Politik

Streit um Notfallversorgung ruft Politik auf den Plan

  • Donnerstag, 11. Mai 2017
/Tyler Olson, stock.adobe.com
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Berlin – Der anhaltende Streit zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten sowie den Krankenkassen rund um die Notfallversorgung hat die Politik alarmiert. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat sich heute als Vermittler angeboten.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach warf Ärzten und Kliniken Versagen vor und kündigte an, die Notfallversorgung als erste Aufgabe nach der Bundestagswahl „gesetz­lich neu zu regeln“. Die Politik müsse eingreifen, sagte er den Zeitungen der Funke-Me­dien­gruppe. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen aus Krankenhäusern, Ärzten und Kranken­kassen habe „spektakulär versagt“, so der Gesundheitsexperte.

Konkret schlägt Lauter­bach vor, die Behandlung von Patienten in der Notaufnahme im Krankenhaus genauso zu bezahlen wie die Behandlung in den Arztpraxen. „Es muss das gleiche Geld für die gleiche Behandlung geben.“ Es sei falsch, Patienten davon abzuhal­ten, die Notaufnahme aufzusuchen. „Wir brauchen kein Umerziehungs­pro­gramm, son­dern mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen.“

Laumann: Patienten dürfen keine Nachteile haben

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), appellierte an die Entscheidungsträger, die Auseinandersetzungen über die Vergütung für Notfälle „nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen“. Patienten müssten sich darauf ver­lassen können, im Notfall zu jedem Zeitpunkt einen ärztlichen Ansprechpartner zu errei­chen, der die Behandlungsbedürftigkeit abkläre, sagte er den Funke-Zeitungen. Dafür zu sorgen, sei zunächst einmal der gesetzliche Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigun­gen.

Die Bundesärztekammer hat sich unterdessen als Moderator angeboten. „Wir bie­ten einen Runden Tisch aller Beteiligten an“, erklärte BÄK-Präsident Frank Ulrich Mont­go­mery auf einer Pressekonferenz in Berlin anlässlich des 120. Deutschen Ärztetages in Freiburg. Zu konkreten Positionen wollte sich die BÄK im Vorfeld dieser Vermittlung nicht äußern. „Wir machen uns keine der bislang diskutierten Positionen zu eigen. Wir wollen erst über die notwendige Struktur sprechen und erst am Ende über die finanzielle Aus­ge­staltung“, so Montgomery.

Mit am Tisch sollen auch Vertreter von Krankenhausträgern und Krankenkassen sitzen. Auch beim Deutschen Ärztetag sollten sich die Vertrags- und Klinikärzte austauschen. Dort soll ein 16-seitiges Argumentationspapier der BÄK zu den Rahmenbedingungen einer sektorenübergreifenden Versorgung vorgestellt und disku­tiert werden.

Für die Notfallversorgung sind die Rettungsdienste, der ärztliche Notdienst der nieder­ge­lassenen Ärzte und die Notaufnahmen der Krankenhäuser zuständig. Insbesondere die Notaufnahmen der Krankenhäuser registrieren steigende Patientenzahlen. Sie werden derzeit jährlich von bis zu 25 Millionen Menschen aufgesucht. Dabei kommen offenbar auch viele Leute mit Bagatellerkrankungen. Das geht auf Kosten der tatsäch­lichen Not­fälle.

Streit gibt es zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Kassen unter anderem um die Ver­gütung. Die Kliniken beklagen, sie würden für die Behandlung nicht ausreichend hono­riert. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) spricht von einem Defizit von einer Milliarde Euro. Die Ärzte werfen den Krankenhäusern vor, über die Notaufnahmen ihre Betten zu füllen und Aufgaben zu übernehmen, die auch im Bereich der niedergelasse­nen Ärzte liegen.

Erneute Kritik am Marburger Bund

Die Debatte um ein Eckpunktepapier für eine Strukturreform der medizinischen Notfall­ver­sorgung des Marburger Bundes (MB) geht heute weiter. Der Vorstand der Kassen­ärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat den Plänen, die Notfallversor­gung an Krankenhäusern zu konzentrieren, eine Absage erteilt. Der Klinikärzte­ver­band versuche die Notfallversorgung zur eigenen Klientelpolitik zu nutzen, kritisierte Jo­hannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBW. Ihm zufolge zeugen die For­derungen des MB nach einer alleinigen Notfallversorgung durch das Krankenhaus von wenig Kenntnis der Strukturen, sowohl der in den Krankenhäusern als auch im niederge­lassenen Bereich. „Was sollen wir davon halten, wenn die Krankenhäuser heute bereits eine Arbeitsüberlastung ihrer Ärzte in vielen Bereichen beklagen, der Marburger Bund gleichzeitig aber zusätzliche Aufgaben fordert“, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende.

Für den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen hat sich der MB nachhaltig diskreditiert und endgültig als „fünfte Kolonne“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft entpuppt. „Beschäftigt man sich im Detail mit den vorgestellten Eckpunkten, wird deutlich, dass der MB wie so oft ausschließlich die Interessen der Krankenhäuser vertritt. Denn ne­ben oberflächlich vernünftigen Vorschlägen, wie der Ausrichtung der Patientensteue­rung an der Behandlungsdringlichkeit, findet sich im Eckpunktepapier ansonsten vorran­gig die Handschrift der DKG, sagten die Vorstandsvorsitzenden der KVH, Frank Dastych und Eckhard Starke. Das bedeute, Notfallversorgung werde als Geschäftsmodell für defi­zi­täre Kliniken und als Instrument zum Auffüllen von Krankenhausbetten verstanden.

may/bee/hil/sb/kna

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