Ambulantisierung: Vertragsärzte werfen Politik Mutlosigkeit vor

Berlin – GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten sich nicht fristgerecht auf einen Katalog für die Hybrid-DRG einigen können. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist am Zug, hat aber offenbar keine Eile damit.
Die neue Regelung der sektorengleichen Vergütung war mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz Ende vergangenen Jahres ermöglicht worden. Dafür hatte der Gesetzgeber einen neuen Paragrafen im Sozialgesetzbuch V eingeführt.
Nach der verpassten Einigung der Selbstverwaltungspartner warten diese nun auf eine Festsetzung durch das Ministerium – seit drei Monaten. Das BMG ist gesetzlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung die spezielle sektorengleiche Vergütung und die zu vereinbarenden Operationen zu bestimmen.
„Wir erhalten fast keine Informationen – und das, was wir hören, kann leider nur den Schluss zulassen, dass Politik komplett mutlos geworden ist“, erklärte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, heute. Er wies darauf hin, dass die Förderung der Ambulantisierung sogar Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden hatte. „Doch nun droht das Ganze zum Rohrkrepierer zu werden.“
„Offenbar plant das Bundesgesundheitsministerium, eine verschwindend kleine Zahl von Eingriffen, die anscheinend nur bedingt in der vertragsärztlichen Versorgung angesiedelt werden können, dahingehend überprüfen zu lassen, ob diese nicht doch ambulant erbracht werden können“, erklärte Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (Spifa).
Diese Überprüfung soll unter anderem das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) vornehmen. Das wirkt – wenn es denn so sein sollte – wie eine Alibiveranstaltung. „Der Bundesgesundheitsminister schert sich offenbar nicht um das, was die Regierungskoalition vereinbart hat“, sagte Heinrich.
Gemeinsam mit dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) betonten KBV und Spifa heute, dass mit gleichen Zugangsvoraussetzungen und gleicher Vergütung ein echter Wettbewerb möglich wäre. „Wir hätten uns auf diesen Wettbewerb mit den berühmten gleich langen Spießen gefreut. Doch daraus droht nun nichts zu werden“, hieß es.
Im Gegenteil wolle die Politik offenbar die bestehenden Verhältnisse zementieren. Dabei sei es in der Wissenschaft unbestritten, dass in Deutschland im internationalen Vergleich viel zu viele Eingriffe noch ausschließlich stationär durchgeführt werden – zu deutlich höheren Kosten, betonten Gassen und Heinrich.
In zahlreichen wissenschaftlichen Gutachten würden zudem tausende Eingriffe benannt, die sich auch ambulant durchführen ließen. Sowohl KBV als auch Spifa hatten dazu Vorschläge unterbreitet.
„Wir fordern Minister Lauterbach und sein Ministerium auf, die dringend notwendige Förderung der Ambulantisierung umzusetzen. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass man daran im BMG kein Interesse hat und die ambulante Versorgung sogar schwächen will“, so Gassen und Heinrich.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: