Vor dem Diesel-Gipfel: Forderung nach mehr Gesundheitsschutz

Berlin – Vor dem „Diesel-Gipfel“ von Bundesregierung und Autoindustrie haben Umweltschützer von Greenpeace heute vor dem Bundesverkehrsministerium dafür demonstriert, die Bevölkerung besser vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Millionen Diesel-Pkw seien auf der Straße, die deutlich mehr Stickoxid ausstießen als erlaubt. „Die fortgesetzte Untätigkeit des Verkehrsministers grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, erklärte Energieexperte Niklas Schinerl.
Im Morgengrauen projizierten die Umweltschützer in riesigen Buchstaben die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Stickoxide (NOx) seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 an die Fassade, dies sind nach ihren Berechnungen 19.807 Sterbefälle. Die Berechnung fußt auf Daten der Europäischen Umweltagentur, wonach hohe Stickoxidwerte in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursachen.
Übermorgen wollen sich Bund, betroffene Länder und die Autobranche in Berlin treffen, um über Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Dieselautos zu sprechen. Die Industrie hat bisher nur Softwareupdates angeboten. Dadurch wird der Ausstoß gesundheitsschädigender Stickoxide laut Verkehrsministerium im Durchschnitt um 40 Prozent bis 50 Prozent reduziert.
Nachdem beim Porsche Cayenne illegale Diesel-Software aufgefallen war, überprüft das Bundesverkehrsministerium nach eigenen Angaben „alle Drei-Liter-Modelle des VW-Konzerns, auch ohne konkrete Hinweise“, sagte ein Sprecher heute. Er betonte auch, die Bundesregierung wolle beim Gipfel mit einer Stimme sprechen. Die Abstimmungen dafür liefen „auf den letzten Metern“. Vor allem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist der Meinung, dass Softwareupdates alleine nicht ausreichen.
„Wir brauchen eine starke und innovative, aber auch ehrliche Autoindustrie“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe von Berichten über mögliche Absprachen der Hersteller aus der Presse erfahren. Die EU-Kommission prüft Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche unter anderem in technischen Fragen und teilweise beim Einkauf abgesprochen haben sollen. Die Kartellwächter müssen entscheiden, ob die Absprachen illegal waren.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert unterdessen einen verpflichtenden Rückruf und Nachrüstungen für alle Diesel der Abgas-Normen Euro 5 und Euro 6. Diese Fahrzeuge müssten alle so am Motor nachgerüstet werden, dass sie den Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxid-Ausstoß pro Kilometer bis minus 15 Grad Außentemperatur einhielten, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch heute in Berlin.
Die Kosten lägen Resch zufolge im Schnitt bei 1.500 Euro pro Auto, damit kämen auf die gesamte Branche Kosten von etwa 13,5 Milliarden Euro zu. „Davon wird niemand überfordert.“ Resch beruft sich für die Kostenschätzung auf einen Versuch mit einen VW-Passat der Klasse Euro 5. Die bisher geplanten „Updates“ der Motorsoftware hält Resch für nicht ausreichend und zudem in der geplanten Form für nicht rechtens.
Den Nachbesserungen solle kein Genehmigungsverfahren vorausgehen, sondern nur im Nachhinein geprüft werden. Dagegen wolle die DUH mit allen rechtlichen Möglichkeiten vorgehen. Der für Umwelt- und Verbraucherschutz engagierte Verein hatte sich vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht vergangene Woche mit der Einschätzung durchgesetzt, dass Fahrverbote für Diesel rechtens wären, wo die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide überschritten werden.
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