Cannabisgesetz: „Jugendschutz sieht aus meiner Sicht anders aus“

Berlin – Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, hält das Cannabisgesetz nach wie vor für problematisch. Das verdeutlichte er in einer neuen Folge des Podcasts „Sprechende Medizin“. Er könne etwa den Jugendschutz beim Cannabisgesetz nicht erkennen, sagte er darin.
Dieser solle sich dadurch ergeben, dass keine Kriminalisierung vorgenommen und der Schwarzmarkt eingedämmt werde. Dabei gehe es etwa darum, dass es einen legalen Markt gebe und Menschen nicht ungewollter Weise mit anderen Substanzen in Kontakt kämen oder verunreinigtes Cannabis zu sich nähmen.
„Diese Aspekte sollen mittelbar dazu führen, dass es einen Jugendschutz gibt. Aber Jugendschutz sieht aus meiner Sicht anders aus“, betonte Reinhardt. Aus ärztlicher Sicht gehe es nicht darum, Drogen zu legalisieren und mit ihnen so umzugehen, dass man keine Abhängigkeit oder Folgeerscheinung entwickele.
Es gehe aus medizinischer Sicht um den Anspruch eines drogenfreien Lebens. „Dann ist der Jugendschutz etwas völlig anderes als das, was uns mit diesem Gesetz mittelbar als Jugendschutz verkauft wird“, sagte er. Der BÄK-Chef glaubt auch, dass der Jugendschutz durch das Gesetz geschwächt wird und der Cannabiskonsum zunehmen wird.
„Es wird mehr werden, das weiß man aus den Ländern, in denen in Anführungszeichen legalisiert oder teillegalisiert worden ist“, so Reinhardt. Man wisse aus etwa Kalifornien, Kanada, Thailand oder Portugal, dass der Gesamtkonsum zunächst „deutlich spürbar“ ansteige, dann aber wieder etwas zurückgehe. Er bleibe aber auf einem „erhöhten Niveau“.
Auch werde durch die sogenannte Legalisierung eine Botschaft suggeriert, dass man das „durchaus machen könne“, nach dem Motto „Recht auf Rausch“. Das sei für Jugendliche im Alter von 15, 16, 17 Jahren eine schlechte Botschaft, die nichts mit Jugendschutz zu tun habe. „Deswegen glaube ich, dass auch die erklärten Ziele dieses Gesetzes damit nicht richtig verfolgt werden.“ Ärztlicherseits sei von dem Motto Recht auf Rausch auch ohnehin abzuraten.
Reinhardt gibt zu bedenken, dass der Schwarzmarkt auch nicht gänzlich ausgetrocknet werden könne. In Kanada würden zum Beispiel noch gut 35 Prozent des Konsums über den Schwarzmarkt umgesetzt. Ein Drittel sei auch nach mehreren Jahren der Legalisierung konsistent vorhanden.
Grund seien diejenigen Konsumenten, die mit dem normal erhältlichen Cannabis nicht zufrieden seien, etwa weil der THC-Gehalt nicht ausreichend sei. „Der Markt existiert mit Sicherheit weiter und vielleicht in einem noch probelmatischeren Bereich.“ Er glaube daher nicht an die vom Gesetzgeber versprochene Schadensminderung.
Reinhardt betonte, es müsse zudem viel früher aufgeklärt werden. Was aus seiner Sicht fehle, sei eine vernünftige Drogenaufklärung in der Schule, Grundschule oder auch früher, damit Kinder und Heranwachsende „sehr, sehr früh“ über die Probleme und Schwierigkeiten aufgeklärt würden, die durch Drogengebrauch entstünden. Aus seiner Sicht können auch ehemalige Abhängige in die Aufklärungsarbeit einbezogen werden, um über ihre Erfahrungen zu berichten.
Der BÄK-Chef schlägt darüber hinaus vor, dass sich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit einem digitalen Angebot mehr in die Cannabisaufklärung einbringt. „Ich finde, jede Form der Kommunikation, die der Generation, die wir ansprechen wollen, angemessen ist, ist an der Stelle richtig und sinnvoll“, sagte er. Das schließe auch Kampagnen auf Tiktok, Instagram oder ähnliches ein. „Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.“
Reinhardt wies aber zugleich darauf hin, dass nicht nur der Konsum von Cannabis ein Problem sein könne. Auch Alkohol sei ein „Riesenproblem unserer Gesellschaft“. Die Zahl der Alkoholiker werde in die Millionen geschätzt und der medizinische Schaden durch Alkoholmissbrauch sei „immens“. Das sei ohne Frage so, es sei aber kein Argument, eine weitere Droge zu legalisieren.
Er bleibe aber dabei, dass die Gefahren durch Cannabis gerade für Jugendliche größer seien und bleibende Schäden schneller eintreten würden. Reinhardt wies auch darauf hin, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich zwar derzeit für das Gesetz stark mache, aber zuvor sehr lange eine andere inhaltliche Position vertreten habe.
Der Minister spreche zwar auch jetzt von den großen Vorteilen des Gesetzes, er warne aber ungefähr im gleichen Atemzug vor dem Konsum von Cannabis. „Das ist schon ein bisschen komisch“, so Reinhardt. Er sieht es auch als „inhaltlich widersprüchlich“ an, wenn die Politik ein Gesetz macht, dass es 18-Jährigen erlaubt, Cannabis zu konsumieren, obwohl der Konsum bis 21, 22, 23 „schwierig“ ist.
Der BÄK-Präsident schlug sich erneut auf die Seiten des Deutschen Richterbunds, der Polizeigewerkschaft und auch vieler Innenpolitiker, die im Cannabisgesetz Probleme sehen. „Ich setzte auf die Innenpolitiker“, so Reinhardt.
Zuletzt hatte die Ampelkoalition zwar nach internen Streitereien eine Einigung über das Cannabisgesetz verkündet, das am 1. April in Kraft treten soll. Aber viele Innenpolitiker aus der Ampelkoalition wehren sich weiterhin gegen diesen Schritt.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: