Politik

Notfallversorgung: Marburger Bund legt Reformvorschläge vor

  • Dienstag, 9. Mai 2017
Eingang zur Notaufnahme
/ghazii, stock.adobe.com

Berlin – Die Debatte um die Notfallversorgung spitzt sich kurz vor dem Deutschen Ärzte­tag sowie den Tagen vor der letztmöglichen Gesetzgebung dieser Legislatur­periode zu: Gleich mehrere Ärzteorganisationen – darunter die Bundesärztekammer (BÄK) und der Marburger Bund (MB) – stellen dazu in diesen Tagen ihre Konzepte und Thesen­papiere vor. Gleichzeitig wird in der kommenden Woche am Mittwoch das Blut- und Gewebe­ge­setz im Gesundheitsausschuss des Bundestag beraten – eine letzte Möglich­keit vor der Bundestagswahl, gesundheitspolitische Anliegen vom Gesetzgeber regeln zu lassen.

Bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers des Marburger Bundes zu einer Struktur­re­form der medizinischen Notfallversorgung betonte Verbandsvorsitzender Rudolf Henke, dass Patienten durch die Vielzahl der Regelungen sowie Telefonnummern nicht mehr selbstständig den richtigen Ort zur Versorgung ihres gesundheitlichen Problems fänden. Gleichzeitig ließen sie sich nicht durch Gebühren oder mehr Informationen steuern. Da­her fordert der Verbandsvorsitzende alle Ärzte auf, gemeinsam an einer Strukturreform zu arbeiten.

Henke: Ärzte sollen sich mehr als zwei Minuten Zeit nehmen

In der Debatte um die Abklärungspauschale, bei der Kliniken bei ambulanten Patienten 4,74 Euro tagsüber bekommen, hob er heraus, es sei gut, dass es nun eine Vergütung gebe. Die vor allem von der Deutschen Krankenhaus­gesellschaft (DKG) formulierte Re­chnung, mit diesen 4,74 Euro könnten zwei Arztminuten finanziert werden, wollte Henke aber nicht gelten lassen. „Wir rufen alle Mitglieder des Marburger Bundes auf, sich zivil­couragiert gegen diese Zumutungen zu verweigern und sich mehr als diese zwei Minuten Zeit für die Patienten zu nehmen. Uns interessiert die medizinische Versorgung mehr als die betriebswirtschaftliche Bilanz des Krankenhauses“, so Henke.

Auch Susanne Johna, Mitglied des MB- sowie BÄK-Vorstandes, erklärte: „Wir als Kran­kenhausärzte wollen uns auch in diese Diskussion um die Notfallversorgung einbringen. Denn unsere Position als Klinikärzte ist nicht immer deckungsgleich mit der der Kranken­hausbetreiber.“ Johna, die die Arbeitsgruppe zum MB-Vorschlag zur Notfall­versorgung leitete, betonte, dass bei der künftigen Notfallversorgung Klinik- und Ver­trags­­ärzte mehr miteinander arbeiten müssten. Dazu gehöre beispielsweise die techni­sche Vernetzung der Untersuchungsdaten von Patienten. Auch müsse es möglich sein, die Notfallruf­num­mern 112 und 116117 zusammenzuschalten und bereits dort Patienten zu beraten.

MB für ein Triage-System

In dem Papier plädiert der Klinikärzteverband auch für ein Triage-System zur Einschät­zung der Behandlungsdringlichkeit. „Dafür müssen einheitliche Standards für alle Anlauf­stellen der Notfallversorgung festgelegt werden“, heißt es in dem Papier. Der Verband spricht sich ebenso dafür aus, dass Zielgrößen definiert werden, „ab denen eine durch Vertragsärzte betriebene Notdienstpraxis am Krankenhaus sinnvoll ist.“ Dies müsse regi­onal unterschiedlich geregelt werden, auch solle der Fahrdienst, den einige Kassen­ärzt­lichen Vereinigungen besonders für immobile Patienten anbieten, erhalten bleiben.

Henke sieht allerdings das Problem in der Selbstverwaltung, dass „die Lust, etwas zu ver­ändern, begrenzt ist.“ Er sieht auch den Gesetzgeber in der Pflicht, die Einigung vor dem Schiedsamt zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), GKV-Spitzen­ver­band gegen die Stimme der DKG zu den Abklärungspauschalen zu korri­gieren. „Die DKG hatte hier kein Vetorecht, somit konnte keine gute Einigung zustande kommen“, so Hen­ke, der als CDU-Politiker auch Mitglied im Bundestag ist. Nach seiner Aussage sei auch der Bundesgesundheitsminister bereit, Änderungen vorzuneh­men. Möglich wäre dies in dieser Legislatur allerdings nur noch, wenn ein entsprechen­der Änderungsantrag kom­mende Woche im Gesundheitsausschuss beraten wird.

Henke plädierte auch dafür, dass es mehr finanzielle Mittel für die Notfallversorgung ge­ben müsse. Auf eine konkrete Zahl wollte er sich vor Journalisten allerdings nicht fest­legen, bei etwa 500 Millionen Euro zusätzlich müsse man die Diskussion aber starten.

Gegen mehr Geld für die Notfallversorgung hat sich die KBV anlässlich des Papieres des Marburger Bundes positioniert. „Das Thema Notfallversorgung ist ein zu wichtiges The­ma, als dass es auf die Forderung nach mehr Geld für eine bestimmte Interessen­gruppe reduziert werden sollte“, erklärte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. „Ich rufe die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den Marburger Bund dazu auf, mit uns in den Dialog zu treten. Gemeinsame Lösungen finden, lautet das Gebot der Stunde“, so Gassen in einer Mitteilung.

Die DKG erklärte, den „Ruf nach einer besseren Abstimmung und Zusammenarbeit“ auf­zu­nehmen. Allerdings: „Die Krankenhäuser weisen den Vorwurf zurück, dass sie undiffe­ren­ziert und unbegründet nach immer mehr Geld rufen würden“, sagte der Hauptge­schäftsführer der DKG, Georg Baum, laut einer Mitteilung. „Als Zeichen einer wirklich konstruktiv gemeinten Dialogbereitschaft fordern wir die KBV auf, den Bewer­tungsaus­schuss einzuberufen und den Beschluss über die 4,74 Euro umgehend zu korrigieren“, so Baum weiter.

Am Donnerstag will auch die Bundesärztekammer ein Strukturpapier zur Notfall­versor­gung im Vorfeld des 120. Deutschen Ärztetages Ende Mai in Freiburg vorlegen. 

bee

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