Ärzteschaft

Wenker nennt Immunitätsausweis „Etikettenschwindel“

  • Montag, 29. Juni 2020
Martina Wenker /Jürgen Gebhardt
Martina Wenker /Jürgen Gebhardt

Hannover – Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker hat sich gegen die Einführung eines Coronaimmunitätsausweises ausgesprochen. Notwendig sei zunächst der wissenschaftliche Nachweis, dass die Bildung von Antikörpern tatsächlich zu einer lebenslangen Immunität führe, sagte die Lungenfachärztin. Dazu gebe es noch keine va­lide Langzeituntersuchung.

„Ein Antikörpernachweis ist nicht viel wert: Er sagt mir nicht, ob ich die Krankheit nicht noch einmal bekommen kann und auch nicht, ob ich nicht noch andere Menschen anste­cken kann“, erläuterte sie. Neben den medizinischen Gründen sprechen aus Wenkers Sicht ethische Gründe gegen die Einführung eines solchen Ausweises.

Das Bundeskabinett hatte sich bereits Ende April mit dem Thema befasst. Für den Fall, dass es demnächst gesicherte Erkenntnisse zur Immunität nach einer Coronainfektion ge­ben sollte, soll eine Bescheinigungsmöglichkeit dafür kommen – ähnlich wie im Impf­pass.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat aber zunächst den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten. Das Gremium berät zurzeit über das Thema. Neben der Opposition hatte sich auch SPD-Chefin Saskia Esken skeptisch über Pläne für Immuni­täts­nachweise geäußert.

Wenker kritisierte, dass ein Hamburger Start-Up-Unternehmen bereits Immunitätsaus­wei­se angekündigt habe. „Das ist ein Etikettenschwindel“, sagte sie. „Ich halte es für ausge­sprochen gefährlich, hier eine Scheinsicherheit zu suggerieren. Da hört das Geschäftema­chen auf.“

Mit dem Anreiz eines solchen Ausweises stehe zudem zu befürchten, dass sich Menschen bei Coronapartys ähnlich wie bei Masernpartys ansteckten, sagte Wenker: „Dieses kann schlimmstenfalls zu einer unkontrollierten Überlastung unseres Gesundheitssystems füh­ren.“ Ältere und Risikogruppen, die eine Infektion mit dem neuartigen Erreger vermeiden müssten, würden dann möglicherweise als Mundschutzträger stigmatisiert.

„Mich erinnert das an den Beginn der Aidsepidemie in den 1980ern“, sagte die Medizine­rin. „Spätestens seit Aids ist klar, dass eine Kategorisierung von Menschen, die infiziert werden oder andere infizieren könnten, nicht nur falsch ist, sondern die Bekämpfung von Infektionskrankheiten erheblich erschwert.“

dpa

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