Politik

„Der Bund hat im Augenblick kein Geld“

  • Donnerstag, 23. November 2023

Berlin – Derzeit verhandeln Bund und Länder über die geplante Krankenhausreform. Heute steht erstmals seit Juli wieder eine Beratungsrunde in großer Besetzung, also mit allen Bundesländern, Bundestagsfraktionen sowie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an. Ziel des Treffens ist es, Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Insbesondere die Bundesländer hatten in den vergangenen Wochen massive Kritik am aktuellen Prozess und zum bisherigen Stand des Arbeitsentwurfs eines Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) geäußert und fordern kurzfristige Finanzhilfen für die Krankenhäuser vom Bund.

Mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, sprach das Deutsche Ärzteblatt über die aktuellen Herausforderungen hinsichtlich der Reform. Ullmann ist Facharzt für Innere Medizin und arbeitet neben seinem Bundestagsmandat in Teilzeit am Uniklinikum Würzburg.

Andrew Ullmann 5 Fragen
/Andrew Ullmann

5 Fragen an Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

Hinsichtlich der Krankenhausreform sind die Fronten zwischen Bund und Ländern verhärtet. Was sind die größten Streitpunkte?
Die Strukturreform muss umgesetzt werden. Die Kliniken brauchen Planungssicherheit. Dafür tragen die Länder und der Bund die Verantwortung. Wir dürfen keine Zeit mehr im Dauerstreit verlieren. Wir müssen die Krankenhausstrukturreform in der Öffentlichkeit auch positiver darstellen. Da fehlt es von unserer Seite noch ein wenig an guter Kommunikation, aber auch und vor allem auf Seiten der Länder.

Ziel der Reform ist, die Qualität der Krankenhausversorgung zu ver­bessern. Dafür ist eine Reduktion der Krankenhausbetten und eine Umstrukturierung der Krankenhäuser, beispielsweise hin zu mehr Spezialisierung und mehr Vernetzung notwendig. Zudem braucht es mehr Ambulantisierung, allerdings nicht zulasten der Gesamtver­sorgung beziehungsweise der Leistungserbringer.

Bei der Debatte um die Qualität in den Krankenhäusern müssen wir auch auf die Situation bei den Beschäf­tig­ten schauen. Wenn wir zu wenig Personal haben, kann die Qualität nicht aufrechterhalten werden. Deshalb ist es wichtig, dass uns das Personal nicht wegläuft. Wir müssen stärker betonen, welche Ziele wir haben und was wir mit der Reform erreichen wollen. Mit dieser positiven Einstellung bleiben die Menschen in den Kliniken und wollen dort weiterarbeiten.

Am Freitag entscheidet der Bundesrat darüber, ob der Vermittlungsausschuss aufgrund des Kranken­haus­transparenzgesetzes angerufen werden soll. Die Bundesländer haben im Vorfeld deutliche Kritik an diesem Gesetz geäußert. Ein Kritikpunkt ist, dass im Oktober 2024 die geplanten Leistungsgruppen – jeweils zuge­ordnet zu den Krankenhäusern – bereits veröffentlicht werden sollen. Diese werden zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich aber noch gar nicht zugewiesen sein. Sollte das Gesetz kippen, ist die Krankenhausreform dann gefährdet?
Ja, das wäre sie. Das Gesetz würde ja nicht gekippt, sondern an den Vermittlungsausschuss weitergeleitet. Das wäre nur eine unnötige Verzögerung durch die Länder und kann nicht anders als destruktiv wahrgenommen werden.

Zudem können die Bundesländer die Zuordnung der Leistungsgruppen schon jetzt vorbereiten. Die 64 Leis­tungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen stehen fest und die weiteren fünf sind ebenfalls bekannt. NRW macht es zudem vor und plant die Leistungsgruppen bereits. Zudem sind die Übergangszeiten im Arbeitsentwurf zur Krankenhausreform geplant.

