Umfrage: Schwangerschaft setzt Ärztinnen unter Druck

Berlin – Etwa die Hälfte aller schwangeren Ärztinnen hat Bedenken, die Schwangerschaft beim Arbeitgeber zu melden. Das geht aus einer heute veröffentlichten bundesweiten Befragung von Ärztinnen und Medizinstudierenden von einem Netzwerk des Marburger Bundes, des Ärztinnenbundes und weiteren Organisationen hervor.
In den vergangenen Jahren haben die Bedenken der Ärztinnen zugenommen: Während 2016 noch 44 Prozent der Befragten Bedenken hatten, eine Schwangerschaft mitzuteilen, waren es 2022 sogar 56 Prozent. Einschränkungen in der Weiterbildung, OP- oder Tätigkeitsverbot, Unverständnis der Kolleginnen, negative Reaktionen des Chefs oder Personalnot gehören zu den angegebenen Gründen.
Und oftmals führt eine Schwangerschaft als Ärztin zu einem Beschäftigungsverbot – gerade zu Zeiten der Coronapandemie. In den Jahren 2020 bis 2022 hatte knapp die Hälfte der Befragten ein betriebliches Beschäftigungsverbot erhalten, 30 Prozent berichteten von Einschränkungen in ihrer Tätigkeit. Vor der Pandemie gaben nur 11 Prozent der Befragten an, ein betriebliches Beschäftigungsverbot erhalten zu haben.
Beschäftigungsverbot ohne triftigen Grund
„Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann“, kritisierte Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB).
Denn der Umfrage zufolge kommen Arbeitgeber häufig nicht der Verpflichtung nach, jede Tätigkeit auf ihre Gefährdung hin zu prüfen. Bei 40 Prozent der befragten Ärztinnen fanden keine allgemeinen Gefährdungsbeurteilungen statt, wie sie im Mutterschutzgesetz von 2018 vorgesehen sind. Die sogenannte individuelle Gefährdungsbeurteilung fand bei zwei Drittel der Befragten ebenfalls nicht statt.
„Die Möglichkeit des partiellen Beschäftigungsverbots mit reduzierter Stundenzahl gibt es ebenfalls – sie wird allerdings nur sehr selten genutzt“, sagte Johna. „Das ist aus meiner Sicht Verschwendung dringend benötigter ärztlicher Arbeitszeit.“ Auch die Aufsichtsbehörden trügen hier eine Mitschuld. „Gerade in Bayern und Baden-Württemberg gibt es sehr restriktive Forderungen der Behörden,“ so Johna.
Das könne dazu führen, dass die Arbeitgeber verunsichert seien, sodass sie eher ein Beschäftigungsverbot aussprechen würden. Dieses Thema wird auch kontinuierlich in den Fach-Arbeitsausschüssen im Bundesfamilienministerium diskutiert. Nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes soll Ende März für die Gefährdungsbeurteilung eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden.
Schwangerschaft führt zu OP-Verbot und verlängerter Weiterbildung
Vor allem operative oder interventionelle Eingriffe dürfen von Schwangeren nicht mehr durchgeführt werden. Vor der Coronapandemie durften im Mittel 60 Prozent gar nicht und ein Viertel nur reduziert operieren. Mehr als drei Viertel der Teilnehmerinnen durften in der Pandemie keine Operationen durchführen und 13 Prozent nur reduziert.
Maya Niethard, Projektleiterin der Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) kritisiert die pauschalen Beschäftigungsverbote ebenfalls. Die Gefährdungslage würde der Chirurgin zufolge oftmals nicht individuell beurteilt. „Aktuell finden Sie kaum einen sichereren Arbeitsplatz als den einer Chirurgin im OP.“ Zwar habe das Mutterschutzgesetz zu Beginn der Pandemie gut gegriffen, doch müsse die Gefährdungslage stetig neu beurteilt werden.
Denn gerade für die Länge der Weiterbildung hat ein Beschäftigungsverbot Folgen. Nur etwa ein Drittel konnte in der Zeit der Coronapandemie seit 2020 Weiterbildungsinhalte erwerben, bei knapp der Hälfte war das aufgrund von Einschränkungen oder Umgestaltungen der Tätigkeit nicht der Fall. Etwa ein Fünftel der Befragten erklärte, weniger Weiterbildungsinhalte als vor der Schwangerschaft erworben zu haben.
„Sowohl dem Beschäftigungsverbot als auch der Umstrukturierung des Arbeitsplatzes in eine andere, nicht der jeweiligen Weiterbildungsordnung unterliegende Tätigkeit folgt ein Karriereknick, weil die Facharztprüfung nach hinten verschoben werden muss", beschrieb die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), Christiane Groß, die Auswirkungen für viele junge Ärztinnen. Folgen seien die spätere Option für oberärztliche oder chefärztliche Stellen oder die spätere Option sich niederzulassen.
„Die Beschäftigungsverbote greifen auch schon im Studium," so Groß. So ließen sich die strikten Fehlzeiten während des Praktischen Jahres mit maximal zehn Tagen pro Tertial nicht mit einer Weiterführung der Tätigkeit vereinbaren.
An der Online-Befragung des MB, des DÄB, des OPidS, der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), des Verbandes der Chirurginnen (Die Chirurginnen e.V.) und den Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (vlk) haben zwischen November und Dezember 2022 4.748 Ärztinnen teilgenommen und Medizinstudentinnen. Zwei Drittel der Befragten befand sich während der Schwangerschaft in Weiterbildung, ein Fünftel war in dieser Zeit Fachärztin und neun Prozent waren Oberärztin.
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