Politik

Masern­impfpflicht auch für das Gesundheitspersonal

  • Montag, 6. Mai 2019
Deutschlandweit haben sich die Zahlen von 924 Masern-Fällen im Jahr 2017 beinahe halbiert. /picture alliance
/dpa

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will aufgrund bestehender Impf­lücken und schlechter Impfquoten in Deutschland neben der geplanten Masern­impf­pflicht für Kita- und Schulkinder auch eine Impfpflicht für Erzieher und Lehrer sowie für das Gesundheitspersonal einführen. Das ist einem Referentenentwurf zu entnehmen, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

Umfasst sind demnach alle Personen, die in medizinischen Einrichtungen tätig sind und dort mit Patienten Kontakt haben. „Dies betrifft insbesondere das medizinische Personal, aber auch andere dort tätige Personen wie zum Beispiel Küchen- oder Reinigungsper­so­nal mit Kontakt zu Patienten“, heißt es in dem Referentenentwurf. Zu den medizinischen Einrichtungen gehören unter anderem Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Art- und Zahnarztpraxen oder Geburtshäuser.

Nach Angaben der Bild, die sich auf Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) beruft, müssten sich bei einer Impfpflicht rund 600.000 Menschen nachträglich impfen lassen. Demnach befinden sich in Kitas und Schulen derzeit rund 361.000 nicht­ge­impfte Kinder. In solchen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen könnten zudem schätzungsweise 220.000 Angestellte zur Impfung gezwungen sein.

Das Gesundheitspersonal muss den Nachweis über eine Immunität gegen Masern per Impfausweis, den es künftig auch digital geben soll, oder eine ärztliche Bescheinigung bis spätestens zum 31. Juli 2020 erbringen. Ärzte können gegebenenfalls auch eine gesundheitliche Kontraindikation gegen eine Masernschutzimpfung bescheinigen. Wer der Verpflichtung nicht nachkommt, muss den Gesundheitsämtern gemeldet werden, die wiederum über mögliche Sanktionen entscheiden.

Alle Ärzte dürfen impfen

Der Gesetzentwurf regelt darüber hinaus, dass künftig „grundsätzlich alle Ärzte“ Schutz­im­pfungen vornehmen dürfen. Damit könne jeder Arztbesuch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen genutzt werden, um den Impfstatus zu überprüfen und fehlende Impfungen möglichst umgehend nachzuholen, heißt es.

Um die Zirkulation von Masern zu verhindern, seien Impfraten von mehr als 95 Prozent erforderlich, heißt es in dem Entwurf. „Diese werden in Deutschland nicht erreicht.“ Die angestiegenen Fallzahlen seien auf „fortschreitende Impfmüdigkeit“ zurückzuführen. Unter anderem in Bayern, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen sei es in den vergan­genen Jahren zu großen Ausbrüchen gekommen. Allein bis Anfang März 2019 seien dem Robert-Koch-Institut (RKI) 170 Masernfälle gemeldet worden.

Spahn will alle Kinder schützen

„Wir wollen alle Kinder davor schützen, sich mit Masern zu infizieren“, sagte Spahn der Bild am Sonntag. Deswegen sollten alle, die eine Kita oder Schule besuchen, gegen Masern geimpft sein. Wer dort neu aufgenommen wird, muss das nachweisen. Wer dort schon jetzt betreut werde, müsse den Nachweis bis zum 31. Juli nächsten Jahres nachrei­chen. Kinder ohne Impfschutz sollen künftig vom Kitabesuch ausgeschlossen werden. Bei Schulen sei dies wegen der Schulpflicht nicht möglich. „Aber wer sein Kind nicht impfen lässt, dem drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 2.500 Euro“, sagte Spahn. Diese würden durch die Gesundheitsämter veranlasst.

Debatte entflammt

Die Masernimpfpflicht, die zum 1. März 2020 in Kraft treten soll, sorgte direkt nach Bekanntwerden für Diskussionen um ein Für und Wider der Impfpflicht in Deutschland. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützt die Pläne Spahns. Sie sagte gestern am Rande einer Europaveranstaltung in Berlin, ob man seine Kinder impfen lasse, sei eine sehr persönliche Frage.

Aber eine Nichtimpfung sei nicht nur eine Gefährdung der eigenen Kinder, sondern auch eine aller anderen Kinder. „In dieser Abwägung halte ich eine Impfpflicht für richtig.“ Zu­rückhaltender äußerte sie sich zu den Plänen, Bußgelder bis 2.500 Euro zu verhängen, wenn Kinder nicht geimpft werden. „Ob die Geldstrafe zu niedrig, zu hoch angesetzt ist, ob sie Wirkung entfalten kann, darüber werden wir sicherlich auch im parlamentarischen Verfahren dann nochmal reden“, sagte sie.

Unterstützung kam auch von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Lau­mann (CDU). Die Impfpflicht sei richtig, alle Aufklärungsbemühungen in den vergangenen 20 Jahren hätten nicht zum Erfolg geführt, so der Minister.

