Suizidprävention: Lauterbach reißt Frist für Konzept

München – Eigentlich sollte die Bundesregierung bis Ende Januar Vorschläge für eine bessere Suizidprävention in Deutschland vorlegen. Doch ein fertiges Konzept gibt es bisher nicht. Erst im April soll es nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes soweit sein.
Zur Erinnerung: Der Bundestag hatte im vergangenen Juli nahezu einstimmig beschlossen, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bis zum 31. Januar 2024 ein Konzept vorlegen soll, wie Angebote der Suizidprävention verbessert werden können, um die Zahl von mehr als 9.000 Selbsttötungen im Jahr deutlich zu senken. Bis spätestens 30. Juni sollte ein Gesetzentwurf vorliegen.
Tatsächlich arbeitet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) derzeit unter dem Dach des Nationalen Präventionsplans gemeinsam mit der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung an einer Nationalen Suizidpräventionsstrategie (NaSuPS).
Der Entwurf dieser Strategie soll einem Beschluss des Haushaltsausschusses zufolge dem Bundestag im April vorliegen. Dann könne auch über weitere Schritte entschieden werden, hört man aus dem BMG. Vielen – gerade ärztlichen Beobachtern – reichen solche Bekundungen nicht aus.
„2024 darf nicht zum verlorenen Jahr für die Suizidprävention in Deutschland werden“, warnt die Bundesärztekammer (BÄK) und fordert einen intensiveren Austausch mit der Ärzteschaft und den weiteren Akteuren der Suizidprävention. Bereits 2022 habe ein breites fachliches Bündnis mit fundierten Empfehlungen die Voraussetzungen für die Erarbeitung eines Suizidpräventionsgesetzes geschaffen.
Wie die Süddeutsche Zeitung heute ebenfalls berichtet, forderten Vertreter von Union und FDP den Gesundheitsminister zum Handeln auf. Ziel soll ein Suizidpräventionsdienst sein, der mit Hilfe der Telefonseelsorge, sozialpsychiatrischer Dienste und projektfinanzierter Beratung rund um die Uhr erreichbar ist.
Die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) soll demnach auf Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Brand mitgeteilt haben, es sei beabsichtigt, die Strategie dem Bundestag „bis zum April 2024 vorzulegen“. Nach Vorlage der Strategie werde über die weiteren Schritte „einschließlich der Option und möglicher Inhalte einer Gesetzesinitiative zur Suizidprävention zu entscheiden sein“.
Brand erklärte, bislang habe es sehr selten im Bundestag eine so gewaltige überparteiliche Mehrheit gegeben wie bei diesem Thema. „Aber die Bundesregierung hält weder Fristen ein, noch nutzt sie Experten mit Erfahrung in diesem sensiblen Feld wirklich oder antwortet ernsthaft auf Nachfragen.“
Tausende Tote durch Suizid seien wichtiger als Cannabis, fügte Brand mit Blick auf das Engagement der Bundesregierung zur Legalisierung des Rauschmittels hinzu. „Herr Lauterbach sollte sich endlich, und ernsthaft, um dieses ernste Thema kümmern und vernünftige Vorschläge vorlegen, die helfen.“
Der Antrag war damals zustande gekommen, nachdem zwei Entwürfe für einen gesetzlichen Rahmen zur Suizidbeihilfe keine Mehrheit gefunden hatten. Auslöser war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hatte – da das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletzt werde.
Die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr, Mitinitiatorin eines der beiden Anträge, fordert eine Erklärung von Lauterbach, warum die Fristen für die Vorlage eines Konzepts zur Vorbeugung von Suiziden nicht eingehalten wurden. Auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung ging das Gesundheitsministerium nicht näher ein und verwies ebenfalls auf den April als neuen Zeitpunkt für die Vorlage eines Konzepts.
Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mahnen an, die Strategie mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu hinterlegen. Es sei wichtig, dass das geforderte Suizidpräventionsgesetz komme und die Maßnahmen umgesetzt würden. „Diese müssen auch finanziell hinterlegt werden“, sagte sie dem Deutschen Ärzteblatt. „Es bedarf ausreichender finanzieller Mittel, denn ansonsten läuft die beste Strategie ins Leere“, betonte auch Reinhardt.
In Deutschland sterben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Schnitt täglich mehr als 25 Personen an Suizid. Demnach lag die Zahl der Suizide 2022 erstmals seit acht Jahren wieder über 10.000. Damit sterben mehr Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle, Mord, AIDS/HIV und illegale Drogen zusammengenommen.
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