Selbstverwaltungsstärkungsgesetz stößt auf breite Ablehnung

Berlin – Die meisten Sachverständigen und Verbände haben sich heute im Bundestagsausschuss für Gesundheit gegen das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz ausgesprochen. Nach Ansicht der Kritiker verdient das Gesetz seinen Namen nicht. Im Gegenteil: Trete es wie geplant in Kraft, werde dies die Selbstverwaltung schwächen und notwendige Handlungsspielräume unerträglich einengen. So formulierte es die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrer schriftlichen Stellungnahme.
Zu einem ähnlichen Urteil wie die KBV kommen die beiden anderen Hauptbetroffenen der Gesetzesvorlage, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und der GKV-Spitzenverband. Dessen Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer sagte vor dem Ausschuss: „Die Probleme, die gelöst werden sollen, sind bei uns nicht aufgetreten.“ Indirekt gaben beide Organisationen der KBV die Schuld am Eingreifen der Politik.
Tatsächlich zielen viele der geplanten Neuregelungen wie zum Beispiel die strengeren Vorschriften zur Kontrolle des Haushalts und der Vorstandsgehälter auf Ereignisse aus der KBV-Vergangenheit, die inzwischen weitgehend aufgearbeitet sind. Dabei ging es um undurchsichtige Immobiliengeschäfte der KBV im Zusammenhang mit deren Umzug von Köln nach Berlin im Jahr 2004 sowie die üppigen Ruhestandsbezüge des ehemaligen KBV-Vorstands Andreas Köhler und einer ehemaligen Justiziarin der KBV.
Vor dem Ausschuss auf die Unregelmäßigkeiten angesprochen, antwortete deren amtierender Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen: „Individualfehler passieren. Die muss man auch korrigieren. Sie sind aber nicht per se immer zu verhindern.“
Das angespannte Verhältnis zwischen Gassen und seiner Vorstandskollegin Regina Feldmann schlug sich ebenfalls im Gesetzentwurf nieder. Er sieht für die KBV künftig einen obligatorischen dritten Vorstand vor, der weder dem hausärztlichen noch dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugerechnet werden kann. Die Erfahrung habe gezeigt, dass bei einem Vorstand aus zwei Mitgliedern bei Meinungsverschiedenheiten durch das Votum des Vorstandsvorsitzenden zwangsläufig eine Versorgungsebene überstimmt werde, heißt es in der Begründung. Künftig soll deshalb die Mehrheit entscheiden.
KBV, G-BA und Kassen halten den Gesetzentwurf im Großen und Ganzen für überflüssig. Man sehe keinen weiteren Regulierungsbedarf, betonte Uwe Klemens, Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes vor dem Gesundheitsausschuss. In dem Selbstverwaltungsgremium von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern herrsche bereits jetzt volle Transparenz. In der Stellungnahme der Kassen heißt es, die bestehenden aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten reichten aus, um Verstößen entgegenzuwirken – man müsse sie nur konsequent anwenden.
Diesen indirekten Vorwurf an das Bundesgesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde greift auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zum Gesetzentwurf auf. „Viele Vorkommnisse hätten vermieden werden können, wenn die Bundesregierung der Selbstverwaltung mehr auf die Finger geschaut hätte“, heißt es dort. In einem weiteren Antrag setzt sich Die Linke dafür ein, das Mitbestimmungsrecht der Patienten in den Gremien der Selbstverwaltung auszuweiten.
Das stieß jedoch auf Kritik bei den Vertretern von G-BA und Kassen. Pfeiffer und der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken wiesen auf die konstruktive Zusammenarbeit mit den Patientenvertretern im Plenum des G-BA hin. „Vier Fünftel der Beschlüsse fallen im Einvernehmen“, sagte Hecken. Beide lehnten jedoch weitere Eingriffsrechte der Patientenvertreter ab. Dafür fehle ihnen die demokratische Legitimation.
Zustimmung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung signalisierte dagegen der Verbraucherzentrale Bundesverband. Es würden keine ungebührlichen Vorgaben gemacht oder die Autonomie der betroffenen Verbände unzulässig eingeschränkt, heißt es in dessen Stellungnahme. Es würden im Gegenteil verwaltungsrechtliche oder demokratische Selbstverständlichkeiten kodifiziert.
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