Unterstützung und Kritik kam vom Koalitionspartner SPD. Der Gesundheitsexperte der Partei, Karl Lauterbach, sagte der Augsburger Allgemeinen: „Das ist eine sehr gute Grund­lage für eine gemeinsame Diskussion.“ Ohne Bußgelder werde es nicht gehen. Ähnlich äußerte sich Parteichefin Andrea Nahles. „Gut, dass Minister Spahn zügig handelt und die Bundesregierung schnell ein Gesetz beschließen will“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Kritik kam hingegen von Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). „Eine Impfpflicht greift stark in das verfassungsrechtlich geschützte persönliche Selbst­bestimmungs­recht auf körperliche Unversehrtheit ein und bedarf einer besonderen Rechtfertigung“, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis, sagte der Saarbrücker Zeitung: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPD den Entwurf so durchwinken wird.“

Skepsis bei den Grünen

Skeptisch sind auch die Grünen. „Spahn sollte auf Überzeugung und niedrigschwellige Angebote setzen, statt auf Zwang“, sagte ihre zuständige Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche dem Tagesspiegel. Zwang könne sich negativ auf das Impfverhalten aus­wirken. „Damit wäre dann niemandem geholfen.“

Hessens Gesundheitsminister Kai Klose sieht hohe verfassungsrechtliche Hürden für die bundesweite Einführung einer Impfpflicht. „Wir sind uns einig, dass wir die Impfquoten insgesamt erhöhen wollen und müssen“, sagte der Grünen-Politiker. Es gebe unterschied­liche Auffassungen darüber, was der beste Weg sei, um das Ziel zu erreichen. Offensicht­lich sei der Bund überzeugt, die verfassungsrechtlichen Hürden nehmen zu können.

BÄK schlägt erneut Ausweitung vor

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, hält Strafen generell für gerechtfertigt, kann sich aber Ausnahmen vorstellen. „Eine Impfpflicht lässt sich leicht verlangen, aber ist schwer umzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Kinder mit der Polizei zum Impfen schleppt“, sagte er. Deshalb müsse man versu­chen, mit Vernunft auf die Menschen einzuwirken – das bedeute vor allem, mit Aufklä­rung. Er fügte hinzu: „Sie werden darüber hinaus aber auch an einigen Strafen nicht vor­beikommen.“

Montgomery sagte weiter: „Man wird auch Kommissionen gründen müssen, die denje­nigen Eltern und Kindern, die schwerwiegende Gründe gegen die Impfung haben – denn die gibt es auch –, ermöglichen, von einer Impfung abzusehen. Mir schwebt da so was vor wie früher bei der Wehrpflicht. Die galt auch für alle, aber es gab Kommissionen, die die Verweigerer anerkannten. So etwas brauchen wir auch für Impfungen.“

Grundsätzlich begrüßt Montgomery die Pläne zur Pflicht. „Damit wir in Zukunft gefährli­che Krankheiten ausrotten können, begrüße ich eine Impfpflicht gegen Viruserkrankun­gen wie zum Beispiel Masern.“ Montgomery warb erneut für eine Ausweitung. Aus Grün­den der Einfachheit seien vier Impfungen zusammengefasst, gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken – diese Vierfachimpfung könne in eine Impfpflicht mit einflie­ßen. Die Impfungen bekämen Kinder, wenn sich die Eltern nicht aktiv dagegen wehrten.

Masern sind gefährlich

Die Masern als Erkrankung seien „recht gefährlich“, weil sie Lungenentzündungen und Hirnhautentzündungen hervorrufen könnten, erklärte Montgomery. „Manche Kinder ster­ben erst zehn Jahre, nachdem sie sich mit den Masern infiziert haben. Das ist ein grausa­mes Martyrium, was man diesen Kindern zumutet, und deswegen ist die Impfung das deutlich kleinere Risiko“, sagte er.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte begrüßt den Vorstoß von Gesundheits­minister Jens Spahn für eine Impfpflicht gegen Masern ebenfalls. „Wir unterstützen das Vorhaben des Gesundheitsministers ausdrücklich“, sagte Bundessprecher Hermann Josef Kahl der Rheinischen Post. „Wir brauchen aber eine generelle Impfpflicht, um nicht nur bei Masern die kritischen 95 Prozent zu erreichen und diese Krankheit endlich ausrotten zu können.“

Wichtig sei dabei insbesondere, dass sich auch Ärzte, ihre Mitarbeiter, Hebammen sowie das Personal in Schulen und Kitas vollständig gegen alle gängigen Krankheiten impfen lasse, sagte Kahl. Er forderte zudem die Einführung eines Impfregisters. „Auch wenn jetzt eine Pflicht nötig ist, wäre der mittelfristig elegantere Weg ein nationales Impfregister. Dann bekämen die Menschen Erinnerungen an aufzufrischende Impfungen.“

Als Hauptproblem machte Kahl nicht Impfgegner sondern schlecht nachgehaltene Impf­termine aus. Die Impfquote sei vor allem wegen des „schlechten Terminmanagements“ zu gering. Bei jedem Arztbesuch solle künftig der Impfpass mitgenommen werden. Das Phä­nomen sogenannter Masernpartys, bei denen Eltern gesunde Kinder mit infizierten Kin­dern zusammenbringen, verurteilte er scharf. „Masernpartys grenzen an Körperverlet­zung. Sie gehören zu dem Dümmsten, was man seinen Kindern antun kann.“

may/dpa/afp/kna

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