Organspenderzahlen sinken auf niedrigsten Stand seit 20 Jahren

Berlin – Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Organspender erneut rückläufig entwickelt. Bundesweit gab es 797 Spender, 60 weniger als im Jahr zuvor, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) heute mitteilte. Die bundesdurchschnittliche Spenderrate lag 2017 bei 9,7 Spendern pro eine Million Einwohner.
Dabei war die Entwicklung innerhalb der sieben DSO-Regionen uneinheitlich. Die Regionen Bayern und Mitte (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) verzeichneten entgegen dem Bundestrend eine Zunahme an Organspenden gegenüber dem Vorjahr von 18 beziehungsweise zwölf Prozent.
Arbeitsverdichtung in Kliniken
Die Gründe für den Rückgang der Spender sieht die DSO weniger in der mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung. Eine Ursache sei vielmehr die enorme Leistungsverdichtung in den Kliniken. Einen zentralen Schlüssel zur Verbesserung der Situation sieht die Stiftung in einer „konsequenten Berücksichtigung des Willens zur Organspende im Zuge von Behandlungsstrategien am Lebensende“. Auf den Intensivstationen müssten die Ärzte mögliche Spender erkennen und die Koordinierungsstelle informieren.
Die Organspende dürfe im Alltag der Kliniken nicht in den Hintergrund geraten, sagte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. Er wünscht sich zudem Verbesserungen in der Organisation der rund 1.250 Kliniken, die zum Organspendesystem gehören. So habe etwa Bayern 2017 Transplantationsbeauftragte für ihre Aufgabe freigestellt. Die Organspenderzahlen in Bayern seien daraufhin gestiegen.
Darüber hinaus wiederholte die DSO ihre Forderung nach einem Initiativplan mit klar definierten Handlungsschritten. „Wir brauchen alle für die Transplantationsmedizin wichtigen medizinischen Fachgesellschaften, unsere Vertragspartner, Patientenverbände und die Politik, um die Organspende in Deutschland gemeinsam wieder auf Kurs zu bringen“, sagte er. „Wenn wir schwer kranken Menschen auch weiterhin mit einer Transplantation helfen wollen, müssen wir uns auch gemeinsam intensiv um die Organspende kümmern“, fordert der Medizinische Vorstand der DSO.
Beauftragte mehr zu Rate ziehen
Auch die geschäftsführende Ärztin bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) im Bezirk Nordrhein-Westfalen, Ulrike Wirges, sieht Versäumnisse in den Krankenhäusern. Es müsse im Fall der Fälle dort viel häufiger der dafür zuständige Beauftragte zurate gezogen werden, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Regelungen seien nicht eindeutig, manchmal fehle auch die Zeit.
Der Beauftragte „muss sich darum kümmern herauszufinden, ob jemand eine Organspende wünscht oder gewollt hätte“, erläuterte Wirges. Er müsse für notwendige Gespräche „seinen Freiraum, seine Freistellung genau für dieses Thema von der Klinikleitung bekommen, und er muss von der Klinikleitung für diese Aufgabe unterstützt werden“. Jedes Krankenhaus muss Wirges zufolge per Gesetz einen Beauftragten für Transplantationen haben. In manchen Kliniken sei „sehr viel Aufklärungsarbeit“ zu leisten.
Zugleich betonte die Expertin, dass es auch „jede Menge positive Beispiele“ gebe. „Auch wenn die Zahlen zurückgegangen sind, haben wir Krankenhäuser, die schon sehr genau wissen, wie sie organisatorisch-strukturell das Thema Organspende angehen müssen“, sgate sie. Insgesamt seien die Menschen in Deutschland „sehr wohl“ bereit, Organe zu spenden. Allerdings scheuten sich viele Menschen, sich schon im Vorfeld zu „guten Lebenszeiten“ zu dem Thema zu äußern.
Weltweit führend in der Organspende ist nach eigenen Angaben Spanien mit 46,9 Spendern pro eine Million Einwohner im Jahr. Das bedeute eine Steigerung um acht Prozent seit 2016 und sei eine weitere neue Bestmarke, teilte das spanische Gesundheitsministerium vergangene Woche mit. Dort gilt die Widerspruchslösung: Menschen müssen explizit dokumentieren, wenn sie gegen eine Organentnahme nach ihrem Tod sind. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung stehen auch Belgien und Kroatien mit mehr als 30 Organspendern pro eine Million Einwohner weit vorne.
Deutschland steht über Eurotransplant beim Organaustausch im Verbund mit Belgien, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Ungarn und Slowenien. Laut Rahmel besteht keine Gefahr, dass Eurotransplant Deutschland wegen der niedrigen Spenderzahlen ausschließt. Durch die hohe Bevölkerungszahl sei Deutschland immer noch ein Land, das in absoluten Zahlen mehr Organe als andere Länder zum Verbund beisteuere.
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