Umfrage zeigt hohe Unzufriedenheit mit Praxisverwaltungssystemen

Berlin – Probleme mit dem Praxisverwaltungssystem (PVS) plagen fast die Hälfte der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Berlin. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zusammen mit dem Ärztenetzwerk Berlin durchgeführt hat.
Demnach hat fast jede zweite Arzt- und Psychotherapiepraxis mehrfach im Monat Probleme mit der Praxissoftware, wenn es um die Umsetzung der Vorgaben zur Umsetzung von Diensten der Telematikinfrastruktur (TI), geht. Rund ein Viertel der Praxen erleidet sogar wöchentlich Abstürze der Software.
Am häufigsten sind dabei Schwierigkeiten beim Auslesen der elektronischen Gesundheitskarte, gefolgt von Störungen bei klassischen TI-Anwendungen wie dem Ausstellen einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Beides gaben rund drei Viertel der Befragten an. Fast 63 Prozent gaben an, vor allem nach PVS-Updates mit Problemen zu kämpfen zu haben.
Allerdings zeigt die Erhebung auch, dass einigen Anbietern von Praxissoftware die Umsetzung der TI-Vorgaben offenbar gut gelingt und hohe Zufriedenheitswerte erreicht werden können. Auch mit der Unterstützung bei der Einführung von Updates zeigte sich nur ein Viertel unzufrieden.
Wechselaufwand wird als sehr hoch eingeschätzt
Dennoch befürchten viele Ärzte, ihren PVS-Anbietern mehr oder weniger ausgeliefert zu sein: 40 Prozent gaben an, sich einen Wechsel nicht vorstellen zu können, und begründeten das mehrheitlich damit, einen unangemessen hohen Wechselaufwand, Datenverluste, zu hohe Wechselkosten oder einen zu hohen Umschulungsaufwand zu befürchten.
Unter den 34,3 Prozent, die sich einen Wechsel vorstellen können, und den 15,3 Prozent, die einen Wechsel in den kommenden Jahren erwägen würden, sind diese Befürchtungen allerdings noch ausgeprägter. So nannten je 90 Prozent hohen Wechselaufwand und -kosten, 85 Prozent einen hohen Umschulungsaufwand und 74 Prozent Datenverluste als Befürchtungen.
Nur 8,3 Prozent gaben an, ihr PVS bereits gewechselt zu haben – berichten allerdings von weniger schlechten Erfahrungen als es die Befürchtungen der Kollegen erwarten ließen. So gaben jeweils knapp 70 Prozent an, dass der Wechsel zu einer signifikanten Verbesserung geführt hat und dass die Umschulungen angemessen waren. Bei der Frage nach Aufwand, Kosten und Datenverlusten ist das Bild uneindeutig. Bei jeder der Fragen hielt jeweils die Hälfte sie für angemessen oder zu hoch.
Das Zi hatte von Ende März bis Anfang Juli 385 Ärzte und Psychotherapeuten sowie ihre Mitarbeitenden befragt. Eine bundesweite Erhebung mit gleichem Inhalt ist für das kommende Jahr geplant, erklärte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried gestern bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Mehrheit hält die PVS-Kosten für zu hoch
Wenn sie Probleme mit dem PVS feststellen, wenden sich drei Viertel der befragten Praxen direkt an den PVS-Anbieter. Allerdings herrscht unter den Befragten auch große Unzufriedenheit mit ihren PVS-Anbietern: Fast 61 Prozent halten die Kosten für ihr System für zu hoch, 51,5 Prozent sind unzufrieden mit der Erreichbarkeit der Servicehotline und 55 Prozent halten die Kosten für den Support für zu hoch.
Als Belastung werden aber auch die verpflichtenden TI-Anwendungen gesehen: 62,5 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die eAU im Versorgungsalltag als eher erschwerend wahrnehmen, fast 52 Prozent sagten das über das E-Rezept und jeweils knapp die Hälfte über das Notfalldatenmanagement (NFDM) sowie die elektronische Patientenakte (ePA).
Am ehesten erleichternd haben 46,4 Prozent den elektronischen Medikationsplan eingestuft. Beim elektronischen Arztbrief ist das Bild uneindeutig: Hier gab jeweils rund ein Drittel an, ihn als Erleichterung, als Belastung oder aber ohne Einfluss auf den Arbeitsaufwand zu sehen.
Dass wichtige TI-Anwendungen nicht genutzt werden können, begründet jeweils rund die Hälfte der Teilnehmenden mit der zeitaufwendigen Einführung und einer hohen Fehleranfälligkeit. Rund 45 Prozent gaben an, dass ihnen die Einführung zu kompliziert sei, immerhin fast 36 Prozent nannten Datenschutzbedenken. 35 Prozent ist die Einführung zu teuer.
„Jede Minute Technikproblem nimmt der Versorgung von Patientinnen und Patienten eine Minute ärztliche Versorgungszeit weg“, kritisierte KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Deshalb brauche es in Zukunft ausreichend lange Testphasen, um die TI-Anwendungen technologisch abzurunden, im jeweiligen Softwaresystem alltagstauglich verankern zu können und so für die vertragsärztliche und psychotherapeutische Versorgung benutzerfreundlich und praxistauglich zu machen.
Monatspauschale reicht nicht aus
Demgegenüber zwinge die bisherige Gesetzgebung die ambulante Versorgung jedoch immer noch dazu, unausgereifte und fehlerhafte Technik und Anwendungen in den Praxen zu verwenden, und bestrafe sie auch noch finanziell dafür. Auch decke die vom Bundesministerium für Gesundheit beschlossene Monatspauschale bei Weitem nicht die Kosten, die den Praxen durch den verpflichtenden Einsatz von Komponenten, Diensten und Anwendungen der Telematikinfrastruktur entstehen.
„Dieses Vorgehen hat das Vertrauen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in die politische Digitalisierungsstrategie nachhaltig erschüttert“, betonte Steiner.
Deshalb arbeite die KBV derzeit gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen an einem Rahmenvertrag, der klare Kriterien für gute und belastbare Softwareangebote enthalte und vielen Praxen bald Orientierung bei der Suche nach einer verlässlichen Praxissoftware bieten soll. Die Softwarehersteller könnten diesen dann auf freiwilliger Basis unterzeichnen.
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