Engpässen von Medizinprodukten und Diagnostika entgegenwirken

Berlin – Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) haben Änderungen an der europäischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und an der In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) gefordert, um künftige Engpässe von Medizinprodukten und Diagnostika zu verhindern.
Es bestehe breiter Konsens, dass MDR und IVDR eine ungewünschte Verknappung von Produkten in der medizinischen Versorgung verursachen, betonten der BVMed-Vorstandsvorsitzende Meinrad Lugan und der Vorstandsvorsitzende des VDGH, Ulrich Schmid, heute bei der Vorstellung eines Whitepapers zur MDR/IVDR-Weiterentwicklung in Berlin.
Ein Drittel der Produkte drohe vom Markt genommen zu werden. Bereits jetzt seien viele Produkte nicht mehr auf dem Markt verfügbar. Studien hätten gezeigt: Medtechunternehmen seien in 65 Prozent der Fälle gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit. Und 89 Prozent der MedTech-Unternehmen priorisierten mittlerweile die US-amerikanische Zulassung ihrer Produkte, so eine Studie der Boston Consulting Group.
MDR und IVDR traten im Jahr 2017 in Kraft. Die MDR wurde von der Europäischen Union (EU) als Reaktion auf den Skandal um Brustimplantate auf den Weg gebracht, die mit Industriesilikon gefüllt waren. Sie sieht unter anderem vor, dass Medizinprodukte neu zertifiziert und die Benannten Stellen, die diese Zertifizierung vornehmen, neu notifiziert werden müssen. Bis zum Mai 2024 gilt eine Übergangsperiode.
Forderung nach einem strukturierten Dialog
„Wir wollen gemeinsam mit allen Beteiligten Europa wieder zu einem wettbewerbsfähigen Medtechstandort machen und überzogene Strukturen aufbrechen sowie gute regulatorische Rahmenbedingungen schaffen – mit Mut und Zuversicht“, betonten BVMed und VDGH.
„Dafür fordern wir die europäischen Institutionen auf, mit uns und allen relevanten Akteuren in Deutschland und Europa in einen strukturierten Dialog zu treten, um so schnell wie möglich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.“
In ihrem Whitepaper schlagen beide Verbände neben einer Ergänzung des derzeitigen Regulierungssystems mehr Berechenbarkeit und Transparenz der Prozesse vor, wirksame Rechtsmittel gegen Marktzugangsentscheidungen, eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit sowie eine Zentralisierung der Verantwortung.
Sie fordern die Abschaffung der fünfjährigen Re-Zertifizierungsfrist sowie sogenannte Fast-Track-Verfahren für Innovationen, Orphan Devices und Diagnostics.
Der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im europäischen Parlament, Peter Liese (CDU), erklärte dazu: „Es war und bleibt richtig, dass wir die Medizinprodukterichtlinie in eine Verordnung umgewandelt haben und als Reaktion auf Skandale wie zum Beispiel mit Brustimplantaten unangemeldete Kontrollen in den Betrieben vorschreiben sowie eine stärkere Überwachung der Benannten Stellen beschlossen haben.“
Schließlich habe es nicht nur den Skandal um Brustimplantate gegeben, sondern ähnliche Probleme auch bei HIV-Tests und Hüftimplantaten. „Außerdem haben manche Benannte Stellen ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht“, betonte Liese. „So konnte es einer britischen Journalistin gelingen, ein Apfelsinennetz aus dem Supermarkt als Medizinprodukt zu zertifizieren. Hier musste sich etwas ändern.“
Es sei allerdings in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden, dass die Mitgliedstaaten und das Parlament übers Ziel hinausgeschossen sind. Insbesondere die Rezertifizierung aller Produkte alle fünf Jahre bedeute einen erheblichen bürokratischen Aufwand und bringe praktisch keinen Gewinn an Sicherheit, da diese Produkte oft seit vielen Jahren gut erprobt sind.
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