Politik

AOK Baden-Württemberg fordert mehr Krankenhaus­schließungen

  • Montag, 3. April 2017

Stuttgart – Die Konzentration in der Krankenhauslandschaft Baden-Württembergs wird sich nach Einschätzung der AOK weiter beschleunigen. Die Zahl von derzeit 250 Klini­ken werde in den kommenden Jahren auf unter 200 sinken – und das sei gut so, sagte Chris­topher Hermann, Vorsitzender der AOK Baden-Württemberg. In den vergangenen zehn Jahren waren zwei bis drei Häuser jähr­lich geschlossen worden. „Der Struktur­wandel muss schneller vorangehen, denn er si­chert hochwertige Leistungen im statio­nären Be­reich“, forderte der Chef der größten gesetzlichen Krankenkasse im Süd­westen.

In größeren Einheiten könnten speziell geschulte Mediziner und Pfleger komplexe Ein­griffe vornehmen und durch hohe Fallzahlen Routine und damit Qualität erlangen. Die Mehrzahl der Krankenhäuser im Südwesten habe aber keine 200 Betten. Isoliert seien sie nicht überlebensfähig, sondern nur im Verbund mit anderen Häusern. Kleine Häuser hätten auch zunehmend Schwierigkeiten, Fachpersonal zu rekrutieren. Gesundheits­mi­nister Manne Lucha (Grüne) will morgen das Jahreskrankenhaus­baupro­gramm 2017 vor­stellen. Sein Ziel sind bessere Versorgungsstrukturen.

Auch bei den Betten sieht der AOK-Chef noch Überkapazitäten. Stationäre Aufenthalte würden kürzer oder erledigten sich ganz mit den Fortschritten in der ambulanten Be­hand­lung. Auch die Alterung der Gesellschaft führe nicht zu mehr Bettenbedarf, sondern zu mehr Nachfrage nach Plätzen in der Reha und geriatrischen Reha. Diese gewinne an Bedeutung, weil die Akutbehandlung immer kürzer werde.

AOK: Konzentration ist besser

Die Konzentration habe für die Patienten Vorteile, so Hermann. „Für die Menschen ist es allemal besser, sie haben das beste Krankenhaus und nicht das erstbeste.“ Die Men­schen informierten sich im Fall planbarer Eingriffe ohnehin im Internet, wählten die pas­sen­de Klinik und nähmen dafür auch längere Anfahrten in Kauf.

„Wald-und-Wiesen-Krankenhäuser“, wie es sie in Baden-Württemberg noch gebe, hätten in diesem Wettbewerb keine Zukunft, sagte Hermann. Auch wenn er nachvoll­ziehen könne, dass Kommunen kleine Häuser aus wirtschaftlichen Gründen halten wollten. Wich­tig sei die Versorgungssicherheit; diese könne aber durch den Rettungs­dienst, me­dizinische Versorgungszentren und Portalkliniken – Tageskliniken für Erst­diagnosen – ge­währleistet werden.

Für den Landeschef der Krankenhausgesellschaft, Detlef Piepenburg, liegt die Zukunft der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft hingegen weder in der voll­kom­me­­nen Zentralisierung aller Leistungen an wenigen Standorten, noch im Erhalt jedes ein­zelnen Krankenhaustandortes. Was zähle, sei ein ausgeglichenes Versorgungs­angebot sowohl in Ballungsräumen als auch in der Fläche. Dies sei etwa mit dem neuen Schlag­an­fall­konzept gerade umgesetzt worden. „Hier ist eine gestufte Versorgung vorgesehen, in der sowohl zentrale als auch dezentrale Standorte vorgesehen sind“, erläuterte er.

Bei Sanierung und Modernisierung der meist in den 1950er- und 1960er-Jahren gebau­ten Kliniken sieht Kassen-Chef Hermann einen riesigen Investitionsstau. Die Lücke be­zifferte er auf eine Milliarde Euro. „Zwar haben die grün-geführten Landesregierungen die Mittel für Klinikbau hochgesetzt, damit die jahrzehntelange Unterfinanzierung aber nicht kompensieren können.“

Für Investitionen gab das Land vergangenes Jahr 455 Millionen Euro aus. Darüber hi­naus ruft Baden-Württemberg die vom Bund für Krankenhausumbauten und Klinikneu­bau­ten einmalig zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds kom­plett ab. Zu diesen 63,7 Millionen Euro stellt das Land noch einmal dieselbe Summe für die Strukturveränderungen in den Kliniken bereit. Diese Eigenmittel bedeuten zwar ge­gen­über dem Vorjahr keine Erhöhung, aber im Vergleich zum Durchschnitt der ver­gan­­ge­nen Jahre, wie die Krankenhausgesellschaft erläuterte.

Im Land gebe es bereits erfolgreiche Konzentrationsanstrengungen, erläuterte Hermann. „Der ,Lörracher Weg’ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Krankenhausträger übergreifend eine Schwerpunktbildung vereinbart und umgesetzt haben.“ In der südbadischen Stadt findet seit Ende der 1990er-Jahre ein Umstrukturierungsprozess statt, der in ein Zentral­klinikum münden soll. Dabei werden die drei Standorte der Kreiskliniken in Lörrach, Schopfheim und Rheinfelden sowie das St.-Elisabethen-Krankenhaus in einem Neubau zusammengeführt.

dpa

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