appellierte deshalb daran, junge Menschen aus dem Gesundheitsbereich und junge Fachkräfte an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Nur so sei gewährleistet, dass entsprechende Maßnahmen auch den tatsächlichen Erfahrungen der Menschen gerecht würden. Es müsse eine sichere, gesunde und faire Welt geschaffen werden, in der junge Menschen auch leben wollen, forderte El Omrani.

cmk

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