Politik

Wissenschaftsrat für stärkere Akademisierung der Gesundheits­fachberufe

  • Montag, 23. Oktober 2023
/Minerva Studio, stock.adobe.com
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Berlin – Der Wissenschaftsrat empfiehlt eine vermehrte wissenschaftliche Qualifikation in den Gesundheits­fachberufen. Neben der Vollakademisierung der Hebammen sollten künftig bis zu 20 Prozent der weiteren Angehörigen der Gesundheitsfachberufe akademisch ausgebildet werden, heißt es in den Empfehlungen an­lässlich seiner Herbstsitzungen.

„Wenn wir unsere Gesundheitsversorgung auf dem heutigen Niveau halten und möglichst verbessern wollen, brauchen wir attraktive Gesundheitsfachberufe mit einer größeren Autonomie und Entscheidungskompetenz“, betonte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Wolfgang Wick, heute vor der Presse.

Angesichts einer älter, kränker und pflegebedürftiger werdenden Gesellschaft und dem Fachkräftemangel im Gesundheitssystem sei es dringend notwendig, hochschulisch qualifizierte Kräfte auszubilden und die dahin­terstehenden wissenschaftlichen Disziplinen weiterzuentwickeln, sagte der Ärztliche Direktor der Neurologi­schen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Die dafür nötigen Voraussetzungen müssten rasch geschaff­en werden. Dabei sollte der Fokus auf den Auf- und Ausbau primärqualifizierend-dualer Studiengänge ge­richtet sein.

„Wir suchen jetzt schon händeringend Personal“, berichtete der Neurologe. Mangelnde pflegerische Versor­gung kritischer Bereiche führe in manchen Kliniken bis zu deren Schließung. Zugleich hätten erhöhte Zu­weisungen aus Pflegeheimen in Notaufnahmen eine Überlastung der Notfallambulanzen zur Folge. Ferne drohe eine Unterversorgung mit Gesundheitsleistungen in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten.

Gleichzeitig würden auch die Anforderungen an die Gesundheitsfachberufe, also die Pflege-, Hebammen- und Therapieberufe, zu denen Physiotherapie- und Ergotherapie sowie Logopädie und Sprachtherapie zählen, steigen, erläuterte Anja Boßerhoff, Leiterin des Lehrstuhls für Biochemie und Molekulare Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats.

Es würden immer mehr Aufgaben aus dem stationären in den ambulanten Sektor verlagert, die fachliche und kommunikative Kompetenz erforderten, etwa zur Aufklärung über Prävention, Rehabilitation und palliative Versorgung. Auch die zunehmende Technisierung und Digitalisierung mache eine Ausbildung auf hohem Niveau erforderlich. „Die bestehenden Probleme erfordern dringend Lösungen und zeigen, dass es ein ,Weiter so‘ nicht geben kann“, sagte Boßerhoff.

Als wichtige strukturbildende Maßnahmen empfiehlt der Rat die Einrichtung und Förderung von Zentren für Forschung, Lehre und Versorgungssteuerung, die vorhandene Expertise zusammenführen und stärken können. Außerdem sollten die Gesundheitsfachberufe nach seiner Ansicht stärker institutionell an den Universitäten verankert werden.

Der Ausbau der Forschung und die Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen seien dabei wesentliche Voraussetzungen, so Boßerhoff. Die Attraktivität der Studiengänge könne beispielsweise durch eine Vergütung der Praxiseinsätze im Pflegestudium gesteigert werden, analog zur bereits bestehenden Vergütung in der nicht-akademischen Ausbildung.

Gleichzeitig müsse der Übergang in die Berufspraxis besser gestaltet werden. Wichtig seien Autonomie und berufliche Zielpositionen für hochschulisch qualifizierte Gesundheitsfachpersonen und dauerhafte Karriere­wege in Versorgung und Wissenschaft.

Ähnliche Hinweise hatte der Rat bereits 2012 mit seien „Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen“ gegeben. Jetzt sei es „dringlich“, sagte Wick. Mit den aktuellen Empfehlungen wolle man die Hochschulen und die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene genauso ansprechen wie Krankenhäuser, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen sowie die Sozialversicherungsträger. „Alle Akteure müssen an einem Strang ziehen.

ER

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