Politik

Steiner kritisiert mangelnde Transparenz bei Praxisverwaltungs­systemen

  • Mittwoch, 29. November 2023
/takasu, stock.adobe.com
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Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat ihre Kritik an der mangelnden Praxistauglichkeit digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen erneuert. KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner bemängelte insbesondere eine mangelhafte Unterstützung durch die Anbieter von Praxisverwaltungssystemen (PVS).

Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten würden sich den Anbietern ihrer PVS oft ausgeliefert fühlen: Ein Wechsel des Systems sei mit hohem finanziellem Aufwand verbunden, könne zu Stress im Praxisteam führen und beinhalte schließlich die Frage, wie gut die Datenmigration dann funktioniert.

Denn das sei meist unnötig kompliziert bis unmöglich, erklärte Steiner heute in Berlin im Gespräch mit der Geschäftsführerin des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg), Melanie Wendling. „Es gibt eine hohe Kundenunzufriedenheit auch mit Service und Support durch die PVS-Hersteller vor Ort“, unterstrich Steiner.

Wendling wies die Kritik vor allem mit Blick auf die Datenmigration beim PVS-Wechsel zurück. Auch andere IT-Umzugsverfahren seien kompliziert, die Ärzte dürfen nicht erwarten, dass das alles von allein geht, erwiderte sie. Bei privat verwendeter IT – sie nannte den Wechsel von Android- zu Apple-Betriebssystemen auf Smartphones als Beispiel – sei das schließlich auch kein trivialer Vorgang.

Auch bei der Fehlerbehebung durch die Anbieter seien die Erwartungen der Ärzteschaft oftmals schlicht unrealistisch – meist müsse ein technischer Fehler erst einmal gefunden werden, betonte sie. Auch Steiners Kritik an der Intransparenz der Preisstrukturen im PVS-Markt wies sie zurück.

Insbesondere die Frage, welche der angebotenen Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erstattet werden und welche nicht, sei oft nicht ersichtlich, so Steiner. „Das ist ein Problem, dass es für Praxen kaum transparent ist.“ Wendling erwiderte darauf, dass es sich die Ärzte mit ihrer Kritik nicht zu leicht machen dürften. „Ich erwarte auch von Ärzten, dass man sich informiert, was man da kauft. Es gibt diese Transparenz, man muss nur danach schauen“, sagte sie.

Mit dem Digitalgesetz (DigiG) versucht die Bundesregierung derzeit, die Interoperabilität zwischen verschiedenen Primärsystemen zu verbessern und nicht zuletzt auch den Wechsel zwischen Systemen zu erleichtern.

Dass die neuen gesetzlichen Anforderungen und Zertifizierungen zu Preissteigerungen bei den PVS-Anbietern führen dürften, konnte und wollte Wendling weder dementieren noch bestätigen. „Ich glaube günstiger wird in nächster Zeit erst mal nichts in Deutschland“, sagte sie.

Dass es PVS oft an Benutzerfreundlichkeit mangele, räumte Wendling hingegen ein. „PVS sind ursprünglich nicht aus einer guten Versorgungslogik heraus gebaut worden, sondern aus einer Abrechnungslogik“, erklärte sie. Das Problem sei, dass auf solche Systeme nun Anwendungen aufgesetzt werden müssen, für die sie ursprünglich gar nicht vorgesehen waren.

Auch Steiner sieht die Vorgaben an die Hersteller hier als Hauptproblem: „Die gematik ist aus unserer Sicht zu technikgetrieben und denkt zu wenig aus ärztlich-medizinischen Prozessen heraus.“ Außerdem fehle bei Entwicklung und Umsetzung der Anwendungen ein intersektoraler Blick, der die Verbindungen der einzelnen Bereiche des Gesundheitswesens berücksichtige.

Ein Grundproblem sei, dass man bisher nur versucht habe, analoge Prozesse zu digitalisieren, statt genuin digitale Prozesse zu denken.

„Was wir nicht geschafft haben, ist zu gucken, welche Anwendungen denn wirklich Sinn ergeben“, unterstrich Steiner. „Wo wir hinmüssen, muss man fragen. Ist eine neue Anwendung sinnvoll, funktioniert sie richtig, wird sie ausreichend finanziert. Dann wird man auch in der Praxis Akzeptanz erreichen.“

Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), die den Ärzten keinen Mehrwert biete, habe man das besonders deutlich gesehen. „Man erhält den Eindruck, dass man nicht für die Patienten arbeitet, sondern für die Krankenkassen, die ja letztlich den Nutzen von der eAU haben.“

Hier appellierte Wendling an die Ärzteschaft, dass alle Beteiligten im Gesundheitswesen sich gelegentlich zurücknehmen müssten. „Es stimmt, die Ärzte haben nichts von der eAU, sondern die Kassen. Dafür müssen diese vielleicht andere Sachen umsetzen, von denen sie selbst nichts haben, aber die Ärzte“, erklärte sie.

Es sei eines der größten Probleme bei der Umsetzung der Digitalisierung, dass die jeweiligen Berufs- und Interessengruppen meist nur aus ihrer Perspektive die Sachlage erörtern, statt auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten: „Es fehlt eine gesteuerte Diskussion der Stakeholder im Gesundheitswesen, wir reden alle nur in geschlossenen Gruppen.“

lau

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