Politik

Sonderrechte für das Gesund­heitsministerium sollen verlängert werden

  • Freitag, 16. Oktober 2020
/picture alliance, Bernd Thissen
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Düsseldorf – Die Große Koalition von Union und SPD soll im Eilverfahren die Sonder­rechte für Bun­desgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Coronakrise über den 31. März 2021 hinaus verlängern.

Eine entsprechende Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aus dem Haus von Bundesgesundheitsmi­nister Spahn ist jetzt in die Abstimmung zwischen den Ministerien gegangen.

Das Papier, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, ist eine Formulierungs­hilfe für die Koalitionsfraktionen von Union und SPD, die den Gesetzentwurf in den Bundestag ein­bringen sollen.

Mit der Vorlage sollen dem Gesundheitsministerium weitgehende Befugnisse eingeräumt werden. Spahn soll demnach weiter eigenmächtig Verordnungen erlassen können, soweit dies „zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertrag­bare Krankheiten erforderlich ist“. Der Bundestag soll diese Verordnungen aber abändern und aufheben können.

Der Minister solle darüber hinaus auch nach eigenem Ermessen den internationalen und nationalen Reiseverkehr kontrollieren können und Vorschriften für Flug- und Seehäfen erlassen, wenn die Infektionslage es erfordert.

Wer aus einem Risikogebiet nach Deutschland reisen will, soll den Plänen von Spahns Ministerium zufolge verpflichtet werden, dem Robert Koch-Institut (RKI) Angaben zur Person sowie zu Aufenthaltsorten zehn Tage vor und zehn Tage nach der Einreise zu machen.

Zu diesem Zweck könnte eine digitale Einreiseanmeldung eingeführt werden. Das RKI würde die Daten an die jeweils zuständigen Behörden an den Zielorten der Reisenden weiterleiten, heißt es in dem Entwurf. Fluglinien sowie Bus- und Bahn-Unternehmen wären verpflichtet, Passagierlisten und Sitzpläne an das RKI weiterzugeben.

Außerdem sieht der Gesetzentwurf Einschränkungen bei der Lohnfortzahlung nach dem Infektionsschutzgesetz vor. Diese ist als Ausgleich für Verdienstausfall während einer Qua­rantäne gedacht. Laut Entwurf soll eine Entschädigung ausgeschlossen sein, „wenn der Quarantäne eine vermeidbare Reise in ein 48 Stunden vor Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet zugrunde liegt“.

Mehr Daten für RKI und PEI

Das Ministerium plant zudem beim RKI und auch beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mehr Daten zusammen zuziehen. Erwähnt sind im Entwurf „Surveillance-Ins­trumente“ wie eine virologische und syndromische Surveillance sowie eine Impfsurveillance.

Bei der Impfsurveillance sollen zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen elek­tronisch ihre Patientendaten an RKI und PEI über­mitteln. Ziel ist es laut Ministerium, das Impfgeschehen besser verfolgen zu können. Die Meldung der Daten wird auf Fälle von SARS-CoV-2 aus­geweitet.

Die bevorstehenden Zulassungen neuartiger Impfstoffe zum Schutz vor COVID-19 ma-chen eine Ergänzung im Impfschutzgsetz erforderlich, schreibt das BMG in der Begrün­dung. Die von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu meldenden Versorgungsdaten von gesetzlich krankenversicherten Personen seien auch für die Zwecke der im Zuständig­keits­bereich des PEI liegenden Pharmakovigilanz von Impfstoffen von großer Bedeutung.

„Mithilfe dieser können die Häufigkeit, Schwere und der Langzeitverlauf von Impfkom­pli­kationen beurteilt sowie untersucht werden, ob gesundheitliche Schädigungen bezie­hungsweise Erkrankungen im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen bei geimpften Personen häufiger vorkommen als bei ungeimpften Personen“, so das Ministerium.

Die Maßnahmen seien „besonders wichtig bei der Einführung neuartiger Impfstoffe in den deutschen Markt sowie bei Veröffentlichung neuer Impfempfehlungen, da es an ent­sprechenden Erfahrungswerten fehlt“. Einen möglichen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 sollen alle Bür­ger unentgeltlich erhalten können.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass die im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ angestrebte Digitalisierung des ÖGD durch einen Förderprogramm des Bundes und eine Unterstützung im Bereich zentraler Dienste umgesetzt werden soll.

Das elektronische Melde- und Informationssystem (DEMIS) soll dabei die zentrale Schalt­stelle bilden. Die meldepflichtigen Labore sollen mit dem Entwurf verpflichtet werden, künftig eine SARS-CoV-2-Meldung über dieses System vorzunehmen.

Um vorhandene Testkapazitäten umfassend nutzen zu können, soll den Vorstellungen des Ministeriums zufolge auch der Arztvorbehalt „angepasst“ werden. Das gelte in Bezug auf „patientennahe Schnelltests auf SARS-CoV-2“ und „auf die Nutzbarkeit veterinärmedizi­ni­scher Laborkapazitäten“, wie es heißt.

In der Begründung heißt es, die Nutzung von veterinärmedizinischen oder zahnärztlichen Laboren bei der Testung von Humanproben könne „einen wichtigen Beitrag zur Auswei­tung der bestehenden Testkapazitäten leisten und die mit der Probentestung stark belas­teten humanmedizinischen Labore entlasten“.

Dass der Gesetzentwurf im Parlament beschlossen wird, wie er als Formulierungshilfe angedacht war, ist nicht zu erwarten. Erfahrungsgemäß sind zahlreiche Änderungen im Detail möglich.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), sagte der Rheinischen Post, über die Ausgestaltung der einzelnen Regelungen „müssen wir natür­lich noch intensiv beraten“. Sie betonte zugleich, dass das parlamentarische Verfahren zügig starten solle. Die erste Lesung im Bundestag könne Ende Oktober oder Anfang November erfolgen.

afp/dpa/may

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