Notfallversorgung: Marburger Bund legt Reformvorschläge vor

Berlin – Die Debatte um die Notfallversorgung spitzt sich kurz vor dem Deutschen Ärztetag sowie den Tagen vor der letztmöglichen Gesetzgebung dieser Legislaturperiode zu: Gleich mehrere Ärzteorganisationen – darunter die Bundesärztekammer (BÄK) und der Marburger Bund (MB) – stellen dazu in diesen Tagen ihre Konzepte und Thesenpapiere vor. Gleichzeitig wird in der kommenden Woche am Mittwoch das Blut- und Gewebegesetz im Gesundheitsausschuss des Bundestag beraten – eine letzte Möglichkeit vor der Bundestagswahl, gesundheitspolitische Anliegen vom Gesetzgeber regeln zu lassen.
Bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers des Marburger Bundes zu einer Strukturreform der medizinischen Notfallversorgung betonte Verbandsvorsitzender Rudolf Henke, dass Patienten durch die Vielzahl der Regelungen sowie Telefonnummern nicht mehr selbstständig den richtigen Ort zur Versorgung ihres gesundheitlichen Problems fänden. Gleichzeitig ließen sie sich nicht durch Gebühren oder mehr Informationen steuern. Daher fordert der Verbandsvorsitzende alle Ärzte auf, gemeinsam an einer Strukturreform zu arbeiten.
Henke: Ärzte sollen sich mehr als zwei Minuten Zeit nehmen
In der Debatte um die Abklärungspauschale, bei der Kliniken bei ambulanten Patienten 4,74 Euro tagsüber bekommen, hob er heraus, es sei gut, dass es nun eine Vergütung gebe. Die vor allem von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) formulierte Rechnung, mit diesen 4,74 Euro könnten zwei Arztminuten finanziert werden, wollte Henke aber nicht gelten lassen. „Wir rufen alle Mitglieder des Marburger Bundes auf, sich zivilcouragiert gegen diese Zumutungen zu verweigern und sich mehr als diese zwei Minuten Zeit für die Patienten zu nehmen. Uns interessiert die medizinische Versorgung mehr als die betriebswirtschaftliche Bilanz des Krankenhauses“, so Henke.
Auch Susanne Johna, Mitglied des MB- sowie BÄK-Vorstandes, erklärte: „Wir als Krankenhausärzte wollen uns auch in diese Diskussion um die Notfallversorgung einbringen. Denn unsere Position als Klinikärzte ist nicht immer deckungsgleich mit der der Krankenhausbetreiber.“ Johna, die die Arbeitsgruppe zum MB-Vorschlag zur Notfallversorgung leitete, betonte, dass bei der künftigen Notfallversorgung Klinik- und Vertragsärzte mehr miteinander arbeiten müssten. Dazu gehöre beispielsweise die technische Vernetzung der Untersuchungsdaten von Patienten. Auch müsse es möglich sein, die Notfallrufnummern 112 und 116117 zusammenzuschalten und bereits dort Patienten zu beraten.
MB für ein Triage-System
In dem Papier plädiert der Klinikärzteverband auch für ein Triage-System zur Einschätzung der Behandlungsdringlichkeit. „Dafür müssen einheitliche Standards für alle Anlaufstellen der Notfallversorgung festgelegt werden“, heißt es in dem Papier. Der Verband spricht sich ebenso dafür aus, dass Zielgrößen definiert werden, „ab denen eine durch Vertragsärzte betriebene Notdienstpraxis am Krankenhaus sinnvoll ist.“ Dies müsse regional unterschiedlich geregelt werden, auch solle der Fahrdienst, den einige Kassenärztlichen Vereinigungen besonders für immobile Patienten anbieten, erhalten bleiben.
Henke sieht allerdings das Problem in der Selbstverwaltung, dass „die Lust, etwas zu verändern, begrenzt ist.“ Er sieht auch den Gesetzgeber in der Pflicht, die Einigung vor dem Schiedsamt zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), GKV-Spitzenverband gegen die Stimme der DKG zu den Abklärungspauschalen zu korrigieren. „Die DKG hatte hier kein Vetorecht, somit konnte keine gute Einigung zustande kommen“, so Henke, der als CDU-Politiker auch Mitglied im Bundestag ist. Nach seiner Aussage sei auch der Bundesgesundheitsminister bereit, Änderungen vorzunehmen. Möglich wäre dies in dieser Legislatur allerdings nur noch, wenn ein entsprechender Änderungsantrag kommende Woche im Gesundheitsausschuss beraten wird.
Henke plädierte auch dafür, dass es mehr finanzielle Mittel für die Notfallversorgung geben müsse. Auf eine konkrete Zahl wollte er sich vor Journalisten allerdings nicht festlegen, bei etwa 500 Millionen Euro zusätzlich müsse man die Diskussion aber starten.
Gegen mehr Geld für die Notfallversorgung hat sich die KBV anlässlich des Papieres des Marburger Bundes positioniert. „Das Thema Notfallversorgung ist ein zu wichtiges Thema, als dass es auf die Forderung nach mehr Geld für eine bestimmte Interessengruppe reduziert werden sollte“, erklärte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. „Ich rufe die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den Marburger Bund dazu auf, mit uns in den Dialog zu treten. Gemeinsame Lösungen finden, lautet das Gebot der Stunde“, so Gassen in einer Mitteilung.
Die DKG erklärte, den „Ruf nach einer besseren Abstimmung und Zusammenarbeit“ aufzunehmen. Allerdings: „Die Krankenhäuser weisen den Vorwurf zurück, dass sie undifferenziert und unbegründet nach immer mehr Geld rufen würden“, sagte der Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum, laut einer Mitteilung. „Als Zeichen einer wirklich konstruktiv gemeinten Dialogbereitschaft fordern wir die KBV auf, den Bewertungsausschuss einzuberufen und den Beschluss über die 4,74 Euro umgehend zu korrigieren“, so Baum weiter.
Am Donnerstag will auch die Bundesärztekammer ein Strukturpapier zur Notfallversorgung im Vorfeld des 120. Deutschen Ärztetages Ende Mai in Freiburg vorlegen.
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