Tarifgespräche für Ärzte an kommunalen Kliniken drohen zu scheitern
Berlin – Die Tarifverhandlungen für die rund 55.000 Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern drohen zu scheitern. Nachdem auch die dritte Verhandlungsrunde ohne Ergebnis blieb, warf der Marburger Bund (MB) den Arbeitgebern heute fehlenden Einigungswillen vor. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) forderte die Gewerkschaft auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Der Marburger Bund kritisierte, die Arbeitgeberseite habe bislang nur „halbgare Vorschläge“ vorgelegt und sei dabei, „den Abbruch der Gespräche zu provozieren“. Verhandlungsführer Rolf Lübke warf der VKA vor, sie stehe bei allen Forderungen „auf der Bremse“.
Die Tarifverhandlungen waren im Januar gestartet. Der MB fordert fünf Prozent mehr Gehalt bei einer einjährigen Vertragslaufzeit sowie eine Entlastung der Mediziner. Die Gewerkschaft will unter anderem eine exakte Erfassung der Arbeitszeit und die Einführung von Höchstgrenzen für Bereitschaftsdienste und vor allem Nachtdienste erreichen.
Die VKA bieten nach eigenen Angaben 5,4 Prozent mehr Gehalt für die Ärzte, das in zwei Stufen jeweils Mitte 2019 und 2020 erhöht werden soll. Zudem solle es Verbesserungen bei der Wochenendarbeit und Entlastung bei Bereitschaftsdiensten geben.
Angebot dürftig
Nach Angaben der Gewerkschaft würde das Angebot der Arbeitgeber bei einer Gesamtlaufzeit von zweieinhalb Jahren lediglich 1,4 Prozent Gehaltserhöhung für 2019 und 0,83 Prozent für 2020 bringen. Dies mache die Ärzte „zu bloßen Bittstellern“. Die geforderte Begrenzung der Bereitschaftsdienste werde völlig ignoriert.
Der größte Knackpunkt der Tarifgespräche ist die Forderung des Marburger Bunds nach einer rechtsverbindlichen Vereinbarung zur Absicherung der Tarifverträge. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz. Demnach ist es in Tarifverträgen möglich, eine Vereinbarung zu verankern, die verhindern soll, dass der Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft durch eine etwaige Mehrheitsfeststellung im Betrieb verdrängt werden kann. Diese Regelung aus dem Tarifeinheitsgesetz kann damit ausgehebelt werden.
Mit anderen Arbeitgebern im Krankenhaussektor hat der Marburger Bund im zurückliegenden Jahr solche Vereinbarungen auf der Grundlage einer Tarifsicherungsklausel geschlossen. Auch mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatte sich der MB bereits am 1. Dezember 2017 auf eine Grundsatzvereinbarung verständigt, die verhindern soll, dass der Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft durch eine etwaige Mehrheitsfeststellung im Betrieb verdrängt werden kann.
Die VKA wolle dem MB allerdings keine rechtsverbindliche Erklärung zur Sicherstellung der ausgehandelten Tarifverträge geben und auch nicht über die Ärzte im ÖGD mit dem MB verhandeln, hieß es aus der Ärztegewerkschaft. Die VKA weigere sich darüber hinaus anzuerkennen, dass der MB auch für andere Ärzte – wie Ärzte aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) – verhandelt. Der MB sei „die zuständige Gewerkschaft für die Krankenhausärzte“, erklärte die VKA dazu.
Sie forderte die Gewerkschaft zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. VKA-Verhandlungsführer Dirk Tenter warf dem MB heute vor, sich an der Formulierung zur Tarifeinheit zu verbeißen. „Wir haben dem Marburger Bund angeboten, dessen alleinige Zuständigkeit für die Krankenhausärzte rechtssicher zu vereinbaren. Dies wurde ohne erkennbaren Grund abgelehnt“, sagte VKA-Hauptgeschäftsführer Klaus Klapproth.
Der MB betonte hingegen, dieses Versprechen setzte die VKA auf dem Papier nicht um. Die Gewerkschaft signalisierte, dass die Gespräche ohne ein Einlenken des VKA in Bezug auf die rechtssichere dauerhafte Anerkennung der Tarifverträge und die Aufnahme der Ärzte im ÖGD vor dem Scheitern stehen.
Die Tarifgremien des Marburger Bunds wollen in den kommenden Tagen über das weitere Vorgehen entscheiden. Am Donnerstag tagt die kleine Tarifkommission und am Samstag die große Tarifkommission der Ärztegewerkschaft. Lübke will den Gremien die Ablehnung des Angebots empfehlen. Bei einem Scheitern der Gespräche könnten Arbeitskampfmaßnahmen drohen.
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