Politik

Saubere Luft: Gericht sieht keine Alternative zu Fahrverbot

  • Freitag, 28. Juli 2017
„Am Neckartor“ – laut UBA-Luftverschmutzungsdaten Deutschlands schmutzigste Kreuzung.
„Am Neckartor“ – laut UBA-Luftverschmutzungsdaten Deutschlands schmutzigste Kreuzung. /dpa

Stuttgart – Besitzer älterer Dieselwagen müssen nach einer Entscheidung des Stutt­garter Verwaltungsgerichts weiter mit Fahrverboten rechnen. Die geplanten Software-Updates, die beim nationalen Diesel-Gipfel am 2. August festgeklopft werden sollen, seien kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luft, argumentierte Verwaltungs­richter Wolfgang Kern heute. Er machte klar: Der Gesundheitsschutz in der Stadt sei höher zu bewerten als die Interessen der Dieselfahrer. Das Land Baden-Württemberg muss demnach seinen Plan zur Luftreinhaltung in Stuttgart deutlich nachbessern.

Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber weiter offen. Das Land will das Urteil zunächst prüfen und dann sehen, welche Schritte einzuleiten sind, sagte ein Sprecher. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht. Dort liegt schon ein ähnlicher Fall aus Düsseldorf zur Entscheidung. Das Stuttgarter Urteil könnte auch die Debatte um Fahrverbote in anderen Großstädten wie München oder Berlin beeinflussen.

Verringerung des Schadstoffes nur minimal

Laut Richter Kern wäre ein ganzjähriges Verkehrsverbot die effektivste und derzeit einzige Maßnahme zur Einhaltung der oftmals erheblich überschrittenen Emissions­grenzwerte für Stickstoffdioxid. Diese werden in Stuttgart teils um das Doppelte über­schritten. Komme das Land der gesetzlichen Vorgabe – einer „schnellstmöglichen Einhaltung“ der Grenzwerte – nach, müsste das Verbot zum 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden. Unklar ist die Art der Umsetzung. Zur Not müsse das Land Zusatz­schilder zur Umweltzone selbst gestalten.

Baden-Württemberg scheiterte damit auch mit dem Versuch, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren Verbote zu verhindern. Das Land dürfe sich bei der Luft­rein­haltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie irgendwie handelt, erklärte Kern.

Außerdem hatte er bei der Verhandlung von Experten des Landes erfahren, dass die bisher von der Industrie angedeuteten Nachrüstungen am Neckartor – Deutschlands schmutzigster Kreuzung – im allerbesten Fall eine Verringerung der Schadstoffe um neun Prozent bringen würden. Und dies sei „von maximalem Optimismus getragen“, so Kern – sowohl, was die Bereitschaft der Autobesitzer zur Nachrüstung angehe, als auch, was die technischen Möglichkeiten betreffe.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Klägerin in dem Verfahren ist ihrem Ziel ganzjäh­riger und genereller Fahrverbote für Diesel nun einen Schritt nähergekommen. Das Urteil sei gut für alle Großstädte. „Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, die Luft in unseren Städten mit giftigem Dieselabgas zu verschmutzen“, sagte DUH-Geschäfts­führer Jürgen Resch. Das Signal an die Autobranche laute: „Es muss Schluss sein mit dem Verkauf schmutziger Diesel.“ Mit Blick auf den Diesel-Gipfel betonte er, dass Softwareupdates nicht ausreichten. „Sie müssen es so machen, dass es funktioniert.“

Blaue Plakette nicht vom Tisch

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte gestern bei einem Besuch der VW-Zentrale in Wolfsburg ebenfalls angedeutet, dass aus ihrer Sicht Fahrverbote längst nicht vom Tisch sind. Sie sieht nun die Autobranche am Zug. Es sei höchste Zeit, „dass die Autoindustrie in eigener Verantwortung dafür sorgt, dass es nicht zu Fahrverboten kommt“, sagte die SPD-Politikerin heute in Hamburg.

Einig waren sich in Stuttgart alle Beteiligten, dass die wirksamste Maßnahme für weni­ger Schadstoffe nicht nur hier die Einführung einer Blauen Plakette als Einfahrts­berech­tigung in die Umweltzone wäre. Diese Plakette würden Dieselfahrzeuge nur erhalten, wenn sie die Abgasnorm Euro-6 erfüllen. Warum die schwarz-rote Bundes­regierung diesen Wunsch auch anderer Großstädte nicht erfülle, sei nicht nur dem Land und der DUH, sondern auch dem Gericht schleierhaft, sagte Kern in der Verhandlung. Das Verhalten Berlins sei da „indiskutabel“.

dpa

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