Honorargespräche: Erste Runde ergebnislos vertagt

Berlin – Die Honorarverhandlungen über die Preissteigerungen für die ambulante Versorgung im kommenden Jahr sind zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband heute erwartungsgemäß ergebnislos geblieben.
Die Krankenkassen haben in der ersten Runde etwa 2,1 Prozent mehr Honorar (Orientierungswert) angeboten. Die KBV war mit Forderungen nach einem Plus von insgesamt 10,2 Prozent in die Gespräche gegangen, wie das Deutsche Ärzteblatt erfuhr. Das wäre ein Plus von rund vier Milliarden Euro.
„Die Krankenkassen verkennen völlig die aktuelle wirtschaftliche Situation der Arzt- und Psychotherapeutenpraxen, da sie sich ausschließlich mit veralteten Daten auseinandersetzen“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen heute nach den Gesprächen zu dem Angebot der Krankenkassenseite. Der KBV-Chef appellierte an sie, ihrer Pflicht zur ausreichenden Finanzierung der ambulanten Versorgung nachzukommen.
Die KBV hat für ihre Forderungen von 10,2 Prozent mehr Geld mehrere Gründe angegeben. Unter anderem sollen damit eine Inflationsausgleichsprämie, Energiekosten und auch höhere Gehälter für die Medizinischen Fachangestellten (MFA) abgedeckt werden. Enthalten sind rechnerisch zum Beispiel eine Erhöhung der MFA-Gehälter in Höhe von monatlich 300 Euro und 3.000 Euro als Inflationsausgleichsprämie je Arzt und Psychotherapeut.
Dass MFA zunehmend aus den Praxen abwandern, weil sie in den Krankenhäusern deutlich besser verdienen können, hatten die Niedergelassenen zuletzt mehrfach beklagt. Einmalzahlungen soll es – analog wie beispielsweise bei Tarifverhandlungen – nicht geben, hieß es.
Die KBV verlangt außerdem eine Dynamisierung sämtlicher Kostenpauschalen, unter anderem für die Dialyse und Laboruntersuchungen. Diese sollen künftig automatisch um die jährliche Steigerung des Orientierungswertes angehoben werden.
Eine weitere Forderung betrifft das aktuelle Problem der Arzneimittelengpässe. Durch den Austausch von Medikamenten sowie durch zahlreiche Rückfragen in den Praxen entsteht der KBV zufolge ein erheblicher Arbeitsaufwand in den Praxen. Dafür will die KBV eine pauschale Vergütung.
„Wir brauchen eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel, damit die Praxen noch arbeitsfähig sind“, betonte Gassen. Ansonsten würden mehr und mehr Ärzte ihren Leistungsumfang reduzieren müssen. Der Orientierungswert war zu Jahresbeginn um zwei Prozent angehoben worden; die Inflationsrate im ersten Quartal lag bei 8,3 Prozent.
Vom GKV-Spitzenverband hieß es, man habe „wirklich konstruktive Gespräche“ gehabt. „Zu den konkreten Inhalten können wir mit Blick auf die laufenden Verhandlungen nichts sagen – hier halten wir uns an die Vertraulichkeit“, sagte ein Sprecher des Kassenverbandes dem Deutschen Ärzteblatt.
Die nächste Verhandlungsrunde soll am 24. August stattfinden. Ärzteverbände und Kassenärztliche Vereinigungen hatten im Vorfeld der Gespräche bereits einen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich verlangt. Der NAV-Virchowbund hatte sogar ein Plus von 15 Prozent ins Feld geführt.
Vergleichszahlen würden zeigen, dass der ambulante Bereich seit Jahren von den anderen Preisentwicklungen im Gesundheitswesen abgehängt sei, so der Virchowbund. Die Basis für die ambulante Vergütung, der Orientierungspunktwert, sei in den vergangenen zehn Jahren nur um 14,9 Prozent gestiegen – im Schnitt 1,35 Prozent pro Jahr. Dies liege weit unter der Inflationsrate.
Der Vorsitzende des Arbeitskreises Ambulante Versorgung im Hartmannbund, Marco Hensel, kritisierte heute die „Verhandlungsstrategie“ der Krankenkassen und erinnerte an ihre Verantwortung für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung.
„Die Mischung aus Ignoranz und Arroganz, mit der die Kassen Jahr für Jahr in die Verhandlungen gehen, vermittelt fälschlicherweise den Eindruck, als ginge es hier um ihr Geld, das sie nach Gutdünken mehr oder weniger gnädig denen zuteilen, die die Versorgung ihrer Versicherten gewährleisten“, sagte Hensel.
So sehr die Kassen sich aber auch darin gefielen, Ärztinnen und Ärzten zu Behandlungsbeginn inakzeptable „Angebote“ vor die Füße zu werfen, dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht um ihr Geld, sondern um das ihrer Beitragszahler gehe.
Und in deren Interesse, da ist Hensel sicher, liege es nicht, die von ihnen genutzten Strukturen einer wohnortnahen medizinisch hochwertigen Versorgung kaputtzusparen. Dies sei kein verantwortungsvoller Umgang mit anvertrauten Versichertengeldern.
Dass die Kassen in diesem Zusammenhang regelmäßig das Bild des gierigen Spitzenverdieners zeichneten, helfe am Ende niemandem, wenn infolge unzureichender Honorare Praxen aus wirtschaftlichen Gründen nicht weitergeführt würden und sich die Versorgung verschlechtere.
„Es wäre am Ende auch ein gutes Zeichen für die Selbstverwaltung, wenn sich beide Verhandlungsseiten verantwortungsvoll verhalten und nicht von vornherein auf den Vermittler setzen – so wie das in den vergangenen Jahren leider regelmäßig von den Kassen erzwungen worden ist“, so Hensel.
„Selten waren die Honorarverhandlungen so wichtig wie in diesem Jahr“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes Markus Beier. Das Ergebnis werde sehr konkrete Auswirkungen auf die Versorgung in den kommenden Jahren haben.
Beier betonte, die Praxiskosten seien in den vergangenen Monaten und Jahren explodiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Miet-, Energie- und Personalkosten hätten ein absolutes Rekordniveau erreicht. Während diese Entwicklung in vielen anderen Branchen durch steigende Vergütungen und Gehälter zumindest teilweise abgefedert worden sei, seien die Niedergelassenen vor einem Jahr mit „lächerlichen zwei Prozent abgespeist“ worden. „Das darf sich auf keinen Fall wiederholen. Es braucht eine faire Anpassung im zweistelligen Prozentbereich.“
Beier glaubt, dass die Ärzteschaft ansonsten „schlicht und einfach mit den Füßen abstimmen und sich nach Alternativen umschauen“ wird. Das wäre für die Versorgung der Menschen fatal. Auch die Krankenkassen müssten irgendwann einmal verstehen, dass ein System ohne eine angemessen finanzierte ambulante Versorgungsebene teurer und nicht günstiger werde.
Kritik übte er auch an der Politik, die Millionen und Milliarden für teure und unsinnige Parallelstrukturen ausgebe, während die Niedergelassenen im Regen stehen gelassen würden. „Wer Geld für Gesundheitsregionen und Gesundheitskioske hat, der hat auch Geld für eine faire Bezahlung der Hausärztinnen und Hausärzte“, sagte Beier.
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