Ärzte werfen Ministerium Einflussnahme auf Honorarverhandlungen vor

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat sich mit einem „Faktenblatt“ unter anderem zur Honorarentwicklung der vertragsärztlichen Versorgung an Journalisten gewendet. Das sorgt nun für Streit. Brisant: In dieser Woche sind nicht nur die Honorarverhandlungen um die ambulante ärztliche Versorgung gestartet. Zugleich haben Ärzteverbände Protestaktionen angekündigt.
In dem Faktenblatt listet das Ministerium etwa auf, wie sich die Honorare entwickelt haben. Als Quelle nutzt das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Zahlen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Was das Ministerium aber etwa nicht schreibt, ist, dass sich mit den gestiegenen Honoraren auch die Fallzahlen deutlich erhöht haben.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (Spifa) wirft dem Ministerium heute vor, sich auf eine Seite zu schlagen. Mitten in den beginnenden Honorarverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung über die Anpassung des Orientierungspunktwertes aufgrund der Inflation und der Mengenentwicklung, presche das BMG mit einem Papier an die Presse voran und bezichtige die Ärzteschaft der Verbreitung von Unwahrheiten, schreibt der Spifa.
Dies sei ein schwerwiegender Eingriff in die „Tarifautonomie“ der gemeinsamen Selbstverwaltung. Das Bundesgesundheitsministerium habe aus Sicht des Ärzteverbands allenfalls eine Rechts-, aber keinesfalls die Fachaufsicht. „Es verstößt zudem mit diesem Vorgehen gegen seine staatliche Neutralitätspflicht.“
Das Ministerium hatte in dem Anschreiben an die Journalisten geschrieben: „Der angekündigte konzertierte Kampagnenversuch der Ärzteverbände ist mit dermaßen vielen Halbwahrheiten durchsetzt, dass wir Ihnen für eine ausgewogene Berichterstattung gerne ein Faktenpapier zur ambulanten Versorgung zur Verfügung stellen, das Sie im Anhang finden.“
Für den Spifa bestätigt das Vorgehen die Befürchtungen, die manch einer bei der Neubesetzung von Ministeriumsposten gehegt habe. Dort seien einige ehemalige Mitarbeiter des GKV-Spitzenverbandes untergekommen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach habe zwar immer wieder betont, dass er sich von „Lobbyisten“ nicht beeinflussen lassen wolle – die säßen aber bei ihm längst im Haus.
Die Rede ist unter anderem von Michael Weller, ehemaliger Stabschef Politik im GKV-Spitzenverband, der mittlerweile die Abteilung 2 im BMG leitet („Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung). Sie befasst sich unter anderem mit der Finanzierung von Krankenkassen und Krankenhäusern. Der Spifa betont heute, die Personalpolitik im BMG sei „ein Fall für das Lobbyregister“, das die Ampelkoalition jüngst beschlossen habe.
Dass die deutsche Ärzteschaft sich bereits seit Monaten im Protestmodus befinde, liegt dem Spifa zufolge an den „kontinuierlichen Übergriffen seitens der Politik in die Selbstverwaltung“ und ihr „Versinken im regulatorischen Klein-Klein“. Die Politik müsse vielmehr die strukturellen Probleme lösen.
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