Gesundheitsetat schrumpft um mehr als acht Milliarden Euro

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) muss im kommenden Jahr mit 8,26 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im laufenden Jahr. Das Bundeskabinett billigte heute den Haushaltsentwurf für 2024 von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und damit auch den Einzelplan 15 für das Gesundheitsressort.
Einen großen Kostenblock hatte in diesem Jahr noch die Bekämpfung der Coronapandemie ausgemacht. Für das kommende Jahr entfallen die Ausgaben weitgehend. Nicht mehr eingeplant sind Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2. Für das laufende Jahr sind dafür noch 3,024 Milliarden Euro berücksichtigt gewesen.
Ebenso entfallen rund 1,18 Milliarden Euro für Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für Belastungen durch die Coronapandemie, eine kleine Summe von 10,5 Millionen Euro ist noch eingestellt. Gestrichen sind auch die bisher im Haushalt eingestellten 215 Millionen Euro zur Bekämpfung der Pandemie.
Darüber hinaus wurde der Rotstift beim Gesundheitsfonds und der Pflegeversicherung angesetzt. Für 2024 sind der ergänzende Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds (2,0 Milliarden Euro), das überjährige Darlehen an den Gesundheitsfonds (1,0 Milliarden Euro) und der pauschale Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung (1,0 Milliarden Euro) nicht mehr in der Haushaltsplanung enthalten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte in Bezug auf die Pflegeversicherung umgehend klargestellt, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde. Finanzminister Lindner hatte vor Journalisten am Nachmittag darauf hingewiesen, dass Lauterbach „nicht angezeigt habe“, mit dieser Kürzung ein Problem zu haben.
Keine Mehrausgaben sind im kommenden Jahr auch beim allgemeinen Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorgesehen. Dieser bleibt bei 14,5 Milliarden Euro.
In großen Teilen gibt es an den einzelnen Positionen im Einzelplan 15 kleinere Kürzungen – von wenigen Zehntausend Euro bis zu einigen Millionen. Etwas mehr Geld sind für den Posten „Beiträge an internationale Organisationen“ einkalkuliert. Statt bisher 29,6 Millionen sind 36,3 Millionen im Haushalt verankert.
Unklarheiten bei Forschungsmitteln
Für den Block „Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“ sind ebenfalls mehr Mittel eingestellt. Es soll statt 25,1 Millionen Euro nun etwa 29,4 Millionen Euro geben. Explizit erwähnt wird mit 200.000 Euro als neuen Posten die „Long-COVID-Beratung“.
Weitere speziell aufgelistete Mittel zur Long-COVID-Forschung sind zumindest nicht namentlich aufgelistet. Lauterbach hatte bei einer Veranstaltung der Zeit im April angekündigt, 100 Millionen Euro für die Forschung zur Long-COVID-Versorgung investieren zu wollen und dies in den Haushaltsplanungen einzubringen. Dies ist offenbar nun nicht geschehen.
Kritik daran kommt vom Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU): „Es ist untragbar, dass die noch im April dieses Jahres vollmundig angekündigten Hilfen für Long-COVID-Betroffene in Höhe von 100 Millionen Euro für die Versorgungsforschung überhaupt nicht im Haushaltsentwurf des BMG auftauchen.“
Dass er sich dann mit diesem wichtigen Anliegen bei den Haushaltsverhandlungen nicht gegen den Finanzminister habe durchsetzen können, sei „ein Armutszeugnis für die gesamte Bundesregierung“, so der bayerische Gesundheitsminister in einer Mitteilung.
Federn lassen mussten in den Haushaltsplänen alle Ministerien. Das Familienministerium musste etwa beim größten Posten des Etats, dem Elterngeld, Abstriche machen. Die Lohnersatzleistung sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro.
Bei der geplanten Kindergrundsicherung konnte sich Ministerin Lisa Paus (Grüne) mit der gewünschten Summe von zwölf Milliarden Euro bisher nicht durchsetzen, der Finanzminister hat im weiteren Finanzplan zunächst nur zwei Milliarden Euro für 2025 als „Platzhalter“ eingestellt.
Alles in allem sollen die Ausgaben des Bundes nach 476,3 Milliarden Euro in diesem Jahr deutlich auf 445,7 Milliarden Euro gesenkt werden. Nach Mehrausgaben der Vorjahre wegen Corona und der Energiepreiskrise soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Das Kabinett verabschiedet auch den Finanzplan bis 2027.
Gewerkschaften, Krankenkassen und Verbände haben wie schon in den vergangenen Tagen erneut die geplanten Einsparungen im Haushalt 2024 vor allem im Sozialbereich scharf kritisiert.
Für die gesetzliche Krankenversicherung folge aus dem Haushalt, dass die Finanzierungsvorhaben des Koalitionsvertrages zur Stabilisierung des Beitragssatzes – vor allem zur Anhebung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen und kostendeckenden Beiträgen für die Versorgung von Bürgergeldbeziehenden – nicht eingehalten würden, bemängelte Uwe Klemens, Vorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen.
Stattdessen verkünde der Bundesgesundheitsminister, die Beitragssätze 2024 noch einmal zu erhöhen. Sie lägen bereits 2023 auf einem Rekordniveau von durchschnittlich 16,2 Prozent. Und mehr noch: In der sozialen Pflegeversicherung soll der Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro gestrichen werden.
„Hier wird deutlich, wie Bundeszuschüsse zur Verfügungsmasse für die Haushaltskonsolidierung werden. Auch für die Pflege gilt: Die Beitragszahlenden allein können die steigenden Kosten in der Pflege nicht schultern”, sagte Klemens. Die Pflegeversicherung müsse nachhaltig und generationengerecht finanziert werden.
„Ein Kürzungskurs ist grundsätzlich unnötig, tendenziell unsozial und wirtschaftspolitisch schädlich“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Die Regierung setze mit dem Haushalt ein falsches Signal.
VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der Augsburger Allgemeinen: „Ein starker Sozialstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, wir dürfen nicht zulassen, dass es zu bröckeln beginnt und zerbricht.“ Sie forderte Nachbesserungen vor allem in den Bereichen der geplanten Kindergrundsicherung sowie bei den Zuschüssen für die Kranken- und Pflegeversicherung. „In Deutschland wachsen drei Millionen Kinder in Armut auf.“
Dass ausgerechnet auch bei Pflege oder Elterngeld gespart werden soll, sei „weder sinnvoll noch überlegt“, sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann laut einer Mitteilung. „Die Ampel hat sich selbst in diese Lage gebracht, weil sie Steuererhöhungen ausschließt und in einem von Krieg und Inflation geprägten Jahr die Schuldenbremse schon für 2023 wieder scharfgestellt hat – das hat die nach der Krise nötigen Spielräume genommen.“ Körzell wurde noch deutlicher: „Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse“, kritisierte er.
Der DGB-Vorstand forderte stattdessen zusätzliche Staatsausgaben und „massive Investitionen“ etwa in Verkehr, Infrastruktur und Digitalisierung. „In China und den USA werden hunderte von Milliarden in Zukunftsinvestitionen gesteckt. Wenn Deutschland hier bremst, verliert es für lange Zeit den Anschluss.“
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