Streit um Notfallversorgung ruft Politik auf den Plan

Berlin – Der anhaltende Streit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten sowie den Krankenkassen rund um die Notfallversorgung hat die Politik alarmiert. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat sich heute als Vermittler angeboten.
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach warf Ärzten und Kliniken Versagen vor und kündigte an, die Notfallversorgung als erste Aufgabe nach der Bundestagswahl „gesetzlich neu zu regeln“. Die Politik müsse eingreifen, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen aus Krankenhäusern, Ärzten und Krankenkassen habe „spektakulär versagt“, so der Gesundheitsexperte.
Konkret schlägt Lauterbach vor, die Behandlung von Patienten in der Notaufnahme im Krankenhaus genauso zu bezahlen wie die Behandlung in den Arztpraxen. „Es muss das gleiche Geld für die gleiche Behandlung geben.“ Es sei falsch, Patienten davon abzuhalten, die Notaufnahme aufzusuchen. „Wir brauchen kein Umerziehungsprogramm, sondern mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen.“
Laumann: Patienten dürfen keine Nachteile haben
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), appellierte an die Entscheidungsträger, die Auseinandersetzungen über die Vergütung für Notfälle „nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen“. Patienten müssten sich darauf verlassen können, im Notfall zu jedem Zeitpunkt einen ärztlichen Ansprechpartner zu erreichen, der die Behandlungsbedürftigkeit abkläre, sagte er den Funke-Zeitungen. Dafür zu sorgen, sei zunächst einmal der gesetzliche Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die Bundesärztekammer hat sich unterdessen als Moderator angeboten. „Wir bieten einen Runden Tisch aller Beteiligten an“, erklärte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery auf einer Pressekonferenz in Berlin anlässlich des 120. Deutschen Ärztetages in Freiburg. Zu konkreten Positionen wollte sich die BÄK im Vorfeld dieser Vermittlung nicht äußern. „Wir machen uns keine der bislang diskutierten Positionen zu eigen. Wir wollen erst über die notwendige Struktur sprechen und erst am Ende über die finanzielle Ausgestaltung“, so Montgomery.
Mit am Tisch sollen auch Vertreter von Krankenhausträgern und Krankenkassen sitzen. Auch beim Deutschen Ärztetag sollten sich die Vertrags- und Klinikärzte austauschen. Dort soll ein 16-seitiges Argumentationspapier der BÄK zu den Rahmenbedingungen einer sektorenübergreifenden Versorgung vorgestellt und diskutiert werden.
Für die Notfallversorgung sind die Rettungsdienste, der ärztliche Notdienst der niedergelassenen Ärzte und die Notaufnahmen der Krankenhäuser zuständig. Insbesondere die Notaufnahmen der Krankenhäuser registrieren steigende Patientenzahlen. Sie werden derzeit jährlich von bis zu 25 Millionen Menschen aufgesucht. Dabei kommen offenbar auch viele Leute mit Bagatellerkrankungen. Das geht auf Kosten der tatsächlichen Notfälle.
Streit gibt es zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Kassen unter anderem um die Vergütung. Die Kliniken beklagen, sie würden für die Behandlung nicht ausreichend honoriert. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) spricht von einem Defizit von einer Milliarde Euro. Die Ärzte werfen den Krankenhäusern vor, über die Notaufnahmen ihre Betten zu füllen und Aufgaben zu übernehmen, die auch im Bereich der niedergelassenen Ärzte liegen.
Erneute Kritik am Marburger Bund
Die Debatte um ein Eckpunktepapier für eine Strukturreform der medizinischen Notfallversorgung des Marburger Bundes (MB) geht heute weiter. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat den Plänen, die Notfallversorgung an Krankenhäusern zu konzentrieren, eine Absage erteilt. Der Klinikärzteverband versuche die Notfallversorgung zur eigenen Klientelpolitik zu nutzen, kritisierte Johannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBW. Ihm zufolge zeugen die Forderungen des MB nach einer alleinigen Notfallversorgung durch das Krankenhaus von wenig Kenntnis der Strukturen, sowohl der in den Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich. „Was sollen wir davon halten, wenn die Krankenhäuser heute bereits eine Arbeitsüberlastung ihrer Ärzte in vielen Bereichen beklagen, der Marburger Bund gleichzeitig aber zusätzliche Aufgaben fordert“, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende.
Für den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen hat sich der MB nachhaltig diskreditiert und endgültig als „fünfte Kolonne“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft entpuppt. „Beschäftigt man sich im Detail mit den vorgestellten Eckpunkten, wird deutlich, dass der MB wie so oft ausschließlich die Interessen der Krankenhäuser vertritt. Denn neben oberflächlich vernünftigen Vorschlägen, wie der Ausrichtung der Patientensteuerung an der Behandlungsdringlichkeit, findet sich im Eckpunktepapier ansonsten vorrangig die Handschrift der DKG, sagten die Vorstandsvorsitzenden der KVH, Frank Dastych und Eckhard Starke. Das bedeute, Notfallversorgung werde als Geschäftsmodell für defizitäre Kliniken und als Instrument zum Auffüllen von Krankenhausbetten verstanden.
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