Vertragsärzte beschweren sich bei Scholz über das Gesundheitsministerium

Berlin – Vergangene Woche hatte sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit einem „Faktenblatt“ unter anderem zur Honorarentwicklung der vertragsärztlichen Versorgung an Journalisten gewendet. Das hatte die Ärzteschaft verärgert. Sie beschweren sich nun bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Was war passiert? Seit der vergangenen Woche laufen die Honorarverhandlungen für die ambulante ärztliche Versorgung. Zugleich hatten Ärzteverbände Protestaktionen angekündigt. Diese hatten auf einer Protestseite im Netz Fragen und Antworten bereitgestellt.
Die Ausführungen gefielen dem BMG offenbar nicht. Als Reaktion listete es in einem „Faktenblatt“ etwa auf, wie sich die Honorare aus Sicht des BMG entwickelt haben. Als Quelle nutzt das Haus von Bundesgesundheitsminister Lauterbach Zahlen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Was das Ministerium aber etwa nicht schrieb, ist, dass sich mit den gestiegenen Honoraren auch die Fallzahlen deutlich erhöht haben.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (Spifa) warf dem Ministerium daraufhin vor, sich auf eine Seite zu schlagen. Mitten in den beginnenden Honorarverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung über die Anpassung des Orientierungspunktwertes aufgrund der Inflation und der Mengenentwicklung, presche das BMG mit einem Papier an die Presse voran und bezichtige die Ärzteschaft der Verbreitung von Unwahrheiten, schrieb vergangene Woche der Spifa.
Dies sei ein schwerwiegender Eingriff in die „Tarifautonomie“ der gemeinsamen Selbstverwaltung. Das Bundesgesundheitsministerium habe aus Sicht des Ärzteverbands allenfalls eine Rechts-, aber keinesfalls die Fachaufsicht. „Es verstößt zudem mit diesem Vorgehen gegen seine staatliche Neutralitätspflicht.“
Heute dann die nächste Eskalationsstufe mit dem Brief an den Bundeskanzler, den die Allianz Deutscher Ärzteverbände – Hartmannbund, Medi Geno, Virchowbund, Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten und die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände unterzeichnet haben.
Sie schreiben, man habe „mit großem Befremden“ die Parteinahme des BMG im Zusammenhang mit den angelaufenen Honorarverhandlungen zur Kenntnis nehmen müssen. Das „Faktenblatt“ des Ministeriums sei „einseitig, in seinem Kern tendenziös und wäre ohne weitere Quellenangabe auch dem Kassenlager zuordenbar“. Das stelle in dieser Form der Einmischung einen klaren Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot dar.
Besonders erwähnswert finden die Ärzte den Abschnitt über „Umsätze“ der Praxisärzte während der Coronapandemie in den Jahren 2020 bis 2022. „Damit wird uns Ärztinnen und Ärzten stillschweigend unterstellt, an der Pandemie unlauter verdient zu haben“, hieß es. Die Impfkampagne wäre ohne die Impfungen in den Praxen kein Erfolg geworden.
„All dies ist nicht nur den Anstrengungen der Praxisärzte, sondern vor allem deren Praxisteams zu verdanken. Dass für Praxisteams und Organisation enorme Aufwendungen entstanden sind und den zusätzlichen Einnahmen entsprechend Kosten gegenüberstanden, blendet das Papier gezielt aus“, schreiben die Ärzteverbände.
Sie weisen darauf hin, dass in den Praxen mittlerweile Fachkräftemangel herrscht, insbesondere weil dort vergleichbare Gehälter von Angestellten in der stationären Pflege oder in den Krankenkassen nicht gezahlt werden könnten, obwohl diese Bereiche um dieselben Fachkräfte werben.
Diesen Bedarf unter den Tisch fallen zu lassen, während er für die Pflege und die gewerkschaftlich organisierten Sozialversicherungsangestellten der Krankenkassen akzeptiert sei, widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Dass dies durch ein SPD-geführtes Ministerium vorangetrieben werde, sei „unverständlich“.
Durch den einseitigen Fokus auf Umsätze zeichne das BMG ein tendenziöses Bild, das wider besseren Wissens verbreitet werde. Die Unfähigkeit des BMG, Strukturreformen auf den Weg zu bringen, die nachhaltig gewährleisten, dass Mittel zielgerichtet und effizient eingesetzt werden, sei „keine Entschuldigung für die einseitige Parteinahme“ für die Krankenkassen.
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir bitten Sie, den Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, diesbezüglich auf seine Pflichten hinzuweisen – insbesondere darauf, dass er in der aktuellen Verhandlungssituation strikte Neutralität zu wahren hat“, erklärten Norbert Smetak (Medi Geno), Anke Lesinski-Schiedat (Hartmannbund), Dirk Heinrich (Virchowbund), Christine Neumann-Grutzek (Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten) und Jörg-Andreas Rüggeberg (Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände).
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