WHO-Report: Umweltkatastrophen und Kriege lassen Zahl der Malaria-Erkrankungen ansteigen

Genf – Trotz eines verbesserten Zugangs zu Insektiziden und präventiven Medikamenten und einem ersten Einsatz von Impfstoffen steigt die Zahl der Malaria-Erkrankungen. Der aktuelle Jahresbericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verzeichnet für 2022 weltweit 249 Millionen Erkrankungen und 608.000 Todesfälle. Bei den Erkrankungen bedeutet dies einen Anstieg um 5,5 Millionen, an dem eine Flutkatastrophe in Pakistan und der Krieg in Äthiopien beteiligt waren.
Die Zahl der Malaria-Erkrankungen war zwischen 2000 und 2019 von 243 Millionen auf 233 Millionen zurückgegangen. Im Jahr 2020 gab es vermutlich bedingt durch die COVID-19-Pandemie einen Anstieg um elf Millionen Fälle, im Jahr 2021 waren die Zahlen konstant geblieben. Im Jahr 2022 stieg die Zahl erneut um 5,5 Millionen an.
Der Anstieg entfiel hauptsächlich auf die fünf Länder Pakistan, Äthiopien, Nigeria, Uganda und Papua-Neuguinea. Pakistan verzeichnete mit 2,1 Millionen Erkrankungen fünf Mal mehr als in den Jahren zuvor. Ursache war die Flutkatastrophe nach dem stärksten Monsun seit mehr als 30 Jahren. Es handelte sich zwar um ein meteorologisches Ereignis. Der Klimawandel fördert jedoch nach Einschätzung der meisten Forscher solche Extremwetter.
In Äthiopien und Nigeria stiegen die Erkrankungszahlen um jeweils 1,3 Millionen. Der Anstieg in Äthiopien (32 Prozent gegenüber dem Vorjahr) war in erster Linie auf den Krieg mit Eritrea zurückzuführen. Kriegerische Konflikte haben auch in Myanmar zu einem Anstieg der Malariafälle geführt von 78.000 Fällen im Jahr 2019 auf 584.000 Fälle im Jahr 2022. In Nigeria war der Anstieg primär eine Folge der Bevölkerungsexplosion. Die beiden anderen Länder mit einem ungewöhnlichen Anstieg der Erkrankungen waren Uganda (+597.000) und Papua-Neuguinea (+423.000).
Der Anstieg der Erkrankungen ereignete sich vor dem Hintergrund verbesserter Präventionsbemühungen. Im letzten Jahr wurden in Afrika 260 Millionen mit Insektiziden imprägnierte Bettnetze an die Länder in Subsahara-Afrika geliefert, ein Anstieg um 40 Prozent gegenüber 2021. Beim „Indoor Residual Spraying“ (IRS), das die Schutzwirkung der Bettnetze verstärken kann, kam es dagegen zu einem Rückgang von 153 Millionen (2010) auf 62 Millionen (2022) Anwendungen.
Ausgeweitet wurde auch die saisonale Malaria-Chemoprävention (SMC) von Kleinkindern, die in den subtropischen Ländern Afrikas (Sahelzone) während der Regen- und Malaria-Saison monatlich durch die Gabe von Sulfadoxin-Pyrimethamin plus Amodiaquin vor einer Erkrankung geschützt werden. Inzwischen haben 35 afrikanische Länder die SMC eingeführt. Zugenommen hat auch der Anteil der schwangeren Frauen, die vorbeugende Medikamente erhalten. Im Jahr 2020 waren dies in den Risikogebieten 42 Prozent gegenüber 34 Prozent im Jahr 2021 und einem Prozent im Jahr 2010.
Auch die Zahl der Impfungen hat zugenommen. Im Rahmen des von der WHO koordinierten Implementierungsprogramms haben in Ghana, Kenia und Malawi mehr als zwei Millionen Kinder mindestens eine Dosis des Impfstoffs RTS,S erhalten. Die Zahl der frühkindlichen Todesfälle ist laut dem Report in den drei Ländern um 13 Prozent gesunken. Die WHO hofft, dass der im Oktober 2023 zugelassene zweite Impfstoff R21 die Zahl der Todesfälle bei Kleinkindern weiter senkt.
In der Behandlung der Kinder mit den (noch) hochwirksamen Artemisinin-Kombinationen hat es keine Verbesserungen gegeben, wobei die Verantwortung wohl auch bei den Eltern liegt. Noch immer verzichtet ein Drittel bei einer fiebrigen Erkrankung des Kindes auf eine medizinische Betreuung.
Eine Prävention kann die Malaria eindämmen, und die rechtzeitige Behandlung kann Todesfälle verhindern. Die WHO schätzt, dass seit 2000 etwa 2,1 Milliarden Erkrankungen und 11,7 Millionen Todesfälle an der Malaria verhindert wurden. Einige Länder haben auch 2022 gute Fortschritte gemacht: 34 Länder meldeten weniger als 1.000 Erkrankungen, verglichen mit nur 13 Ländern im Jahr 2000. Allein in diesem Jahr wurden drei weitere Länder von der WHO als malariafrei zertifiziert – Aserbaidschan, Belize und Tadschikistan – und mehrere andere sind auf dem Weg zur Eliminierung der Krankheit im kommenden Jahr.
In den elf Ländern mit der höchsten Malariabelastung ist die Bilanz durchwachsen. In Indien ist die Zahl der Erkrankungen um 30 Prozent gesunken. In Nigeria ist sie dagegen gestiegen. Auf Nigeria entfallen 44 Prozent aller weltweiten Malaria-Todesfälle. Obwohl die WHO die Hilfe im „High burden to high impact“ (HBHI)-Ansatz intensiviert hat, entfallen auf diese Länder weiterhin 167 Millionen Erkrankungen und 426.000 Todesfälle.
Für die Zukunft sieht die WHO Probleme in mehreren Bereichen. Neben dem Klimawandel, laut WHO eine der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit, und den sich wiederholenden humanitären Krisen bereitet vor allem die zunehmende Ausbreitung der (bisher nur teilweisen) Resistenz der Plasmodien gegen Artemisinin Sorgen. In einigen Ländern haben sich auch Malaria-Mücken ausgebreitet, die gleich gegen mehrere Insektizide resistent sind.
Mit Besorgnis betrachtet die WHO auch die Invasion von Anopheles stephensi. Der Überträger hat von Südasien aus über die arabische Halbinsel Afrika erreicht. A. stephensi kann im Gegensatz zu den einheimischen Mücken auch in Städten gut überleben. Probleme könnte in Zukunft auch P. knowlesi bereiten. Dieser Parasit hat in der Vergangenheit vor allem Affen infiziert. In den letzten Jahren haben sich in Südostasien Erkrankungen beim Menschen gehäuft, die schwer verlaufen und innerhalb kurzer Zeit tödlich enden können.
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