Ambulante Versorgung künftig oft noch mehr nachgefragt

Berlin – Die niedergelassenen Praxen werden für die medizinische Versorgung in Deutschland künftig noch wichtiger. Das geht aus einer Bedarfsprojektion bis zum Jahr 2035 hervor, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute im Rahmen des Versorgungsatlas vorgestellt hat (2023, DOI: 10.20364/VA-23.07).
Die weiter zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland trage dazu bei, dass Fachgruppen wie Innere Medizin, Urologie und Augenheilkunde in den kommenden Jahren immer stärker nachgefragt würden.
So könnte die Nachfrage bei Fachinternisten und Urologen bis 2035 bundesweit um bis zu zehn Prozent steigen. In der Augenheilkunde und bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten könnte sich diese Beanspruchung um bis zu acht Prozent erhöhen.
Auch für jüngere Versicherte bis 14 Jahren ermittelte die Zi-Arbeitsgruppe eine leichte Bevölkerungszunahme, so dass mit einer steigenden Beanspruchung bei Kinder- und Jugendärzten zu rechnen sei (plus drei Prozent).
Für die zukünftige Beanspruchung der Hausärzte wird ein leichter Zuwachs um zwei Prozent erwartet. Besonders deutlich fällt das Plus bei der Psychotherapie aus: Das Forschungsteam prognostiziert einen Nachfrageanstieg von 21 Prozent für Psychotherapeuten und von 27 Prozent für Kinder- und Jugendpsychiater.
Die räumliche Betrachtung zeigt über die Mehrzahl der Fachgruppen eine besonders hohe Steigerung der Beanspruchung in den südlichen und einigen westlichen Regionen Deutschlands und zum Teil im Großraum Berlin-Brandenburg. Eine abnehmende Inanspruchnahme vieler Fachgruppen erwarten die Forscher für ländliche Gebiete im Osten Deutschlands.
„Deshalb müssen wir umdenken: Bisher betrachten wir die Ballungsräume als ärztlich überversorgt. Tatsache ist, dass wir dort eine besondere Zunahme des Versorgungsbedarfs erwarten müssen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried.
In den Regionen mit abnehmender Bevölkerung sei die Organisation der Versorgung hingegen besonders schwierig: „Dies betrifft die Nachbesetzung notwendiger Praxissitze und die Organisation der Versorgung in größer werdenden Einzugsbereichen der Praxen. Dies erfordert neue Organisationsformen für die Praxen und geeignete finanzielle Förderungen“, so Stillfried.
Die Zi-Wissenschaftler haben für ihre Prognose vertragsärztliche Abrechnungsdaten des Jahres 2019 zugrunde gelegt und mittels einer Bevölkerungsprognose die Inanspruchnahme zum Jahr 2035 fortgeschrieben. Außerdem haben sie die Entwicklung der Inanspruchnahme der Jahre 2011 bis 2019 ermittelt, die ebenfalls in die Projektion einfließt.
Das Ergebnis ist der „relative Beanspruchungsindex“, der für unterschiedliche Fachgruppen und regional differenziert berechnet wird. Er gibt an, um wie viel Prozent die Beanspruchung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2035 voraussichtlich von der im Basisjahr 2019 abweicht.
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