Versorgung für Obdachlose unzureichend
Berlin – Gesundheits- und Sozialexperten halten die medizinische Versorgung von Obdachlosen in Deutschland für unzureichend. Bestehende Hilfseinrichtungen seien unterfinanziert und auf ehrenamtliches Engagement angewiesen, erklärten die Experten heute bei einem Fachgespräch im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Sie mahnen an, Finanzierung und Versorgungsstrukturen zu verbessern.
Bernhard Gibis von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sagte, die Regelversorgung sei für Obdachlose nicht gemacht. Um Betroffenen zu helfen, seien zahlreiche Ärzte ehrenamtlich im Einsatz. In manchen Bundesländern gebe es mobile Einheiten zur Versorgung von Wohnungslosen. Die Betroffenen bräuchten aber nicht nur medizinische Hilfe, denn viele hätten außerdem unterschiedlichste soziale Probleme.
Sabine Bösing von der BAG Wohnungslosenhilfe sagte, die meisten Obdachlosen seien auf umfassende medizinische Hilfe angewiesen, da sie unter schwierigsten Umständen lebten. Wichtig seien Angebote, um Betroffenen den Weg zurück in die Regelversorgung zu ermöglichen. Obdachlose könnten keine Zusatzleistungen kaufen oder Zuzahlungen entrichten. Auf der Straße hätten Obdachlose ein deutlich höheres Sterberisiko.
Wichtige Hilfsangebote für Obdachlose werden von kirchlichen Sozialverbänden organisiert. Kai-Gerrit Venske von der Berliner Caritas sprach von einem anwachsenden Problem. Wichtig seien der Ausbau von niedrigschwelligen Hilfsangeboten und deren gesicherter Finanzierung. Ein Problem sei die Bezahlung von Medikamenten in Ambulanzen. Für psychisch kranke und suchtkranke Obdachlose müsse ferner die Unterstützung ausgebaut werden.
Die aus Peru stammende Kinderchirurgin Jenny De la Torre Castro, die sich mit ihrer Stiftung um Obdachlose in Berlin kümmert, schilderte im Gesundheitsausschuss die Verzweifelung der Betroffenen und die Ausweglosigkeit aus dem Obdachlosen-Teufelskreis.
Viele Obdachlose hätten keinen Zugang zur Regelversorgung und kämen mit oft schweren Krankheiten und Verletzungen in Rettungsstellen, um anschließend gleich wieder auf der Straße zu landen. Betroffene litten unter offenen Beinen, Knochenbrüchen, Läusen, Hautkrankheiten oder Bronchitis, aber auch unter psychischen Erkrankungen und Angststörungen. Hinzu kämen Drogen und Alkohol.
Manche Obdachlose seien hoch verschuldet und auf der Suche nach Hilfe mit der Bürokratie überlastet. Auch in Obdachlosenheimen sei die Situation oft sehr schwierig. Die Ärztin versicherte nach langjähriger Erfahrung, kein Mensch sei freiwillig auf der Straße.
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