Upcodingvorwürfe: Gesundheitsministerium NRW springt AOK Rheinland zur Seite

Düsseldorf – Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat die AOK Rheinland-Hamburg in Schutz genommen und gegen Vorwürfe verteidigt, die Kasse habe ein „Upcoding“ von Diagnosen betrieben, also Versicherte beim Codieren kränker gemacht, als sie in Wirklichkeit sind. Gleichzeitig rechtfertigt sich das Ministerium damit, als Aufsichtsbehörde nicht reagiert zu haben. Hintergrund ist eine außergerichtliche Einigung der Krankenkasse mit dem Bundesversicherungsamt (BVA). Das BVA hatte die AOK aufgefordert, Gelder an den Gesundheitsfonds in Höhe von sieben Millioenn Euro zurückzuzahlen.
Wie das Ministerium mitteilte, habe die AOK Rheinland kein Upcoding, sondern ein sogenanntes Right-Coding vorgenommen. Es habe sich „um die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur einer zunächst fehlerhaften oder nicht ausreichend dokumentierten Diagnose“ gehandelt, „die im Zusammenhang mit einer Arzneimittelverordnung zu Regressforderungen gegenüber Ärztinnen und Ärzte führen kann“. Für solche Fälle habe das NRW-Gesundheitsministerium ein entsprechendes Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung toleriert – mit der Möglichkeit einer Korrektur fehlerhafter Diagnosen. Im Klartext: Das Ministerium weist eine aufsichtsrechtliche Verantwortung von sich.
Hintergrund ist ein Streit zwischen BVA und AOK Rheinland-Hamburg. Der Fall (Az. L 5 KR 219/15 KL) sollte ursprünglich am 10. November verhandelt werden. Die AOK zog die Klage gegen den Bescheid des BVA allerdings überraschend zurück. Das BVA hatte laut Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) für das Jahr 2011 von der AOK aus den erfolgten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds einen Betrag von sieben Millionen Euro zurückgefordert.
Es habe diese Forderung darauf gestützt, dass die AOK im Zusammenwirken mit den beigeladenen KVen und ausdrücklicher Billigung durch die Aufsichtsbehörde auf die Vertragsärzte in Nordrhein und Hamburg hingewirkt habe, die Diagnosen bei der Behandlung von AOK-Versicherten nachträglich derart zu ergänzen, dass „die Versicherten kränker werden“, so das Gericht.
Durch die Nachmeldung dieser korrigierten Daten habe die AOK laut LSG NRW erhöhte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Dies habe gleichzeitig bewirkt, dass die anderen Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds geringere Zuweisungen erhielten, da das Finanzvolumen des Gesundheitsfonds begrenzt ist.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die als erste berichtete, weist die AOK Rheinland-Hamburg die Vorwürfe zurück, bestätigte aber, das Geld dennoch an den Gesundheitsfonds zurückzuzahlen. Die Abrechnungsregelungen seien sehr komplex und gelegentlich umstritten. „In diesem Fall haben wir die Rechtsauffassung des BVA im Vergleichswege akzeptiert“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der AOK, Günter Wältermann. „Pragmatische Lösungen sind manchmal gegenüber langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzuziehen“, betonte er.
Wie die FAZ berichtete, war Wältermann nicht nur bereit, die zu viel kassierten 5,6 Millionen Euro zurückzuzahlen. Er akzeptierte demnach auch einen Strafzuschlag von 1,4 Millionen Euro, den das BVA in den Bescheid über sieben Millionen Euro Bescheid eingerechnet hatte.
Das BVA ermittelt laut FAZ derzeit gegen elf Krankenkassen, die versucht haben sollen, ihre Lage auf Kosten der übrigen Kassen zu verbessern. Nur im Falle der AOK Rheinland-Hamburg sei es einem BVA-Sprecher zufolge jedoch bislang zu einem Verfahren gekommen.
Das Thema Upcoding beschäftigt derzeit auch die Bundespolitik. Der in der Union für Arzneimittel zuständige CDU-Politiker Michael Hennrich sieht laut FAZ in optimierter Praxis-IT eine Lösung. Da die Ärzte besser über die Wirkung neuer Arzneimittel informiert werden sollen, wäre dies ein Weg, die „richtige“ Diagnose festzustellen, sagte er.
Der Schweregrad einer Erkrankung machte sich an der registrierten Medikation fest. Ein anderer Ansatz wäre, Patienten einzubinden, wie es in Amerika mit „open-notes“ erfolgreich geschehe. Dann müssten Ärzte ihre Patienten über Diagnosen und Kodierung informieren. Damit sänke das Risiko, dass aus einer depressiven Verstimmung eine Depression oder aus Rückenbeschwerden ein Bandscheibenvorfall würde, hieß es.
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