Politik

Upcodingvorwürfe: Gesundheits­ministerium NRW springt AOK Rheinland zur Seite

  • Montag, 14. November 2016
Uploaded: 11.10.2016 11:02:10 by maybaum

Düsseldorf – Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat die AOK Rhein­land-Hamburg in Schutz genommen und gegen Vorwürfe verteidigt, die Kasse habe ein „Up­coding“ von Diagnosen betrieben, also Versicherte beim Codieren kränker ge­macht, als sie in Wirklichkeit sind. Gleichzeitig rechtfertigt sich das Ministerium damit, als Auf­sichts­be­hör­de nicht reagiert zu haben. Hintergrund ist eine außergerichtliche Einigung der Kranken­kas­se mit dem Bundesversicherungsamt (BVA). Das BVA hatte die AOK auf­gefordert, Gel­der an den Gesundheitsfonds in Höhe von sieben Millioenn Euro zurück­zuzahlen.

Wie das Ministerium mitteilte, habe die AOK Rheinland kein Upcoding, sondern ein soge­nanntes Right-Coding vorgenommen. Es habe sich „um die Möglichkeit der nachträg­li­chen Korrektur einer zu­nächst fehlerhaften oder nicht ausreichend dokumentierten Diag­nose“ gehandelt, „die im Zusammenhang mit einer Arzneimittelverordnung zu Regress­for­derungen gegenüber Ärztinnen und Ärzte führen kann“. Für solche Fälle habe das NRW-Gesundheitsministerium ein entsprechendes Ver­fahren zur Wirtschaftlichkeitsprü­fung toleriert – mit der Möglichkeit einer Korrektur fehler­hafter Diagnosen. Im Klartext: Das Ministerium weist eine aufsichtsrechtliche Verantwortung von sich.

Hintergrund ist ein Streit zwischen BVA und AOK Rheinland-Hamburg. Der Fall (Az. L 5 KR 219/15 KL) sollte ur­sprünglich am 10. November verhandelt werden. Die AOK zog die Klage gegen den Be­scheid des BVA allerdings überraschend zurück. Das BVA hatte laut Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) für das Jahr 2011 von der AOK aus den erfolgten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds einen Betrag von sieben Millionen Euro zurückgefordert.

Es habe die­­se Forderung darauf gestützt, dass die AOK im Zusammenwirken mit den beigeladenen KVen und ausdrückli­cher Billigung durch die Aufsichtsbehörde auf die Vertragsärzte in Nord­rhein und Ham­burg hingewirkt habe, die Diagnosen bei der Behandlung von AOK-Versicherten nach­träg­lich derart zu ergänzen, dass „die Versicherten kränker werden“, so das Gericht.

Durch die Nachmeldung dieser korrigierten Daten habe die AOK laut LSG NRW erhöhte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Dies habe gleichzeitig bewirkt, dass die anderen Kran­kenkassen aus dem Gesundheitsfonds geringere Zuweisungen erhiel­ten, da das Finanz­volumen des Gesundheitsfonds begrenzt ist.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die als erste berichtete, weist die AOK Rheinland-Hamburg die Vor­würfe zurück, be­stätigte aber, das Geld dennoch an den Ge­sundheitsfonds zurückzu­zahlen. Die Abrechnungs­rege­lun­gen seien sehr komplex und ge­legentlich umstritten. „In diesem Fall haben wir die Rechts­auffassung des BVA im Ver­gleichswege akzeptiert“, er­klärte der Vorstandsvor­sitz­ende der AOK, Günter Wälter­mann. „Pragmatische Lösungen sind manchmal gegenüber langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzu­zieh­en“, betonte er.

Wie die FAZ berichtete, war Wältermann nicht nur bereit, die zu viel kassierten 5,6 Milli­onen Euro zurückzuzahlen. Er akzeptierte demnach auch einen Strafzuschlag von 1,4 Millio­nen Euro, den das BVA in den Bescheid über sieben Millionen Euro Bescheid ein­ge­­rech­net hatte.

Das BVA ermittelt laut FAZ derzeit gegen elf Krankenkassen, die versucht haben sollen, ihre Lage auf Kosten der übrigen Kassen zu verbessern. Nur im Falle der AOK Rhein­land-Hamburg sei es einem BVA-Sprecher zufolge jedoch bislang zu einem Verfahren gekommen.

Das The­ma Upcoding beschäftigt derzeit auch die Bundespolitik. Der in der Union für Arzneimittel zuständige CDU-Politiker Michael Hennrich sieht laut FAZ in optimierter Pra­xis-IT eine Lö­sung. Da die Ärzte besser über die Wirkung neuer Arzneimittel informiert wer­den sollen, wäre dies ein Weg, die „richtige“ Diagnose festzustellen, sagte er.

Der Schweregrad einer Er­krankung machte sich an der registrierten Medikation fest. Ein anderer Ansatz wäre, Pa­tienten einzubinden, wie es in Amerika mit „open-notes“ erfolg­reich geschehe. Dann müssten Ärzte ihre Patienten über Diagnosen und Kodierung in­formieren. Damit sänke das Risiko, dass aus einer depressiven Verstimmung eine De­pression oder aus Rücken­beschwerden ein Bandscheibenvorfall würde, hieß es.

may/EB

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