Assistenzärzte sehen Patienten durch Personalnot im Krankenhaus gefährdet

Berlin – Assistenzärzte in Deutschland üben scharfe Kritik an der Arbeitszeitorganisation in den Krankenhäusern. Das geht aus einer neue Umfrage des Hartmannbundes (HB) hervor. Darin gibt rund die Hälfte der 1.437 Befragten an – rund 70 Prozent von ihnen Frauen – ihre Arbeitszeit werde nicht konsequent erfasst und Überstunden würden nicht entsprechend dokumentiert.
Fast jeder Zweite arbeitet danach regelwidrig im Bereitschaftsdienst länger als 50 Prozent seiner regulären Arbeitszeit. Rund die Hälfte der Befragten erklärte, Personalmangel sei die Ursache vieler dieser Missstände. Rund 75 Prozent der befragten Berufseinsteiger geben zudem an, sie seien regelmäßig mit Situationen konfrontiert, auf die sie sich „nicht vorbereitet“ sähen.
Ein Großteil dieser Gruppe habe durch diesen Umstand bereits patientengefährdende Fehler wahrgenommen, warnt Wenke Wichmann aus dem Lenkungsgremium des Ausschusses der Assistenzärzte im HB. Sie sieht alle beteiligten Player gemeinsam in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen – Politik, Krankenhausträger und Verantwortliche in den Kliniken selbst.
„Wir sehen uns in erster Linie nicht in der Rolle des Anklägers, sondern wollen – soweit es geht konstruktiv – daran mitwirken, notwendige Veränderungen zu gestalten“, betonte sie. Für grundsätzlich inakzeptabel hält sie es allerdings, wenn gesetzlich klar definierte Regelungen vom Arbeitgeber nicht eingehalten würden. „In dieser Grauzone sind die Weiterbildungsassistenten meistens das schwächste Glied in der Kette und gezwungen, Regelverstöße mehr oder weniger hinzunehmen. Das darf nicht sein“, kritisierte Wichmann.
So sieht es auch der HB-Vorsitzende Klaus Reinhardt: „Das Arbeitszeitgesetz darf auch in Zeiten von Personalmangel nicht zur Makulatur verkommen. Da braucht es Verlässlichkeit. Es nützen im Zweifelsfall am Ende die von uns geforderten Personalschlüssel nichts, wenn es keine effektiven Möglichkeiten der Durchsetzung und Kontrolle gibt.“ Hier seien vor allem die Aufsichtsbehörden gefordert, ihre Kontrollfunktion konsequenter wahrzunehmen.
Große Unzufriedenheit
Laut der Umfrage, die der Ausschuss der Assistenzärzte im HB initiiert hat, sind ein Drittel der Assistenzärzte „unzufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ mit ihrer beruflichen Situation. Ein Grund dafür ist zu wenig Zeit für den Patienten – nur jeder Vierte sieht diese als ausreichend an.
Außerdem kritisieren die Assistenzärzte Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Rund 40 Prozent sehen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Wunsches nach Teilzeit, mangelnde Angebote an flexiblen Arbeitszeitmodellen oder fehlende Betreuungsangebote noch immer als größte Hindernisse einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Zwei Drittel der Befragten sehen negative Auswirkungen ihrer Arbeit auf Privatleben und soziale Kontakte, jeder Fünfte befürchtet gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Mehr als die Hälfte der Befragten benotet die Qualität und den Umfang ihrer Einarbeitung zum Berufsstart mit den Noten „4“ und „5“. Und gerade einmal jeder vierte Assistenzarzt beschreibt seine Weiterbildung als „strukturiert“ – zum Beispiel durch einen verlässlichen Rotationsplan, der alle relevanten Inhalte abdeckt.
Digitalisierung in den Kinderschuhen
Rund 60 Prozent der Befragten kritisieren „ineffiziente Formen“ der Digitalisierung an ihrer Klinik. Dass vier von fünf Assistenzärzten den Anteil von Bürokratie an ihrer Arbeitszeit mit über 50 Prozent beziffern, dürfte laut dem HB maßgeblich diesem Umstand geschuldet sein – der Verband spricht von einer „dramatischen Verschwendung ärztlicher Ressourcen“.
Kommentare im Rahmen der Umfrage konkretisieren diese Defizite bei der Digitalisierung: Die Befragten nennen zum Beispiel Radiologie-Befunde, die von Patienten auf CD gebrannt mitgebracht würden, da es keinen Austausch-Server mit den niedergelassenen Ärzten gebe. Weitere Beispiele sind externe schriftliche Befunde, die eingescannt würden und damit als Bilddatei in der Krankenakte verfügbar seien – mit der allerdings nicht weitergearbeitet werden könne, weil die Befunde nicht kopierbar seien und Medikamentenpläne, die trotz QR-Code abgeschrieben werden müssten, weil es an Software fehle, die den QR Code-Datensatz ins Krankenhausinformationssystem überspielen könne.
Laut Reinhardt stehen die Probleme der Ärzte in Weiterbildung auch stellvertretend für die schwierige Situation des gesamten ärztlichen Personals und der Pflege an den Kliniken. „Es leiden alle Beteiligten gleichermaßen unter dem Korsett der Ökonomie. Diese Fessel gilt es zu sprengen, statt sich ihr immer stärker anzupassen!“, forderte er.
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