Weiter Kritik in Bayern am Psychiatriegesetz

Berlin – Die Debatte um die Novelle des Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsychKHG) ebbt nicht ab. Jetzt haben auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, der Betroffenenrat und ein Aktionsbündnis aus Psychotherapeuten, Sozialverbänden und weiteren Organisationen das geplante Psychiatriegesetz kritsiert.
Der Gesetzesentwurf trage in seiner derzeitigen Form maßgeblich zur Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen bei und erschwere es Hilfesuchenden in psychischen Krisenzuständen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, heißt es in einer Stellungnahme des Betroffenenrats. Damit könne das Gesetz unter anderem „einer erhöhten Motivation zum Suizid Vorschub“ leisten.
Gleichsetzung bedeutet Kriminalisierung
Nach der ersten Lesung in der vergangenen Woche im Bayerischen Landtag soll es in der kommenden Woche weitere Anhörungen geben. Rörig und der Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs kritisieren insbesondere, dass psychisch kranke Menschen in erster Linie als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft angesehen würden. Viele von ihnen seien selbst Opfer, etwa von Missbrauch und Gewalt, und seien erst dadurch krank geworden.
Neben diversen Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte psychisch erkrankter Menschen stelle der Gesetzesentwurf sie „pauschal an diversen Punkten mit gewaltausübenden Straftäterinnen und Straftätern gleich“, heißt es weiter in der Stellungnahme. „Diese Gleichsetzung bedeutet eine Kriminalisierung. Sie ist falsch und stigmatisierend.“ Entgegen vieler Vorurteile seien psychisch erkrankte Menschen „wie wissenschaftlich wiederholt nachgewiesen worden ist, nicht häufiger gewalttätig gegenüber anderen Menschen als psychisch nicht diagnostizierte“.
Von einem Interesse an der Wahrung der Menschenwürde sei im Gesetzentwurf nichts zu sehen, heißt es weiter. Stattdessen werde mit der Ausrichtung auf die angenommene Gefahr für andere argumentiert, „um Persönlichkeitsrechte einzuschränken und den Schutz der Privatsphäre psychisch erkrankter Menschen massiv zu beschneiden“. Der Entwurf könne zudem die Hemmschwelle für die Suche nach Hilfe erhöhen. Stattdessen könnten sich Betroffene gezwungen sehen, mit dem Krisenzustand alleine zu bleiben. Ein Gesetz, bei dem solche Folgen absehbar seien, müsse verhindert werden.
Ziel verfehlt
Eine gemeinsame Stellungnahme hat auch das Aktionsbündnis zum Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz vorgelegt. Demnach erfüllt die Reform „in keiner Weise die Anforderungen an ein modernes Gesetz zum Umgang mit Menschen in seelischen Krisen und zur Abwehr der mit solchen Krisen verbundenen Gefahren“. Entgegen seinem Titel stelle das Gesetz die Gefahrenabwehr ganz in den Vordergrund. Akut psychisch kranke Menschen würden wie Kriminelle behandelt und ihre Unterbringung in Krisen solle nach den Vorschriften des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter erfolgen.
Das Aktionsbündnis fordert die Politik in Bayern zu einer ganzen Reihe von Korrekturen auf. Zum Beispiel müssten die Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen über die Etablierung eines flächendeckenden Krisendienstes hinausgehen und auch eine deutliche Stärkung der Selbsthilfe umfassen. Darüber hinaus müsse eine kurzfristige Unterbringung in Krisen an den Bedürfnissen akut schwer kranker Menschen ausgerichtet sein und nicht an den Regeln des auf Jahre angelegten Maßregelvollzugs für psychisch kranke Rechtsbrecher.
Die Speicherung von Daten der Betroffenen in einer Unterbringungsdatei lehnt das Bündnis ab. Dies stelle einen extrem unverhältnismäßigen Eingriff in Persönlichkeitsrechte dar, der im Sinne der Gefahrenabwehr keinerlei positive Wirkung haben wird. Vorgeschlagen wird stattdessen ein anonymisiertes Register über Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen. Auch müssten flächendeckend unabhängige Beschwerdestellen eingerichtet werden.
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