Wie ist denn der Stand hinsichtlich der Definition der fünf weiteren Leistungsgruppen?
Hier gibt es große Diskussionen beispielsweise über die Frage, ob für die Leistungsgruppen zum Beispiel je­weils drei oder fünf Fachärztinnen und Fachärzte als Personalausstattung ausreichen. Die Definitionen der NRW-Leistungsgruppen sind zudem aus meiner Sicht zu niedrig angesetzt.

Ich hätte mir auch mehr Leistungsgruppen gewünscht. Die 64 Gruppen plus fünf weitere spiegeln die statio­näre Versorgung nicht ausreichend wider. Beispielsweise bei der Kardiologie oder Infektiologie muss es eine Weiterentwicklung der Definition aus der Praxis geben. Aufgrund der Komplexität des Systemwandels halte ich den erreichten Zwischenstand aber für einen guten Kompromiss, deswegen haben wir dem Eckpunkte­papier im Juli auch zugestimmt.

Es ist aber zu kurz gedacht, wenn davon ausgegangen wird, dass jetzt ein Gesetz verabschiedet wird und das war´s. Wir werden dieses weiter evolutionieren und im Sinne der Praktikabilität und Versorgungsqualität weiterentwickeln. Zu Anfang wird es sicher Kinderkrankheiten geben, aber das werden wir als Gesetzgeber rasch korrigieren können.

Neben der Krankenhausreform will die Ampelregierung auch die Notfallversorgung und die Rettungsdienste reformieren. Jetzt soll die Gesetzgebung zur Krankenhausreform bis weit ins Jahr 2024 hineinreichen. Ist in dieser Legislaturperiode überhaupt noch ausreichend Zeit und Kraft für anschließende große Reformen im Gesundheitswesen vorhanden?
Die Zeit ist sicher eine Herausforderung. Die Kraft habe ich jedenfalls allemal und auch das Bundesgesund­heits­ministerium, das seit 2020 nonstop arbeitet, weil zu lange zu viel liegen geblieben ist und die Pandemie noch dazwischenkam.

Ich bin optimistisch, dass wir bald eine erste Lesung im Bundestag zu einer Notfall- und Rettungsdienstreform haben werden, die dringend notwendig ist. Dazu sind wir nur in Details innerhalb der Ampel unterschiedlicher Meinung. Zudem gibt es Vorarbeiten des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn.

Wir als Ampelregierung haben großes Interesse, dieses Gesetz rasch anzupacken, um neben der verbesserten qualitativen Versorgung auch eine bessere Patientensteuerung zu gewährleisten.

Großes Thema derzeit ist zudem die Finanzsituation des Bundes, auch das Gesundheitsressort ist durch Sperren des Finanzministeriums betroffen. Gleichzeitig rufen Krankenhäuser und Bundesländer seit Wochen und Monaten nach mehr Geld vom Bund, um die finanziell angeschlagenen Krankenhäuser zu retten. Wie passt das zusammen?
Der Bund hat im Augenblick kein Geld. Es ist eine Illusion zu glauben, der Bund kann alles regeln. Ich erwarte hier Engagement und Entgegenkommen von den Ländern. Der Bund hat sehr viel Geld in der Pandemie in die Hand genommen, um Strukturen zu erhalten.

Wir haben zudem jetzt sechs Milliarden Euro für die Energiekosten aufgebracht. Das sind wichtige Punkte, die wir auch eingesehen haben, um eine finanzielle Instabilität zu vermeiden. Zumal die Bundesländer ihren Investitonsverpflichtungen über viele Jahre nicht nachgekommen sind.

Ich weigere mich aber, weitere Zugeständnisse zu diskutieren, ohne dass wir ein fertiges Gesetzeskonzept haben. Wer wäre bereit ein Haus zu kaufen, nur weil man es online gesehen hat? Wir müssen zunächst die Modellierungen, Szenarien- und Auswirkungsanalysen abwarten. Umso wichtiger sind deshalb die Umstruk­turierungen innerhalb der Kliniken neben der geplanten Finanzierungsreform

cmk

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