Unfallchirurgen warnen: Datenschutzbestimmungen gefährden Versorgung Schwerstverletzter

Berlin – Die Sterblichkeit nach schwerer Verletzung konnte, dokumentiert im Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gesenkt werden. Dieser Trend könnte schon bald ein Ende finden, befürchten Experten der Fachgesellschaft. Schuld daran seien die neuen Datenschutzbestimmungen, sagten sie heute bei einer Pressekonferenz in Berlin im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU).
Mit mehr als 270.000 dokumentierten Behandlungsverläufen von schwer verletzten Patienten ist das Traumaregister mittlerweile das größte Register zur Erfassung von Schwerverletzten der Welt. Nach 25 Jahren erfolgreicher Datenerhebung und Analyse, musste die DGU heute jedoch mitteilen, dass die Registerdaten von 2018 „nur eingeschränkt auswertbar“ wären.
Der Bundesbericht zu den Traumaregisterdaten würde „Unregelmäßigkeiten“ aufweisen. Damit sei das für die Schwerstverletztenversorgung unschätzbare Forschungs- und Qualitätssicherungsinstrument bedroht, warnte DGU- und DGOU-Präsident Paul Alfred Grützner.
„Durch die Datenschutzgrundverordnung wird die Erfassung der Patientendaten erheblich erschwert“, sagte der Ärztliche Direktor der BG Klinik Ludwigshafen und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie und führte weiter aus: Denn diese seien nicht anonymisiert, sondern nur pseudonymisiert. Zusätzlich würden die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer erschwerend hinzukommen.
„Das führt zu der absurden Situation, dass manche Kliniken nur noch Daten von verstorbenen Polytraumapatienten in das Register eintragen – denn nach dem Tod hört der Datenschutz für sie auf“, beschrieb Grützner die Auswirkungen. In zwei Bundesländern hört der Datenschutz nach dem Tod jedoch nicht auf, in Hamburg und Brandenburg. „Die Kliniken in diesen Bundesländern geben daher keine Daten Verstorbener in das Register ein“, so Grützner. Angehörige könnten die Daten auch im Nachgang nicht mehr freigeben.
Bei jenen Schwerverletzten, bei denen eine Einverständniserklärung nachträglich eingeholt werden könnte, gestaltet sich dies in der Praxis ebenfalls schwierig. „Obwohl wir einen Mitarbeiter an unserer Klinik für die nachträgliche Einholung der Einverständniserklärung freigestellt hatten, gelang es nur in 50 Prozent der Fälle“, berichtete Grützner. Das Resultat sei ein Traumaregister für 2018 mit „erheblicher Unschärfe“.
Experten appellieren an Politiker für mehr Rechtssicherheit
Die orthopädischen und unfallchirurgischen Fachgesellschaften wollen daher den Druck auf die Politik erhöhen und fordern, das bisher freiwillige Register verpflichtend zu machen.
„Eine verpflichtende Teilnahme ohne Einwilligungserklärung würde Rechtssicherheit schaffen“, erklärte Carsten Perka, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).
Eine solche Vorgabe würde derzeit jedoch nicht konform gehen mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union, räumte der ärztliche Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin ein. Hierfür wäre zunächst eine gesetzliche Änderung oder Ergänzung notwendig.
Der Generalsekretär der DGU, Dietmar Pennig, berichtete von mehreren Gesprächen mit dem Gesundheitsausschuss und auch mit der Gematik. Über das Problem aus Sicht der Ärzteschaft seien die Politiker folglich informiert.
Mehr als 500 Publikationen sind bisher aus den Daten des Traumaregisters resultiert. Die erhobenen Daten werden auch dazu genutzt, den mehr als 600 zertifizierten Kliniken Auffälligkeiten zurückzuspiegeln.
Sie sorgen für ein regelmäßiges Feedback, so dass diese die Polytraumaversorgung kontinuierlich verbessern können. Die Qualitätssicherung ist auch Thema des heute neu erschienen Weißbuchs Schwerverletztenversorgung (3. Auflage), das heute in Berlin vorgestellt wurde.
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