Politik

Söder nach Testpanne unter Druck

  • Donnerstag, 13. August 2020
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) /picture alliance, Nicolas Armer
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) /picture alliance, Nicolas Armer

München/Berlin – Nach der bayerischen SARS-CoV-2-Testpanne mit mehr als 900 nicht über ihre Infektionen informierten Urlaubsheimkehrern stehen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Staatsregierung massiv unter Druck.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) bot heute zweimal ihren Rücktritt an, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München sagte. Er fügte aber hinzu: „Ich ha­be weiter Vertrauen zu ihr.“ Huml wolle die „Scharte auswetzen“.

„Da ist eine Panne passiert, und zwar eine große Panne“, sagte Söder heute Nachmittag nach einer Krisen­sitzung in München. „Nicht in der Strategie, sondern in der Umsetzung.“

Nach freiwilligen Tests hatten die bayerischen Behörden bis gestern Abend insgesamt 44.000 Urlaubsrückkehrer nicht über ihre Ergebnisse informiert, einschließlich von mehr als 900 positiv Getesteten, die nun bundesweit viele andere Menschen angesteckt haben könn­ten.

Huml betonte heute, von etwa 1.000 Menschen mit positiven Tests seien 908 informiert worden. Es müsse aber noch abgeglichen werden, ob unter den ausstehenden Tests auch Dubletten seien. Manche Urlauber hatten seit zwei Wochen auf ihre Ergebnisse gewartet. Das ist der Zeit­raum, der auch für eine freiwillige Quarantäne gilt.

Die Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mussten in der Nacht zu heute Überstunden einlegen, um Testergebnisse zu verschicken. Heute war dann die Coronahotline des Landesamts nicht mehr erreichbar.

Das Bürgertelefon sei „aus organisatorischen Gründen“ nicht besetzt und erst wieder am Freitag von 8 bis 18 Uhr erreichbar, hieß es heute Vormittag in einer automatischen An­sage. Das Landesamt ist die erste Stelle in Bayern für Coronatests und alle damit zu­sammenhängenden Fragen.

Der Leiter des bayerischen LGL, Andreas Zapf, wechselt unterdessen ins bayerische Ge­sund­heitsministerium. Von dort soll künf­tig der Betrieb der kommunalen Testzentren gesteuert werden, gab Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekannt. Das Gesundheits­ministerium sei näher an den Kommunen.

Viel Kritik

Scharfe Kritik kam heute unter anderem von der Opposition im Bundestag: „900 positiv Corona­getestete nicht zu informieren, ist Körperverletzung gegenüber denen, die diese ansteck­en“, twitterte FDP-Vizefraktionschef Alexander Lambsdorff.

„Wo ist Söder? Sonst immer vorneweg, schickt er jetzt seine Gesundheitsministerin vor. Peinlich“, schrieb der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner: „Das ist das Ergebnis einer Politik der CSU, die auf Show statt Substanz setzt.“

„Vom Klappern versteht Söder weit mehr als vom Handwerk verantwortungsvoller Politik“, spottete der Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Der bayerische SPD-Generalsekre­tär Uli Grötsch forderte im Bayerischen Rundfunk den Rücktritt von Gesundheitsministe­rin Melanie Huml (CSU) und eine Erklärung Söders – wie auch der bayerische FDP-Frakti­onschef Martin Hagen in der Bild.

Die Staatsregierung bietet an drei Autobahnen, an Hauptbahnhöfen und Flughäfen frei­willige Coronatests für Urlaubsheimkehrer aus allen Bundesländern an. „Wir testen an der Grenze für ganz Deutschland“, hatte Söder noch vor wenigen Tagen erklärt.

Das geht über die Beschlüsse der Gesundheitsminister von Bund und Ländern hinaus, die im April lediglich freiwillige Tests an Flughäfen sowie Stichproben an Straßen in Grenz­nähe vereinbart hatten.

Wie viele der 900 positiv getesteten Urlaubsrückkehrer aus Bayern kommen und wie vie­le aus dem übrigen Bundesgebiet, war nach wie vor unbekannt. Gründe für die Verzöge­run­gen sind nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vor allem die unerwartet hohe Nachfrage und Probleme bei der händischen Übertragung von Daten – die handschriftlich ausgefüllten Formulare sind häufig schwer zu lesen.

Auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) kritisierte die heimischen Behörden. Die bayeri­schen Hilfsorganisationen seien vom Freistaat beauftragt worden, innerhalb eines Tages fünf Teststationen zu errichten. Dabei hätten sie sich an den Vorgaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und der Gesundheitsämter orientiert.

„Da das LGL sich nicht in der Lage gesehen hat, in dieser kurzen Zeit eine entsprechende Software zur Verfügung zu stellen, mussten die Reisenden händisch mit Formularen er­fasst werden“, hieß es in einer Mitteilung.

Seit dieser Woche übernehmen nach und nach private Anbieter den Betrieb. Damit soll auch die Datenübertragung an allen Stellen digitalisiert werden. Insgesamt gab es nach Angaben Humls bislang etwa 85.000 Tests. Zu Verspätungen kam es demnach vor allem beim Versand der Ergebnisse von Tests an Raststätten und Bahnhöfen,

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stimmte heute nicht in den Chor der Kritiker ein: „Ministerpräsident Markus Söder hat ja selbst gesagt, das sei sehr ärger­lich. Das ist ohne Zweifel so. Gleichzeitig ist es so, dass in außergewöhnlichen Zeiten auch Fehler passieren“, sagte der CDU-Politiker im ZDF-„Morgenmagazin“.

„Entscheidend ist, dass sie transparent gemacht werden und sie dann schnell behoben werden. Und das macht die bayerische Staatsregierung.“

dpa

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