Suizidbeihilfe: Ethikrats-Vorsitzender kritisiert Verwaltungsgerichtsurteil
Köln – Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Suizidbeihilfe hat nach den Worten des Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, juristisches Neuland geschaffen. Das Gericht verpflichte den Staat, unter gewissen Bedingungen ein Mittel zum Suizid bereitzustellen, sagte der evangelische Theologe und Ethiker heute im Deutschlandfunk. Das Urteil stehe damit in einem Spannungsverhältnis zu dem Ende 2015 vom Bundestag verabschiedeten Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe. Notwendig sei deshalb eine neue Debatte über Sterbebegleitung und Suizidbeihilfe.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am vergangenen Donnerstag ein Recht von schwerstkranken Patienten auf einen selbstbestimmten Tod festgestellt. Der Staat dürfe in „extremen Ausnahmefällen“ und bei einer unerträglichen Leidenssituation den Zugang zu einem verschreibungsfähigen Betäubungsmittel nicht verwehren, das einem schwer und unheilbar kranken Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht (Az: 3 C 19.15).
Dabrock betonte, dass die Urteilsbegründung noch nicht veröffentlicht sei. Er halte es aber nicht für tragbar, dass eine staatliche Behörde wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Vergabe eines tödlichen Medikaments entscheiden solle. „Können die das überhaupt, haben die die Experten dafür? Und nach welchen Kriterien sollen sie entscheiden“, fragte der Ethikratvorsitzende.
Angesichts der von den Richtern genannten unklaren Kriterien befürchte er, dass der staatlich geförderte Suizid auf lange Sicht – ähnlich wie bei der Präimplantationsdiagnostik – zum Normalfall werde. Für Dabrock steht deshalb fest, dass diese sensible Frage nur mit einem Gesetz geregelt werden könne.
Nach den Worten des Ethikratsvorsitzenden steckt der Gesetzgeber beim Thema Suizidbeihilfe in einem Dilemma: Einerseits lasse sich nicht jeder tragische Einzelfall regeln. Der Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung müsse beachtet werden. Andererseits sei ein gesetzlicher Rahmen notwendig, um Sterbenskranke als schwächste Glieder der Gesellschaft zu schützen.
Dabrock sprach sich für eine deutliche Stärkung der Suizidvorbeugung sowie von Palliativmedizin und Hospizen aus. „Unsere Gesellschaft muss noch stärker deutlich machen, dass wir Institutionen brauchen, die den Wunsch nach Suizid zurückdrängen.“
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